Im September in BelgradSerbiens Rechte mobilisieren gegen die EuroPride

Im September in Belgrad / Serbiens Rechte mobilisieren gegen die EuroPride
Am Sonntag demonstrierten Tausende Gegner der EuroPride in Belgrad  Foto: Twitter/Screenshot

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Erstmals soll die jährliche EuroPride im September auf dem Balkan steigen. Doch in Serbiens Hauptstadt Belgrad laufen rechtsklerikale Kreise gegen Europas wichtigstes Homo-Happening Sturm. Bei den Protesten gegen die Parade soll auch die russische Botschaft ihre Finger im Spiel haben.

Serbiens Machtzentren hat Goran Miletic in seinem Büro hoch über der Belgrader König-Milan-Straße immer fest im Blick. Links von der Regenbogenfahne vor seinem Bürofenster ist das Rathaus, rechts der Präsidentenpalast und gegenüber die hohe Kuppel des Parlaments zu sehen.

„Wir haben jede Woche Treffen mit Vertretern der Stadt, der Polizei und der Regierung“, berichtet der Organisator der vom 12. bis zum 18. September erstmals in einem Balkanstaat ausgerichteten EuroPride. Vor einer kurzfristigen Absage oder einem Verbot des wichtigsten Happenings von Europas LGBTIQ-Bewegung (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender, Intersexuell, Queer) habe er „keine Angst“, versichert der Serbe dem Tageblatt: „Die Polizei hat hier mehrmals gezeigt, dass sie die Pride schützen kann, wenn der politische Wille dafür besteht. Und daran habe ich keine Zweifel.“

Es marschierten dieselben Extremisten mit, die sonst in Putin-Shirts die russische Invasion in der Ukraine unterstützen

Goran Miletic, Organisator der EuroPride über Gegendemonstrationen

Andere im Balkanstaat sind anderer Ansicht. Mit Kreuzen und Ikonen in den Händen waren am vergangenen Sonntag mehrere tausend Gegner der EuroPride über die König-Milan-Straße gezogen, um für das Verbot der missliebigen Homo-Parade zu demonstrieren. „Hände weg von unseren Kindern“ war auf einem ihrer Plakate zu lesen. Wer hinter der nicht registrierten Vereinigung zum Schutz der Familie stehe, die offiziell die Demonstration organisiert habe, sei „völlig undeutlich“, sagt Miletic: „Aber es marschierten dieselben Extremisten mit, die sonst in Putin-Shirts die russische Invasion in der Ukraine unterstützen.“

Russland versuche, „auf alle Art Serbien und die Region zu destabilisieren“, klagte in dieser Woche Dragan Sormaz, ein früherer Parlamentarier der nationalpopulistischen Regierungspartei SNS, gegenüber der Zeitung Blic: „Ich bin sicher, dass die russische Botschaft hinter den Protesten gegen die EuroPride steht.“

Doch nicht nur bei russophilen Oppositionsparteien wie den rechtsklerikalen „Dveri“ oder „Zavetnici“, sondern auch in der regierenden SNS findet die Forderung nach einem Verbot der EuroPride durchaus Widerhall. Wenn schon die Organisatoren die EuroPride nicht absagen wollten, sollte dies der Staat tun, forderte kürzlich das SNS-Vorstandsmitglied Vladimir Djukanovic: „Mehr als 90 Prozent der Leute sind dagegen. Es ist sinnlos, Spannungen über derart periphere und idiotische Themen zu schaffen.“

Der Bischof sagt: „Wenn ich eine Waffe hätte …“

Einen Schritt weiter ging vor Wochenfrist der erzkonservative Bischof Nikanor. Mit einem Kreuz in der Hand verfluchte der homophobe Chef des Bistums Banat vor der Kirche in Vrsac wutschnaubend alle, die die EuroPride organisieren oder daran teilnehmen würden: „Wenn ich eine Waffe hätte, würde ich sie nutzen. Aber ich habe keine.“

Auch die geschäftsführende Regierungschefin Ana Brnabic (SNS), eine bekennende Lesbe, traf der Bannstrahl des Kirchenfürsten. Brnabic habe „unser Land beschmutzt“ und sei „weder unserer Herkunft noch unseres Glaubens“, erinnerte Nikanor an deren kroatische Vorfahren: „Ihre Eltern und Großeltern waren unsere Feinde, die Schlächter des serbischen Volks.“

Nur ein Großvater von Brnabic sei Kroate, aber sicher kein Ustascha gewesen, erregte sich hernach der allgewaltige Staats- und SNS-Chef Aleksandar Vucic über die bischöflichen Attacken gegen seine Strohfrau auf der Regierungsbank. Er habe nichts gegen Kirchendogmen, „aber niemand hat das Recht, anderen zu drohen“. Die Pride habe ihm „noch nie gefallen“, bekannte Vucic: Doch die Leute hätten das Recht „auf diese Manifestation“. Die Frage, ob die EuroPride durchgeführt werde, hänge von der „Einschätzung der Sicherheitslage und vielen anderen Fragen“ ab und werde „Anfang September entschieden“.

Die Erklärung des Präsidenten hätte „deutlicher, klarer und ermutigender“ sein können, klagt EuroPride-Organisator Miletic. Dennoch hegt er an deren Durchführung keine Zweifel. Die 15.000 aus ganz Europa erwarteten Besucher könnten sich in Serbiens Hauptstadt „sicher fühlen“, auch wenn sie sich bewusst sein müssten, dass Belgrad „nicht Amsterdam oder Berlin ist“: „Hier hängen an jeder Ecke Überwachungskameras. Attacken sind kaum zu erwarten. Wenn der Wille der Polizei besteht, werden Straftäter sofort gefasst.“

Obwohl mit Brnabic seit fünf Jahren eine Lesbe die Regierungsgeschäfte führt und die Belgrader Pride-Paraden in den letzten Jahren zwar unter hohen Sicherheitsvorkehrungen, aber ohne größere Zwischenfälle durchgeführt werden konnten, haben Homosexuelle in Serbien weiter keinen leichten Stand. Nur in den Großstädten Belgrad und Novi Sad könnten Homosexuelle ein einigermaßen normales Leben führen, berichtet Miletic über Diskriminierung und Gewalt gegenüber Homosexuellen vor allem in der Provinz.

Die Ausrichtung der EuroPride in Belgrad sei nicht nur für die LGBTIQ-Gemeinschaft in Serbien, sondern in der ganzen Region eine Anerkennung der erkämpften Fortschritte und eine „große Ermutigung“: „Die Botschaft ist, dass der Balkan nicht vergessen ist, sondern wir in jeder Hinsicht Europa sind.“