Rumoren in Rumänien

Rumoren in Rumänien
Ein Bild der Massenproteste vom vergangenen 10. August: „Die PSD ist keine sozialdemokratische Partei westeuropäischer Prägung, sondern eine postkommunistische und illiberale Partei mit engen Bindungen zur ungarischen Fidesz und der polnischen PiS.“

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Als Ausdruck der wachsenden Nervosität der Regierung bewertet der Bukarester Politologe Cristian Pirvulescu das gewalttätige Auftreten der Polizei bei den jüngsten Protesten gegen die Aushöhlung des Rechtsstaats. Im Gespräch mit dem Tageblatt erläutert er, warum die Machtposition des vom Gefängnis bedrohten PSD-Chef Liviu Dragnea zu bröckeln beginnt.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Bukarest

Zur Person

Der 53-jährige Politologe Cristian Pirvulescu gilt als einer der angesehensten Analysten und Publizisten in Rumänien. Der an der Hochschule für Politische Studien und Öffentliche Verwaltung (SNSPA) in Bukarest lehrende Professor ist der Vorsitzende des Verbands Pro Democratia und moderiert seit Jahren zwei politische Talkshows im rumänischen Fernsehen.

Tageblatt: Wie erklären Sie sich die Gewaltexzesse von Rumäniens Polizei bei den jüngsten Protesten?

Cristian Pirvulescu: Die regierende PSD wird zunehmend nervös. Partei-Chef Liviu Dragnea hat bereits zwei Regierungschefs ausgetauscht. Er weiß, dass dies seine letzte Chance ist, die Regierung zu kontrollieren. Wegen Amtsmissbrauch ist er in erster Instanz zu 3,5 Jahren Haft verurteilt worden. Die Chance ist groß, dass dieses Urteil in der Berufung bestätigt wird. Um einer Haft zu entgehen, will er die Gesetze ändern. Und die Proteste dagegen hält er für gefährlich.

Der Polizeieinsatz wurde offenbar bewusst mithilfe einer Gruppe von randalierenden Fußballhooligans inszeniert. Was wurde Ihrer Meinung nach damit beabsichtigt?

Vermutlich war ein Grund das Bestreben, mit den Ausschreitungen die Behauptung zu belegen, dass Staatschef Klaus Johannis einen gewalttätigen Umsturz plane – und damit die im September geplante Suspendierung des Präsidenten begründen. Denn selbst wenn die Stellung des Präsidenten in Rumänien nicht sehr stark ist, kann er Gesetzvorhaben verzögern, allerdings nicht stoppen. Dragnea möchte ihn ablösen lassen – und im nächsten Jahr selbst als PSD-Kandidat für das Präsidentenamt kandidieren.

Wie reagiert die Öffentlichkeit auf die seit eineinhalb Jahren währenden Dauerturbulenzen?

Generell gibt es in Rumänien eine sehr starke Desillusionierung über die Politik. In den Umfragen ist die PSD zwar gefallen, mit 35 bis 40 Prozent aber noch immer die klar stärkste Partei. Weil die Meinungsforschungsinstitute weitgehend von der PSD kontrolliert werden, sind Umfragen in Rumänien allerdings ohnehin kaum relevant.

Wie reagiert die PSD auf den Kamikaze-Kampf ihres Vorsitzenden?

Die PSD ist keine sozialdemokratische Partei westeuropäischer Prägung, sondern eine postkommunistische und illiberale Partei mit engen Bindungen zur ungarischen Fidesz und der polnischen PiS. Die PDS-Führung ist besessen von der Verschwörungstheorie des „Parallelstaats“, der mithilfe der Geheimdienste, multinationaler Konzerne, der Opposition, von Soros und den Bürgerrechtsgruppen die gute Regierung stürzen wolle. Doch auch in der PSD gärt es. Die Position von Dragnea beginnt zu bröckeln.

Wie äußert sich das?

Ex-Premier Victor Ponta hat begonnen, abtrünnige PSD-Abgeordnete in einer eigenen Fraktion zu sammeln. Die Regierung hat darum keine klare Mehrheit mehr, ist auf die Tolerierung der ungarischen Minderheitspartei UDMR angewiesen. Parteiinterne Kritiker werden zunehmend sichtbarer. Die frühere Erziehungsministerin Ecaterina Andronescu hat vor einigen Tagen den Rücktritt von Dragnea gefordert – und handelte sich dafür wüste Beschimpfungen der Parteiführung ein. Aber sie ist sehr populär bei der Parteibasis. Vor allem die PSD-Ortsverbände in Transsylvanien beginnen, von Dragnea abzurücken.

Mit welchem Szenario rechnen Sie?

Das ist schwer zu sagen. Die Opposition hat im Parlament eine sehr schwache Position. Eine Schlüsselrolle fällt der ungarischen UDMR zu, die die Regierung im Sattel hält. Einerseits ist die UDMR eng mit Fidesz verbunden. Und Viktor Orban hat kein Interesse an einem liberalen Rumänien. Andererseits ist die ungarische Minderheit in Transsylvanien mit der derzeitigen PSD-Regierung keineswegs zufrieden – und auch die UDMR steht unter dem Druck ihrer Wähler. Zumindest über den Polizei-Einsatz hat sich die UDMR nun sehr negativ geäußert.

Was für eine Rolle spielt die Diaspora?

Eine sehr große. Die Auslandsrumänen waren schon bei den Präsidentschaftswahlen 2009 und 2014 ein entscheidender Faktor. Die Furcht von Dragnea vor der Diaspora ist verständlich. Die Rumänen im Ausland arbeiten hart, haben andere Werte – und sehen die Situation und die PSD sehr kritisch. Die meisten Rumänien fühlen sich noch immer stark mit ihrer Heimat verbunden – und sind nicht sehr glücklich, hier eine korrupte Regierung zu haben.

 

rupp michel
20. August 2018 - 14.15

Ich befinde mich aktuell in Rumänien.Übers Fernsehen habe ich die Demonstrationen in den Nachrichten verfolgt.Laut Augenzeugen wurden grundlos Demonstranten von der Polizei verprügelt und geknüppelt.Von der regierenden PSD wurden Schläger organisiert um sich unter das Volk zu mischen und Prügeleien mit der Polizei anzuzetteln, eine Schande dergleichen.Und als Kirsche auf den Kuchen besitzt die Ministerpräsidentin die Unverfrorenheit einen Brief an das Europaparlament abzuschicken mit dem Inhalt, alles unter Konrolle----Regierungssturz abgewendet. Hier herrscht seit 1989 Korruption sondergleichen und keiner kann dem Einhalz gebieten. Die ermittelnde Staatsanwältin wurde kurzerhand abgesetzt weil Sie sich wagte korrupte Politiker anzuklagen. Wenn das Demokratie in der EU ist? Quo vadis Romania