Kroatien vor RechtsruckRechtsnationale DP könnte den Konservativen als Steigbügelhalter dienen

Kroatien vor Rechtsruck / Rechtsnationale DP könnte den Konservativen als Steigbügelhalter dienen
Der kroatische Premierminister Andrej Plenkovic geht mit seiner konservativen HDZ trotz Verlusten wieder als Sieger aus den Parlamentswahlen hervor Foto: Damir Sencar/AFP

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Trotz leichter Zugewinne der linksliberalen Kräfte steht Kroatien vor einem Rechtsruck auf der Regierungsbank: Die nationalistische DP könnte künftig für die Konservativen (HDZ) anstelle der Minderheiten den Steigbügelhalter darstellen. Doch sicher ist eine neue Regierungsmehrheit noch keineswegs.

Erst weit nach Mitternacht stellte sich in Kroatiens langer Wahlnacht der vermeintliche Triumphator mit erhobenen Händen seinen frenetisch applaudierenden Mitstreitern. Es sei die „Zeit des Sieges und der Feier“, verkündete Premier Andrej Plenkovic. Zum dritten Mal in Folge habe seine konservative HDZ „überzeugend gewonnen“: „Ab morgen machen wir uns daran, eine neue Regierungsmehrheit zu bilden!“

Nicht nur wegen seines maskenhaften Lächelns sprach die seine Rede analysierende Kommunikationsexpertin Gabrijela Kisicek hernach von einem „gespielten Selbstbewusstsein“. Der sonst so selbstsichere HDZ-Vormann habe vor allem „das Gefühl des Unbehagens“ vermittelt: „Dies war keine Siegesrede – und weit weg von Triumph und Feier.“

Tatsächlich dürfte das anvisierte dritte Regierungsmandat dem 54-Jährigen merklich schwerer fallen als bisher. Zwar hat sich die HDZ trotz unzähliger Korruptionsskandale mit 34,42 Prozent (2020: 37,3 Prozent) klar als stärkste Kraft behauptet. Da aber die Anzahl ihrer Mandate von 66 auf 61 geschrumpft ist, kann „Plenki“ künftig nicht mehr mit den handzahmen Minderheiten regieren, sondern ist auf einen „echten“ Koalitionspartner angewiesen.

Frühere Parteirechte aus Slawonien

Von rechts bis links hatten alle der bisherigen Oppositionsparteien im Stimmenstreit eine Koalition mit der als korrupt kritisierten HDZ einhellig abgelehnt. Doch schon in der Wahlnacht signalisierte die rechtsnationale „Heimatbewegung“ (DP), die als drittstärkste Kraft mit 9,56 Prozent (2020: 10,9 Prozent) leichte Einbußen hinnehmen musste, ihre Bereitschaft zur Kehrtwende – und zum Gang an die Regierungsfuttertröge.

DP-Chef Ivan Penava schloss in der Wahlnacht nur noch eine Kooperation mit der serbischen Minderheitspartei SDSS und der grünalternativen „Mozemo!“ als „unmögliche Mission“ kategorisch aus: „Ab morgen werden wir uns an den Tisch sitzen, verhandeln – und sehen, wer über welche Karten verfügt.“

Die sich bisher hart beharkenden HDZ und DP sind sich zumindest vertraut. Der Großteil der Führung der 2020 gegründeten und vor allem in Slawonien sehr stark verwurzelten DP rekrutiert sich aus der früheren Parteirechten der HDZ, die von Plenkovic weitgehend eliminiert worden ist. Ein Regierungseinstieg der Nationalisten könnte allerdings nicht nur auf Kosten der drei serbischen, sondern aller acht Minderheitenabgeodneten gehen: In der Regel pflegen die Minderheitsparteien sich auf nationaler Ebene abzusprechen – und gemeinsam zu agieren.

Unklar ist auch noch, wie viele der künftig 14 Abgeordneten zählenden DP-Fraktion den sich abzeichnenden Kurswechsel der Parteiführung auch mittragen werden. Von einem Juniorpartner der DP wurde bereits in der Wahlnacht offener Widerspruch gegen eine Koalition mit der HDZ laut.

Machtwechsel nur theoretisch möglich

Doch wäre Plenkovic überhaupt fähig, eine Regierung mit der von ihm jahrelang verhöhnten DP zu führen? Der Preis, den die DP für den Einstieg ins Regierungsboot fordern dürfte, könnte auch ein Premier-Wechsel sein. Ein von den Medien bereits gehandelter Nachfolgekandidat ist der HDZ-Verteidigungsminister Ivan Anusic, der als strammer Parteirechter aus Slawonien auch für die DP akzeptabel wäre. Mit Hilfe seiner EVP-Kontakte könnte Plenkovic nach der Europawahl auf einen hochrangigen EU-Posten zurück nach Brüssel „befördert“ werden, so die Spekulationen.

Paradox wirkt die Tatsache, dass der Adriastaat trotz leichter Zugewinne des linksliberalen Lagers an den Urnen vor einem Rechtsruck auf der Regierungsbank steht. Doch obwohl die sozialdemokratische SDP (25,41 Prozent) und die grünalternative Mozemo (9,1 Prozent) zulegen konnten, liegt auch der in die Jahre gekommene EU-Neuling Kroatien im Europatrend des Erstarkens nationalistischer Populisten.

Die schwindende Hoffnung auf einen theoretisch weiter möglichen Machtwechsel mit Hilfe der rechtsklerikalen Most (8,02 Prozent) und der Minderheiten haben die Linksparteien zwar noch nicht aufgegeben. Doch die Rechnung des am Wahlabend völlig abgetauchten, linkspopulistischen Staatschefs Zoran Milanovic, mit seiner vom Verfassungsgericht verbotenen Selbstkandidatur frühere SDP-Wähler zu reaktivieren, ging nicht ganz auf: Der polarisierende Politsolist trieb mit seinem harten Alphatier-Duell gegen Plenkovic nicht nur vermehrt SDP-, sondern auch HDZ-Symphatisanten an die Urnen.