Refugium für Arbeiterkinder: Escher Waldschule wird 90 Jahre alt

Refugium für Arbeiterkinder: Escher Waldschule wird 90 Jahre alt

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Vor fast genau 90 Jahren, am 21. Mai 1928, wurde die Escher Waldschule offiziell eingeweiht. Seitdem ist das Gelände auf dem „Hëlzebierg“ zu einer wahren Institution geworden. Gegründet, um den sozial benachteiligten Kindern der Schmelzarbeiter eine angemessene und naturnahe Bildung zu ermöglichen, wird die „Waldschoul“ auch heute noch vielfältig genutzt. Trotzdem wurde der Standort in den vergangenen Jahren etwas vernachlässigt, was sich aber bald ändern könnte.

Die erste Waldschule im Süden Luxemburgs wurde 1913 in Düdelingen eröffnet. Auch für Esch hatte die Arbed zu dieser Zeit bereits ähnliche Pläne, als der Generaldirektor des Stahlunternehmens, Emile Mayrisch, der Stadt Esch 12.500 Franken zur Errichtung einer Waldschule „hochherzig zur Verfügung“ stellte, wie die Luxemburger Bürger-Zeitung am 24. Oktober 1912 berichtete. Im Jahr 1913 ließ dann auch die Gelsenkirchener Bergwerks-AG sich nicht lumpen und stellte der Stadt den gleichen Betrag „zum Bau einer Waldschule bzw. eines Waisenhauses“ zur Verfügung, über den der Escher Gemeinderat am Anfang Oktober 1913 abzustimmen hatte, wie das Escher Tageblatt schrieb.

Im Oktober 1914 wurde man sich einig, die Waldschule auf dem „Nossbierg“ zu bauen, doch der gerade ausgebrochene Erste Weltkrieg durchkreuzte die Pläne. Vier Jahre nach Kriegsende wurde der Bau dann erneut beschlossen. Am 26. Februar 1926 genehmigte der Gemeinderat die Pläne nach dem System „Docker“ des Stadtarchitekten Isidore Engler. Als neuer Standort wurde ein Gelände beim „Hëlzebierg“ gefunden. Finanziert wurde das Projekt von „Arbed Terres Rouges“ und der Stadt Esch, die beide jeweils 225.000 Franken beisteuerten.

In „Ruhe und Stille“ wachsen

Rund zwei Jahre nach Baubeginn, im Mai 1928, wurde die Waldschule in Betrieb genommen. „Gestern Nachmittag wurde die im Holzenberg eingerichtete Escher Waldschule feierlich eröffnet, nachdem bereits am Morgen die Kinder, 14 Knaben und 18 Mädchen aus dem 3. bis 5. Schuljahre dort eingezogen waren“, berichtete das Escher Tageblatt am 22. Mai 1928. Und weiter: „Das Waldgelände, auf dem die Schule errichtet ist, hat eine ideale Lage. Es ist geschützt gegen Wind von der Nord- und Westseite her und liegt außerhalb des Bereiches der Rauchschwaden unserer Hüttenwerke. Die nahen Tannenwaldungen bieten eine gute Gelegenheit zu einem gesunden Aufenthalt.“

In Esch und den anderen Industriestädten im Süden gab es zu dieser Zeit zahlreiche Kinder, die in „unhygienischen Wohnungen“ lebten und häufig auch noch unterernährt waren, wie der Ehrenlehrer und Ehrenbibliothekar der Stadt Esch, Jean-Pierre Theisen, 1937 schrieb. Viele dieser Kinder konnten mit ihren Kameraden, die in besseren Verhältnissen

lebten, schulisch nicht mithalten. Ziel der Waldschule war es, „den Kindern der Gemeinde und den Kindern des Personals der Hüttengesellschaften hauptsächlich den schwächlichen, blutarmen skrofulösen oder genesenden Kindern die Fortsetzung ihrer Schulstudien in den besten hygienischen Verhältnissen zu erlauben“, zitierte das Escher Tageblatt den damaligen Präsidenten der Schulkommission, Jacques Thilmany, Abgeordneter und Schöffe der Arbeiterpartei.

In „Ruhe und Stille“ solle sich das Wachstum der Kinder in der Waldschule vollziehen. Von morgens 8.00 bis abends 19.00 Uhr hatte die Waldschule geöffnet. Am Vormittag wurde unterrichtet, der Nachmittag diente der Erholung und dem Spiel. Mit reichhaltigen Mahlzeiten sollten die Kinder wieder zu Kräften kommen. Die Auswahl der von den Schulärzten als schwächlich befundenen Kindern traf Dr. Philippe Bastian.

Rückzug der Arbed nach 1980

Im ersten Jahr funktionierte die Escher Waldschule mit einer gemischten Klasse von 34 Kindern, die von „Fräulein Rasquin“ unterrichtet wurden. Ab 1929 waren dann zwei Klassen für insgesamt 72 Kindern eingerichtet. Die Kinder gelangten anfangs mit der Dieswegbahn zur Waldschule. Von den Hüttenwerken wurden eigene Transportwagen zur Verfügung gestellt. Die letzten 300 Meter mussten die Kinder aber zu Fuß zurücklegen, da die Bahn nicht bis zur Schule fuhr. Die Waldschule umfasste Schul-, Küche-, Speise- und Ruhebaracken.

Die Escher „Waldschoul“ funktionierte jahrzehntelang auf diese Weise, bis die Arbed im Zuge der Stahlkrise Anfang der 1980er Jahre beschloss, sich nicht mehr an den Ausgaben zu beteiligen. Anfangs reagierte die Stadt Esch nicht, doch als die Escher Jeunesse unter ihrem damaligen Präsidenten Paul Weidig den Plan entwickelte, auf dem Gelände der Waldschule ein Trainingslager einzurichten, musste die Gemeinde handeln. Vor allem die LSAP mit ihrem Präsidenten Jean Klein und dem späteren Bürgermeister Frrançois Schaack, die damals Sekretär bzw. Präsident der Schulkommission waren, haben sich dafür eingesetzt, den Standort für die Escher Schulkinder zu erhalten.

1983 wurden dann zum ersten Mal die Freizeitnachmittage in den Sommerferien veranstaltet, die es auch heute noch gibt. Diese Freizeitaktivitäten werden unter der Leitung von Monique Dilk in allen Schulferien mit Ausnahme der Weihnachtsferien angeboten. In diesem Jahr soll in diesem Rahmen zum ersten Mal Yoga für Kinder veranstaltet werden, wie die Escher Bildungsschöffin Mandy Ragni gegenüber dem Tageblatt erklärte. Neben der „Bëschcrèche“ wird die Waldschule auch weiterhin von Escher Schulklassen genutzt, die dort, unter der Betreuung von zwei Lehrerinnen, mehr über den Wald und die Natur lernen können.