17. November 2025 - 6.34 Uhr
InterviewPremierminister Luc Frieden dementiert Gespräche zu möglicher Regierungsumbildung
Tageblatt: Premierminister Frieden, beginnen wir mit einem Zitat. „Wir haben die Stimmung im Land gedreht“, haben Sie uns vor einem Jahr im Interview gesagt. Wir würden nach Ihrem „Etat de la Nation“, der großen Gewerkschaftsdemonstration und der anschließenden Sozialrunde noch einmal nachfragen: Ist es das, was Sie damit gemeint haben?
Luc Frieden: Wir sind mit einer neuen Politik angetreten, um die Kaufkraft zu stärken und eine gezielte Sozialpolitik zu machen und die grüne Transition zu bewältigen. Auf all den Punkten hat die CSV-DP-Koalition substanzielle Fortschritte gemacht. In dem Sinn ist die Politik, die wir uns vorgenommen haben, zu machen, in die Richtung gegangen, für die wir gewählt worden sind.
Die Gewerkschaftsdemonstration und die Sozialrunden waren doch nicht nur politische Nebenschauplätze. Da ist ja einiges schiefgelaufen. Ganz viele Vereinigungen – Gewerkschaften, COSL, ACEL und in der rezenten Vergangenheit auch die AMMD – haben gesagt, dass es keinen Dialog mit der Regierung gibt. Sie sagen hingegen immer wieder, dass die Regierung für den Sozialdialog ist. Das passt doch nicht ganz zueinander?
Ich bin froh, dass es in unserer lebendigen Demokratie verschiedene Meinungen gibt, die sich auch entsprechend artikulieren können. Die Gewerkschaftsdemo hat ja nur einige Politikfelder betroffen. In anderen Bereichen hatten wir einen breiten Konsens in der Gesellschaft.
Es ist jedoch unverkennbar, dass es aus vielen Gesellschaftsbereichen Gegenwind gibt. Wie gehen Sie damit um?
In einer Demokratie ist es normal, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. In der Chamber haben wir eine Mehrheit von 35 Sitzen, was eben auch bedeutet, dass viele Menschen anderer Meinung sind als wir. Für unsere Regierung ist es wichtig, voranzukommen. Wir haben die Kaufkraft gestärkt und bereits vor dem Armutsplan Maßnahmen ergriffen, den Menschen mit geringem Einkommen substanziell zu helfen. Wir sind strukturelle Reformen angegangen: im Logement, bei erneuerbaren Energien und bei den Renten.
Ich weiß nicht, mit wem Sie reden. Mir sagen auf jeden Fall viele Menschen, dass wir bereits viel in den ersten zwei Jahren umgesetzt haben.
Wir müssen dann eine Frage aus dem Interview des vergangenen Jahres erneut aufgreifen: Ist es noch immer ein Problem der Kommunikation, dass die von Ihnen aufgezählten Fortschritte in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden?
Ich weiß nicht, mit wem Sie reden. Mir sagen auf jeden Fall viele Menschen, dass wir bereits viel in den ersten zwei Jahren umgesetzt haben. Natürlich bleibt viel zu tun. Aber wenn wir Bilanz ziehen, stelle ich fest, dass es eine andere Politik ist als die der Vorgängerregierung und die CSV und DP „komplett alignéiert“ sind, was die politische Zielsetzung anbelangt.
Der Armutsplan liegt noch immer nicht vor, bei der Rentenreform haben Sie sich ambitioniertere Ziele gesetzt, als jetzt umgesetzt werden, und bei den Klimazielen haben Sie sich auch nicht andere Ziele gesetzt als die Vorgängerregierung. Wir können Ihre Interpretation der Situation deswegen vielleicht nicht ganz nachvollziehen.
Ich fange bei der Armutsbekämpfung an. Wir zahlen mittlerweile Sozialhilfen aus, ohne dass sie angefragt werden. Wir haben die Energieprämie verdreifacht. Wir haben die Teuerungszulage um 10 Prozent erhöht. Und wir wollen am ersten Januar Hilfen für ältere Menschen mit kleinem Einkommen auszahlen, um die Altersarmut zu bekämpfen. Bei der Rentenreform haben wir weniger erreicht, als wir uns vorgenommen hatten, weil wir, wie Sie gesagt haben, Gegenwind bekommen haben. Wir sind eine Regierung, die zuhört, wir haben mit den Sozialpartnern geredet. Ich kann jedoch nur feststellen, dass in den dreizehn Jahren vorher keine Rentenreform gemacht wurde. Diese Regierung hat sich einiges vorgenommen und setzt dies auch um.
Es fallen immer wieder zwei Namen, Martine Deprez und Georges Mischo, die demnächst nicht mehr Teil dieser Regierung sein könnten. Sie haben beim Radio 100,7 gesagt, dass Sie kein Fan von einer Regierungsumbildung seien. Warum hat es diese Gespräche dann gegeben?
Es wurden keine Gespräche zu einer möglichen Regierungsumbildung geführt. Ich plane auch keine Ministerwechsel.
Nur um das klarzustellen: Sie sagen, es hat diese Gespräche mit der DP nicht gegeben?
Nein.
Sie haben von Beginn an politisches Leadership großgeschrieben. Welche Verantwortung sehen Sie denn bei Ihnen selbst für die vergangenen politisch turbulenten Monate?
Die Aufgabe eines Premierministers ist die eines Schiffskapitäns, der zusammen im Team das Koalitionsprogramm umsetzt. Wir werden weiterhin intensiv diskutieren und unsere Politik durch „Elementer vu baussen“ bereichern. Bei verschiedenen Fragen, vor allem auch im Sozialdialog, liegt das Problem nicht unbedingt zwischen einem Sozialpartner und der Regierung, sondern im Umstand, dass es sehr unterschiedliche Meinungen zwischen den Sozialpartnern gibt. Leadership ist dann, im Sinne von Arbeitsplätzen, einer guten Wirtschafts- und Sozialpolitik, einen Kompromiss vorzulegen, der vielem Rechnung trägt.
Sie betonen auch immer wieder, dass politische Stabilität sehr wichtig sei. Nun hat es in den vergangenen Monaten Momente gegeben, in denen die vermeintlich stabile Mehrheit in der Chamber gewackelt hat. Was haben Sie für Lehren aus dieser Situation gezogen, wie Politik in einem Land gemacht werden muss, in dem der Sozialdialog großgeschrieben wird?
Ich stelle fest, dass CSV und DP auf all den Punkten „total alignéiert“ sind. Ich glaube nicht, dass es dahingehend Klärungsbedarf gibt. In dem Prozess ist es wichtig, in einem regen Austausch mit den Abgeordneten zu stehen. Dafür gehen wir auch jede Woche in die Fraktionssitzungen unserer Parteien, um eben diesen Austausch zu pflegen.
Regelmäßiger Austausch – schön und gut. Dass Ihr Fraktionsvorsitzender öffentlich sagt, dass sich für Regierungspläne keine Mehrheit in der Chamber finden wird, ist doch eher außergewöhnlich.
Ich bin seit vielen Jahren in der Politik. Es ist normal, dass eine Fraktion ihre Elemente in die Gesetzgebungsprozedur einbringt. Ich finde es nicht außergewöhnlich.
Sie sind CSV-Präsident und Premierminister. Das hat es in der Form noch nie gegeben. Sie haben es damit begründet, dass Sie die Partei geschlossen halten wollen. Wenn wir mit den Leuten aus Ihrer Partei reden, erweckt es jedoch eher den Eindruck, als sei die Partei so gespalten wie seit der Zeit von Frank Engel nicht mehr? Wollen Sie noch einmal als Präsident antreten?
Die CSV ist eine Volkspartei, die ein breites Meinungsspektrum abbildet. Ich bin froh, Präsident dieser Volkspartei zu sein, die ich als Spitzenkandidat nach zehn Jahren in der Opposition wieder in die Regierung geführt habe. Ich spüre einen breiten Rückhalt in der Partei.

Sie werden noch einmal kandidieren?
Stand jetzt werde ich noch einmal antreten. Das werde ich jedoch noch einmal mit meinen Parteifreunden besprechen.
Es hat noch niemand anderes Interesse an dem Posten gezeigt?
Bei mir hat sich noch niemand gemeldet.
Als Parteipräsident wüssten Sie ja Bescheid, wenn jemand anderes sich melden sollte.
Genau. Die Prozedur hat jedoch noch nicht offiziell begonnen.
Diese Entscheidungen, das wissen wir alle, werden ja meist außerhalb der offiziellen Prozeduren bereits besprochen und teilweise auch abgemacht …
Ich spüre große Unterstützung in der Partei. Es geht schließlich darum, das Koalitionsabkommen umzusetzen, um Luxemburg für die Zukunft zu stärken. Wir brauchen dafür Arbeitsplätze, wir brauchen Wirtschaftswachstum. 2022 und 2023 hatte Luxemburg eine wirtschaftliche Rezession, voire Stagnation. Mittlerweile haben wir wieder ein bisschen Wirtschaftswachstum.
Ein minimales Wirtschaftswachstum dieses Jahr, Prognosen zufolge dürfte die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr noch einmal ansteigen. Das versprochene Wirtschaftswachstum ist zwei Jahre nach Regierungsantritt noch immer nicht eingetreten. Das war doch Ihr Versprechen: Wachstum schafft Arbeitsplätze, woraus wiederum ein starker Sozialstaat finanziert werden kann.
Ich habe eben gesagt, dass wir 2022 ein negatives Wirtschaftswachstum hatten …
… davor jedoch ein Wachstum von drei bis vier Prozent.
2023 waren wir bei null Prozent. Wir sind Ende 2023 angetreten und verzeichnen jetzt, 2025, wieder Wachstum. Es ist für mich ein Argument, dass wir alles tun müssen, dieses Wachstum zu ermöglichen. Den Kurs der administrativen Vereinfachung und der Steuererleichterungen möchten wir fortsetzen. Deswegen senken wir weiter die Unternehmensbesteuerung und bringen eine familienfreundliche Steuerreform auf den Weg. Wenn die Menschen mehr Netto haben, fördert das den Konsum und die Innovation. Das schafft Wachstum.
Bisher geht der Plan A jedoch nicht auf, wenn man sich die Zahlen anschaut. Und ob im kommenden Jahr Wachstum geschaffen wird, ist derzeit unklar. Laut Prognosen werden wir die Wachstumszahlen von drei bis vier Prozent nicht erreichen.
Europa hat insgesamt ein weniger starkes Wachstum als China und die USA. Deswegen muss Europa Rahmenbedingungen ermöglichen, in denen Wachstum erfolgen kann.
2022 und 2023 waren die Zeiten wegen des Ukrainekriegs, der hohen Energiepreise nirgendwo rosig, die Inflation war überall hoch, die Wirtschaft lag am Boden. Inzwischen erholt sich die Wirtschaft insgesamt wieder. Inwiefern ist Luxemburg abhängig vom Rest der Welt, von der globalen wirtschaftlichen Entwicklung?
Selbstverständlich sind wir abhängig, in erster Linie von unseren Nachbarn, da viele unserer Betriebe Zulieferer für ausländische Unternehmen sind – insbesondere für deutsche. Wenn Deutschland Strukturreformen umsetzt, profitiert davon auch Luxemburg. Deshalb setzen der deutsche Kanzler (Friedrich Merz von der CDU; Anm. d. Red.) und ich uns auf europäischer Ebene für administrative Vereinfachung ein. In den letzten Tagen wurden mit dem Lieferkettengesetz erste große Schritte gemacht. Die EU-Kommission hat es vorgeschlagen auf Druck mehrerer Mitgliedstaaten, darunter Luxemburg. Der Rat und das Parlament scheinen diesem Vorschlag nun zu folgen.
Es wird kritisiert, dass das Lieferkettengesetz im EU-Parlament mit der Unterstützung von Rechtsextremen angenommen wurde. Wie sehen Sie das?
Ich hätte mich gefreut, wenn die Sozialdemokraten im Europaparlament das Gesetz auch mitgestimmt hätten, denn es ist wichtig, dass wir die Betriebe von ihrer Verwaltungslast befreien, damit sie produzieren und innovieren können und nicht nur die ganze Zeit Büroarbeit erledigen müssen. Das habe ich auch in meinem „Etat de la Nation“ gesagt, das setzen wir um, auch in Europa. Im Europaparlament geht es uns darum, dafür eine Mehrheit zu haben. Es ist nicht meine Aufgabe, das Abstimmungsverhalten einzelner EU-Abgeordneter zu kommentieren. Die acht sogenannten Omnibus-Gesetze der EU-Kommission werden voll und ganz von der luxemburgischen Regierung unterstützt – das gilt insbesondere für die Bereiche Raumfahrt und Digitalisierung. Einfachere Regeln in Europa schaffen wieder mehr Wachstum und Arbeitsplätze – auch in Luxemburg.
Wir würden lieber auf diese Ausgaben verzichten, doch wenn wir ein sicheres Europa wollen, ist es für uns evident, dass wir unseren Beitrag als NATO- und EU-Partner leisten müssen
Seit dem Antritt der CSV-DP-Regierung hat der internationale Kontext sich verändert. Luxemburg muss seine Verteidigungsausgaben erhöhen, was vor zwei Jahren noch nicht vorhersehbar war. Die Regierung hat die sogenannten „Defence Bonds“ eingeführt. Sehen Sie für solche Staatsanleihen einen noch größeren Bedarf, denn viele fragen sich, wie diese Verteidigungsausgaben gestemmt werden können?
Diese Regierung möchte, dass die Menschen in Wohlstand, Frieden und Sicherheit leben. Sicherheit kostet leider Geld, wegen der aggressiven Attitüde Russlands. Wir würden lieber auf diese Ausgaben verzichten, doch wenn wir ein sicheres Europa wollen, ist es für uns evident, dass wir unseren Beitrag als NATO- und EU-Partner leisten müssen. Das werden wir zum Teil über zusätzliche Schulden tun, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Luxemburg ist ein verlässlicher Partner und wenn alle ihren NATO-Beitrag auf zwei Prozent erhöhen, muss Luxemburg das selbstverständlich auch tun. Wir können nicht nur von den anderen profitieren.

CDU und CSU in Deutschland standen lange Zeit für die „schwarze Null“, dort werden jetzt Wehr-Schulden aufgenommen, in Luxemburg unter der CSV ebenfalls. Vor zehn oder 20 Jahren hätte man das von konservativen Parteien vielleicht nicht erwartet. Sehen Sie in dieser Hinsicht einen „Turning Point“?
Ich weiß nicht, ob das eine Frage von konservativ ist oder nicht. Diese Regierung will die Staatsfinanzen stabil halten, als kleines Land ist es wichtig, das AAA-Rating zu behalten, das es uns erlaubt, Geld zu einem niedrigen „Zënsfouss“ zu leihen. Damit die Leute nicht befürchten müssen, dass die Steuern steigen. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass die Staatsschuld unter 30 Prozent des BIP bleiben wird. Wir sind jetzt bei 27 Prozent, unsere Politik ist darauf ausgerichtet, stark zu investieren, eine starke Sozialpolitik zu betreiben und die nicht vorgesehenen Verteidigungsausgaben zu tätigen.
Was im Gegenzug den Druck auf Ihren „Plan A“, mehr Wachstum zu erzeugen, wieder erhöht. Mehr Schulden heißt, mehr Wachstum erzeugen, um unter den 30 Prozent des BIP bleiben zu können.
Deshalb brauchen wir eine Wirtschaft, die funktioniert, die Arbeitsplätze schafft. Wir werden alles dafür tun, um im europäischen Kontext Wachstum halten zu können. Deshalb arbeiten wir an Strukturreformen. Dazu gehören auch die Prozedur-Reformen, die wir im Wohnungsbau und bei den erneuerbaren Energien durchführen. Wenn wir mehr bauen, hilft das den Leuten, eine Wohnung zu finden, und gleichzeitig den Betrieben, die diese Häuser bauen. Gleiches gilt für die erneuerbaren Energien, auch dort schaffen wir Wachstum und tun gleichzeitig etwas fürs Klima.
Sie sind erst vor wenigen Tagen aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrt, wo Sie im Bereich Künstliche Intelligenz tätige Tech-Unternehmen besucht haben. Anfang des Jahres wurde Luxemburg von der Lieferung von KI-Chips aus den USA ausgeschlossen. Konnten Sie in dieser Hinsicht Fortschritte erzielen?
Wir waren unter anderem bei Nvidia, die uns gesagt haben, dass sie KI-Chips nach Luxemburg liefern würden. Das ist sehr wichtig für den Staat und alle Unternehmen, die im KI-Bereich tätig sind. Die aktuelle US-Regierung will diese Einschränkungen, die noch von der Vorgängerregierung in die Wege geleitet wurden, nicht anwenden. Sodass das Problem sowohl politisch als auch praktisch gelöst ist und wir unsere KI-Strategie weiterentwickeln können.
Gesundheitspolitisch steht die Regierung sehr unter Druck. Einerseits durch die Gewerkschaften OGBL und LCGB, die die rezenten Entwicklungen in einem Brief an Sie anprangern, andererseits durch die AMMD, die die Konvention mit der CNS gekündigt hat und nun eine selektive Konventionierung sowie Tarifautonomie fordert. Vielleicht ist diese Forderung der AMMD berechtigt, denn CSV und DP hatten im Wahlkampf mehr „Freiheit für die Privatmedizin“ versprochen. In den Koalitionsvertrag haben Sie dann aber geschrieben, an der konventionierten Medizin festhalten zu wollen. Können Sie nachvollziehen, dass ein Teil der Ärzte sich verschaukelt fühlt?
Wir wollen eine Gesundheitspolitik, die dem Patienten einen schnelleren Zugang zu medizinischen Diensten in der Nähe seines Wohnorts bietet. Das ist unser Programm, das setzen wir um. Ich möchte deutlich sagen, dass weder CSV noch DP sich für eine Dekonventionierung ausgesprochen haben. Die Konventionierung wird auch in Zukunft beibehalten und jeder Patient bezahlt beim Arzt den gleichen Tarif und wird in gleicher Höhe von der CNS rückerstattet. Weiter als die Vorgängerregierung will diese Regierung in der Hinsicht gehen, dass wir der liberalen Medizin erlauben wollen, außerhalb der Krankenhäuser eine Reihe von Dienstleistungen anzubieten, die bislang den Krankenhäusern vorbehalten sind, ohne dass Spitäler daran beteiligt sind. Das wird die Ministerin für Soziales und Gesundheit (Martine Deprez/CSV; Anm. d. Red.) in den nächsten Monaten auf den Weg bringen. Andererseits wollen wir den Ärzten erlauben, Gesellschaften zu gründen, in denen sich mehrere Ärzte zusammenschließen und Beschäftigte einstellen dürfen.
Arztgesellschaften waren auch schon von der Vorgängerregierung geplant …
Sie hat sie aber nicht umgesetzt.
Paulette Lenert hatte 2022 einen Gesetzentwurf hinterlegt, den Sie kurz nach Ihrem Amtsantritt zurückgezogen haben. Einen neuen hat Martine Deprez bislang nicht vorgelegt. Im CSV-DP-Koalitionsabkommen steht, dass in diesen Gesellschaften nur Ärzte Teilhaber sein dürfen, nicht aber Investoren oder Hedgefonds. Kürzlich wurde das umstrittene Projekt „Findel-Clinic“ bekannt, in dem Ärzte sich mit Immobilien- und Finanzinvestoren zusammengeschlossen haben. Einer von ihnen ist aktives Mitglied der DP, ein anderer kandidierte 2023 bei den Kommunalwahlen für die CSV. Finden Sie das nicht seltsam?
Die Regierung will die Arztgesellschaften nach demselben Prinzip ermöglichen wie die Anwaltsgesellschaften, die vor ein paar Jahren eingeführt wurden. Sie sollen ausschließlich Ärzten vorbehalten sein.
Dass Mitglieder von CSV und DP nun vorpreschen und eine Gesellschaft mit Ärzten und Investoren gründen, stört Sie nicht?
Die Regierung hat mit dem Projekt, von dem ich in der Zeitung gelesen habe, nichts zu tun. Das ist eine Privatinitiative, die ich nicht zu kommentieren habe. Ich kenne sie nur aus der Zeitung.
Wenn die Regierung sagt, sie lässt Arztgesellschaften zu und hält gleichzeitig an der automatischen und obligatorischen Konventionierung fest, könnte das nicht einerseits zu einer Kostenexplosion bei der Krankenkasse führen und andererseits zu einer Schwächung der Krankenhäuser, weil Ärzte, die ihre eigene Gesellschaft haben, dann vielleicht keinen Bereitschaftsdienst in Spitälern mehr leisten wollen?
Um der wachsenden Bevölkerung gute medizinische Leistungen anbieten zu können, müssen wir neue Wege beschreiten. Wir wollen eine Antwort finden auf die langen Wartezeiten für eine Mammographie, eine IRM-Untersuchung und andere Leistungen. Die Krankenhäuser werden immer eine wichtige Rolle behalten, weil sie Dienstleistungen anbieten, die nur in Krankenhäusern möglich sind. Doch gleichzeitig gibt es Behandlungen, die nicht unbedingt in Spitälern durchgeführt werden müssen. Je mehr wir über das Land verteilt anbieten können, desto höher wird die Lebensqualität der Patienten – was insbesondere für den ländlichen Raum wichtig ist. Das ist unser Ziel.

Arztgesellschaften kann man nicht dazu zwingen, sich „über das Land zu verteilen“, es sei denn, die Regierung würde regulierend in den Markt eingreifen. Doch wäre man dann nicht wieder im Bereich der „Planwirtschaft“, die insbesondere die CSV der vorigen Regierung in der Gesundheitspolitik vorgeworfen hat.
Ein liberaler Beruf sucht sich aus, wo er seine Tätigkeit am besten aufbieten zu können gedenkt. Dort, wo Menschen wohnen, wo Nachfrage besteht. Es geht nicht darum, das zentral zu steuern – ganz im Gegenteil. Die Krankenhäuser sind zentral gesteuert, weil es nur ein paar davon gibt, ihre Verteilung muss regional ausgewogen sein. Ansonsten müssen die Ärzte ihre Dienste innerhalb eines bestimmten Rahmens so ausbreiten können, wie sie es für richtig halten. So ist das in liberalen Berufen und diese Regierung unterstützt sie, indem sie das Statut des Freiberuflers stärkt.
Liberale Berufe lassen sich dort nieder, wo viele Menschen wohnen, wo die Nachfrage am höchsten ist: im Süden und im Zentrum, nicht im ländlichen Raum.
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De Maart
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