Ein komischer VogelRotmilan versetzt Düdelinger Senioren in Angst und Schrecken

Ein komischer Vogel / Rotmilan versetzt Düdelinger Senioren in Angst und Schrecken
Ein Rotmilan bereitet den Verantwortlichen des CIPA „Grand-Duc Jean“ in Düdelingen derzeit etwas Kopfzerbrechen Foto: Wikimedia Isiwal

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Ein Rotmilan hält das Seniorenheim in Düdelingen auf Trab. Der schlaue Greifvogel hat sich in der Nähe des CIPA „Grand-Duc Jean“ eingenistet und den angrenzenden Park zu seinem Hoheitsgebiet erkoren. Auf der Suche nach Nahrung legt das Tier ein derart aufdringliches Benehmen an den Tag, dass sich Spaziergänger nur noch geduckten Hauptes durch die Anlage trauen. Den Behörden ist das Problem bekannt. Doch bei Fangversuchen gingen sie bisher leer aus.

„Es ist ein imposanter Anblick, wenn ein Rotmilan plötzlich auf einen zufliegt“, sagt Laurent. Der Düdelinger schwärmt geradezu von der Pracht des Greifvogels, auch wenn ihn das ansonsten eher menschenscheue Tier am Wochenende leicht an der Hand verletzt hat. Für ihn war es nicht die erste Begegnung mit dem Rotmilan: Seine Ehefrau wurde ebenfalls vor wenigen Tagen vom Tier ins Visier genommen. Und auch andere Spaziergänger wissen um die Gefahr, die ihnen von den Baumwipfeln der Parkanlage droht.

Thomas – so der Name des Rotmilans – hat sich vor mehr als einem Jahr in der Nähe des Seniorenheims in Düdelingen eingenistet und die Umgebung zu seinem Revier erkoren. Auffällig wird das Tier aber erstmals im Frühling dieses Jahres: „Eine Mitarbeiterin war mit ihrem Hund im Park unterwegs. Und bei Hunden greift er systematisch an“, erinnert sich Denis Laloy, der für Pflege und Betreuung zuständige Abteilungsleiter im Seniorenheim.

Aus dem zunächst noch zurückhaltenden Vogel wird rasch ein aufdringlicher Mitbewohner, der vor Menschen zunehmend die Scheu verliert. Immer öfter geht das Tier auf Tuchfühlung mit den Bewohnern und Besuchern des Seniorenheims, stibitzt dabei das Futter regelrecht aus den Händen der Spaziergänger. Viele erfreuen sich am Anblick des imposanten Greifvogels, andere haben Respekt vor dessen Spannweite und bedrohlichen Krallen.

Im Sommer wird es plötzlich etwas ruhiger um Thomas. Doch die Ruhe hält nicht lange: „In den vergangenen Wochen haben wir gemerkt, dass der Rotmilan wieder aggressiver geworden ist“, verrät Damien Ambrosini, der Direktionsbeauftragte des Seniorenheims, im Gespräch mit dem Tageblatt. Das Tier sei wegen des bevorstehenden Winters wohl auf Nahrungssuche. Deshalb hätten neben einigen Mitarbeitern und Heimbewohnern auch immer mehr Besucher und Spaziergänger ungewollt Bekanntschaft mit dem Tier machen müssen. „Manchen Leuten hat das Tier einen richtigen Schrecken eingejagt“, so Ambrosini.

Deshalb habe man sich am Wochenende dazu entschlossen, die Heimbewohner vor Spaziergängen im Park zu warnen. „Wir haben unseren Bewohnern ans Herz gelegt, nicht mehr alleine durch die Anlage zu spazieren“, unterstreicht der Direktionsbeauftragte. Zwar sei noch niemand ernsthaft verletzt worden. „Es ist jedoch beeindruckend, wenn so ein Vogel plötzlich aus der Luft auf einen zustürzt. Es kann also durchaus vorkommen, dass jemand zurückschreckt und zu Boden geht. Sollte so etwas passieren, sind die Leute wenigstens nicht alleine“, meint Ambrosini. 

„Er ist schlau“

Dass ein Rotmilan derart auf Tuchfühlung mit Menschen geht, sei äußerst ungewöhnlich: „Das Verhalten, das der Rotmilan in Düdelingen an den Tag legt, ist sicher nicht normal und auch nicht natürlich“, lautet das Fazit der Ornithologin Cindy Redel. Auch wenn das aggressive Benehmen des Greifvogels mit der Nahrungssuche im Hinblick auf den bevorstehenden Winter erklärt werden könne, habe sich herausgestellt, dass er praktisch verhaltensgestört sei. „Es hilft natürlich nicht, dass manche Anwohner und Spaziergänger den Vogel zusätzlich füttern“, meint die Expertin von der Luxemburger „Centrale ornithologique“.

Dass Thomas kein normaler Rotmilan ist, zeigt allein schon der Umstand, dass der Vogel einen Namen trägt. Mit drei anderen Artgenossen wurde der Greifvogel vor Jahren aus der Gefangenschaft gerettet und in der Pflegestation für Wildtiere in Düdelingen untergebracht. Dort wurden die Rotmilane wieder aufgepäppelt und auf ein Leben in freier Wildbahn vorbereitet. „Eigentlich sollten die vier Vögel ausgewildert werden, um ein normales Leben führen zu können. Das hat aber nicht geklappt“, erklärt Cindy Redel.

Drei der vier Rotmilane seien unverzüglich wieder in der Pflegestation für Wildtiere aufgetaucht. „Nur Thomas wollte seine neugewonnene Freiheit nicht so leicht wieder aufgeben“, meint die Ornithologin mit einem Augenzwinkern. Vielmehr habe sich der Rotmilan nun im knapp 500 Meter Luftlinie entfernten Park des Seniorenheims niedergelassen. In die Pflegestation will Thomas partout nicht mehr zurück: Sämtliche Versuche, den Greifvogel einzufangen, sind bislang gescheitert.

Als geschützte Vogelart dürfen Rotmilane nur von ausgebildeten Mitarbeitern der „Centrale ornithologique“ eingefangen werden. Nur sie besitzen die diesbezügliche Ausnahmegenehmigung. „Seit anderthalb Jahren schon versuchen wir ihn einzufangen“, meint Redel. „Doch er ist schlau: Sobald er uns im Park erblickt, macht er sich davon. Er kennt unsere Handschuhe für Greifvögel von der Pflegestation. Darauf fällt er nicht mehr herein.“ Auch Versuche mit Köder seien bislang gescheitert. Aufgeben aber werden Redel und ihre Mitarbeiter nicht: „Der nächste Fangtermin steht bereits fest!“, so die Expertin.

Einen kleinen Trumpf haben die Verantwortlichen der „Centrale ornithologique“ und der Pflegestation für Wildtiere noch im Ärmel: Da der Vogel mit einem GPS-Sender ausgestattet ist, wissen sie stets, wo sich Thomas gerade aufhält. So soll es vorkommen, dass sich der Greifvogel nach Fangversuchen auch mal ins Ausland absetzt. Nach Belgien oder nach Deutschland etwa, bis nach Frankfurt. „Doch ist er einen Tag später meist wieder in Düdelingen“, so Redel.

Auch in Luxemburg gilt der Rotmilan als bedroht. Thomas wurde mit drei seiner Artgenossen aus einer Gefangenschaft gerettet und in der Pflegestation in Düdelingen auf eine Auswilderung vorbereitet.
Auch in Luxemburg gilt der Rotmilan als bedroht. Thomas wurde mit drei seiner Artgenossen aus einer Gefangenschaft gerettet und in der Pflegestation in Düdelingen auf eine Auswilderung vorbereitet. Foto: Wikimedia

Steckbrief: Rotmilan

Der Rotmilan ist ein Greifvogel mit rostrot gefärbtem Federkleid, hellgrauem Kopf sowie schwarzen und weißen Federn auf der Unterseite. Eindrucksvoll ist vor allem seine Flügelspannweite von bis zu 160 Zentimetern. Einzigartig hingegen ist der tief gegabelte Schwanz, der ihn von anderen Greifvögeln unterscheidet. Der Rotmilan wird bis zu 25 Jahre alt und ist im Gegensatz zum nahe verwandten Schwarzmilan im Wesentlichen nur in Europa beheimatet.
Die Bestände sind in den letzten Jahrzehnten erheblich zurückgegangen, weshalb die Vogelart aktuell als bedroht gilt. Allein in Luxemburg gibt es Schätzungen der „Natur&Ëmwelt asbl“ zufolge derzeit nur noch 90 bis 100 Brutpaare. Diese bleiben sich einander oft über Jahre treu, auch wenn sie den Winter nicht gemeinsam verbringen. Bei der Rückkehr ins Brutgebiet finden sie einander allerdings wieder.
Eine Besonderheit des Rotmilans seien dessen unordentlichen Nester: „Rotmilane lieben es, ihr Nest mit allerlei Fundstücken auszustatten. Vogelkundler fanden neben Plastiktüten, Unterwäsche, Arbeitshandschuhen und Tennisbällen sogar Plüschtiere, die ins Nest eingebaut wurden. Warum die Tiere dieses Verhalten zeigen, ist noch immer unbekannt“, heißt es im Steckbrief der deutschen Wildtierstiftung.
Rotmilane seien mit ihrer Nahrung nicht wählerisch, zur Brutzeit seien Abfälle und Aas sogar die wichtigste Nahrungskomponente. Ornithologen zufolge „sammeln“ Rotmilane eher, als dass sie aktiv jagen. Der Rotmilan ist außerdem ein Zugvogel, der im Herbst eigentlich in wärmere Länder aufbricht.
Es sei inzwischen jedoch nicht mehr ungewöhnlich, dass die Zahl der in Mitteleuropa überwinternden Vögel stetig zunimmt, so Cindy Redel von der Luxemburger „Centrale ornithologique“ gegenüber dem Tageblatt.
Auch bei Thomas sei der Zugtrieb abhandengekommen. „Seine Artgenossen befinden sich nämlich längst auf dem Weg zur iberischen Halbinsel“, erklärt die Ornithologin. „Er aber macht das nicht. Und er hat sich in Düdelingen auch keinen Horst gebaut, um sich fortzupflanzen.“ Auch dass ein Rotmilan derart auf Tuchfühlung mit Menschen geht, sei äußerst ungewöhnlich. „Normalerweise kommen die Greifvögel in der Wildnis nicht mal in die Nähe von Menschen“, so Redel.

frolick
17. November 2021 - 14.20

Der Vogel braucht ein Lockdown.

jean-pierre goelff
16. November 2021 - 14.00

Um Gottes Willen ,lasst doch den Vogel in Ruhe!Beim Ausgang unserer Senioren.....Regenschirm aufspannen,vielleicht hilft das!

MarcL
16. November 2021 - 12.34

Ein eigensinniger Kerl, könnte glatt ein Mensch sein :O)

Spunz
16. November 2021 - 8.45

Der Generationskonflikt weitet sich auf die Tierwelt aus. Dem Tier zuliebe , den Senioren den Ausgang verbieten.Sie haben schließlich , durch ministerielles Ausgehverbot während der Pandemie schon reichlich Erfahrung gesammelt .