Gesellschaft Psychisch auffällige Jugendliche: PsyUp hilft in Jugendhäusern 

Gesellschaft  / Psychisch auffällige Jugendliche: PsyUp hilft in Jugendhäusern 
Die Pandemie hat sie sichtbarer gemacht: die Verunsicherung und Probleme von Jugendlichen. Mit dem Service „PsyUp“ und den beiden mobilen Psychologinnen bei der „Croix-Rouge“ gibt es Hilfe – für das Personal und für die Jugendlichen in Jugendhäusern.  Foto: Editpress/Alain Rischard

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Immer mehr Jugendliche zeigen psychische Auffälligkeiten. Diesen Schluss ziehen Verantwortliche in Jugendhäusern. Das Rote Kreuz nimmt Beobachtungen wie diese ernst und hat zunächst für seine elf Jugendhäuser einen neuen Service eingerichtet. Seit einem Jahr füllt der „PsyUp“ eine Lücke, was gut ankommt. 

Wenn es brennt, kommen Stephanie Silva (28) und Brenda Gilson (24). Die beiden Psychologinnen sind überall dort vor Ort, wo Erzieher und Jugendhausleiter auf der einen Seite und Jugendliche auf der anderen Hilfe brauchen. Sie fahren Jugendhäuser an, begleiten, moderieren und geben Tipps für eine Lösung. Das Spektrum der Probleme, mit denen sie es zu tun haben, reicht von Aggressionen, Angst- und Zwangsstörungen über Schulabbruch und Depressionen bis hin zu Drogen- und Spielsucht. 

Unbekannt oder gar neu ist das nicht. Allerdings haben Extremsituationen wie Lockdowns und Sicherheitsmaßnahmen während Covid-19 die Symptome verstärkt. „Uns ist aufgefallen, dass während der Pandemie psychische Probleme bei den Jugendlichen deutlicher sichtbar wurden als vorher“, sagt Marco Deepen (51). Der studierte Pädagoge ist bei der „Croix-Rouge“ zuständig für den Bereich „non-formale Erziehung“, also für alle außerschulischen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen.

Vor diesem Kontext ist er nah dran an dem, was in Jugendhäusern abläuft und auffällt. Das Personal war mit dieser Situation überfordert, hatte nicht die richtigen Antworten auf die Anliegen der Jugendlichen. Studien belegen die Auswirkungen der Pandemie auf die mentale Gesundheit von Jugendlichen. Jugendliche kämpfen anders als Erwachsene mit den Folgen der Pandemie. Das ist aber noch nicht alles in einer Welt, die im Permanent-Krisenmodus wahrgenommen wird.

Ein Ort frei von Druck 

„Dann kam der Konflikt in der Ukraine“, sagt Psychologin Silva. „Da haben sich die Jugendlichen auch Fragen gestellt.“ Die Bedeutung von Jugendhäusern als Ort der sozialen Interaktion ist ein unterschätzter Teil der öffentlichen Wahrnehmung. Und einer sich wandelnden Gesellschaft, in der Kinder und Jugendliche nicht mehr nach Schichten und Alter bunt zusammengewürfelt auf der Straße spielen. Sie spielen eine wichtige Rolle. 

„Im Jugendhaus treffen Jugendliche auf Gleichaltrige und sie können hier vor allem sie selbst sein“, sagt „Croix-Rouge“-Abteilungsleiter Deepen. Das bestätigen Sam und Fabrizio*, die beide ständige Gäste in ihren jeweiligen Jugendhäusern sind. Sie schätzen es als Ort, um mit Freunden abzuhängen und Freizeitaktivitäten auszuüben, ohne den Leistungsdruck eines Schulsystems im Hintergrund. Sam ist seit der Eröffnung vor fünf Jahren regelmäßiger Gast im Jugendhaus in Ehlingen/Mess.

„Ich hatte anfangs meine ganzen sozialen Kontakte hier, habe freitags beim Kochen mitgemacht und es hat mir großen Spaß gemacht“, sagt der heute 17-jährige Schüler des „Kolléisch“ in der Stadt. „Für mich ist das Jugendhaus wie eine Familie, die mir Sicherheit gibt.“ Mittlerweile haben sich viele seiner gleichaltrigen Freunde ausgeklinkt, er ist geblieben. Wie sehr er die Atmosphäre schätzt, zeigt die Antwort auf die Frage, was er macht, wenn das Jugendhaus in Ehlingen demnächst schließen müsste.

„PsyUp“ ist als Service noch jung und beliebt

„Dann würde ich ins Steinforter Jugendhaus gehen“, sagt Sam ohne zu zögern. Für Fabrizio*, der lieber unerkannt bleiben will, hat das Jugendhaus an seinem Wohnort eine ähnliche Bedeutung. Mit dem Service PsyUp jedoch konnte er familiäre Probleme lösen und Wege finden, damit umzugehen. Details möchte er nicht preisgeben, aber es hat geholfen und ihm sogar eine berufliche Perspektive eröffnet.

Mittlerweile macht er beim Roten Kreuz eine Ausbildung zum „Copilot“, einem ehrenamtlichen Jugendhelfer in den Jugendhäusern. Wie Sam will er außerdem im sozialen Bereich bleiben. Erzieher ist sein Berufswunsch. Noch ist der Erfolg des Dienstes schwer in Zahlen zu fassen. Er existiert einfach zu kurz. Die Rückmeldungen signalisieren aber Erstaunliches.

Vor allem beim Personal der Jugendhäuser, aber auch bei den Jugendlichen wird „PsyUp“ als hilfreiches Zusatzangebot empfunden. Das sagt Abteilungsleiter Deepen, der das Konzept dafür erarbeitet hat. Er ist erfahren genug, um gleichzeitig die Grenzen zu sehen. „Die zwei Psychologinnen sind ein Anfang, der aber noch vertieft werden müsste“, sagt er. Das wird das Rote Kreuz tun.

Der als Pilotprojekt mithilfe der „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“ installierte Service läuft normalerweise Ende des Jahres aus. Es soll aber weitergehen. Notfalls finanziert die Hilfsorganisation es zunächst aus eigener Tasche weiter. „Der Service PsyUp ist momentan nicht mehr aus den Jugendhäusern wegzudenken“, stellt Marco Deepen fesst. Das sagt viel – nicht nur über die Rolle und Bedeutung des Dienstes.

*Name von der Redaktion geändert