Montag3. November 2025

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AustralienPremier Albanese in Vermittlerrolle zwischen Washington und Peking

Australien / Premier Albanese in Vermittlerrolle zwischen Washington und Peking
Premierminister Anthony Albanese vergangene Woche im Rosengarten des Weißen Hauses: Der Australier reist nun zu einem wichtigen Treffen nach China Foto: Saul Loeb/AFP

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Gerade eben war Australiens Regierungschef Anthony Albanese noch zu Gast in Washington, nun wird er am Wochenende in Peking erwartet. Die zeitlich abgestimmten Besuche katapultieren Canberra gewollt oder ungewollt in eine brisante Vermittlerrolle.

Vor einer Woche saß Australiens Premierminister Anthony Albanese noch am Tisch mit US-Präsident Joe Biden, der Australien – Zufall oder nicht – als „Anker für Frieden und Wohlstand“ bezeichnete. Zum Wochenende reist der australische Regierungschef nun nach Peking, um dort Chinas Präsident Xi Jinping zu treffen – ein denkwürdiges Treffen, nicht nur wegen der derzeitigen geopolitischen Lage, sondern auch, weil es der erste Besuch eines australischen Premierministers in Peking seit sieben Jahren ist. Nach einer mehrjährigen diplomatischen Eiszeit und harschen Handelsbarrieren, die China gegen Australien erhoben hat, kommen sich die Länder nun wieder näher.

Egal was Albanese besprechen wird – die aktuellen Kriegsherde, Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, den Abbau von Handelsbarrieren oder das angeschlagene Verhältnis zwischen Peking und Washington –, eines ist schon jetzt klar: Jedes Wort zählt. Denn in der Indopazifik-Region ist die Angst groß, dass die Kriege in Israel und der Ukraine eine „strategische Ablenkung“ darstellen könnten, wie einer der stellvertretenden Kommandeure der US-Streitkräfte im Indopazifik vor Kurzem warnte. Im Klartext: Es wächst die Sorge, dass China seine Ansprüche auf Taiwan schon früher geltend machen könnte, nachdem der Rest der Welt auf andere Regionen fixiert ist.

Aggressives Auftreten im Südchinesischen Meer

Völlig aus der Luft gegriffen ist diese Sorge nicht: Die Volksrepublik rüstet seit Jahren enorm auf: Laut dem Bericht „China Military Power“ des Pentagons vom November 2022 ist die chinesische Marine inzwischen die größte der Welt und verfügt über rund 340 Kriegsschiffe und U-Boote, von denen zwölf U-Boote mit Atomantrieb sind. Die Flotte soll in den nächsten zwei Jahren auf 400 Schiffe anwachsen. Experten gehen davon aus, dass sie bis 2030 aus 450 Schiffen und 110 U-Booten bestehen wird. Außerdem plant die Volksrepublik anscheinend, ihr Arsenal an Atomsprengköpfen bis 2030 auf über 1.000 zu verdoppeln. Gleichzeitig tritt China im Südchinesischen Meer zunehmend aggressiv auf und fängt Flugzeuge und Schiffe ab.

Albanese ist sich deswegen durchaus bewusst, dass sein Besuch in Peking zu keiner brisanteren Zeit kommen könnte. Er selbst sieht sein Land als „Mittelmacht“ und damit auch als einer der Vermittler, die dazu beitragen können, den Frieden im Indopazifik zu bewahren. Canberra ist es in den vergangenen Monaten gelungen, wieder engeren Kontakt mit Peking zu pflegen, obwohl Australien militärisch und sicherheitspolitisch extrem eng mit den USA verwoben ist.

Fünf Augen, die zusammenarbeiten

Letzteres ist auch China bewusst: Schließlich ist die militärische Verbundenheit zwischen den USA und Australien nicht neu. Die Länder sichern sich im sogenannten Anzus-Abkommen seit 1951 – ähnlich wie die NATO-Staaten im Nordatlantikvertrag – gegenseitige militärische Unterstützung zu. Außerdem ist Australien Teil der sogenannten „Five Eyes“-Partnerschaft, in der die Geheimdienste von Australien, Neuseeland, Kanada, Großbritannien und den USA zusammenarbeiten. Im Zentrum Australiens befindet sich beispielsweise ein von Australien und den USA gemeinsam betriebenes Spionagezentrum namens Pine Gap.

Außerdem sind stets mehrere Tausend US-Marines in Darwin stationiert. 2021 hat Australien zudem das Aukus-Sicherheitsabkommen mit Großbritannien und den USA geschlossen. So wird Australien erstmals in den illustren Kreis der Nationen aufgenommen, die Atom-U-Boote erhalten. Seitdem rüstet Australien auch kräftig auf: Canberra investiert in Tomahawk-Raketen und Himars-Raketenwerfer und auch bei der Entwicklung von Hyperschallraketen will die Regierung voranpreschen. Selbst eine eigene Raketenproduktion soll im Land aufgebaut werden.

Abschreckung gepaart mit Diplomatie

Die USA haben zudem ihre militärische Präsenz in Australien seit dem Aukus-Deal nochmals intensiviert. So wurde im vergangenen Oktober bekannt, dass atomwaffenfähige B-52-Bomber im Norden des Landes stationiert werden sollen. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Tindal, südlich von Darwin gelegen, sollen spezielle Einrichtungen für die großen Flugzeuge entstehen, die eine Reichweite von rund 14.000 Kilometern haben. Und Ende Juli wurde erstmals ein US-amerikanisches Kriegsschiff im Hafen von Sydney in den aktiven Dienst gestellt.

Hervé Lemahieu, Forschungsdirektor beim australischen Thinktank Lowy Institute, bezeichnete dies damals als „Teil einer verstärkten Abschreckungsagenda“. Die amerikanisch-australische Agenda habe einen einzigen Zweck, nämlich China davon abzuhalten, „den Status quo in der Region gewaltsam zu verändern“. Diese Abschreckung auf der einen Seite geht jedoch auch mit Diplomatie auf der anderen Seite einher. Denn gleichzeitig zu diesen Drohgebärden pflegt Australien seit Längerem wieder enge Beziehungen zu China. Nicht umsonst ist das Land seit Jahren der größte Handelspartner Australiens. Zudem leben 1,4 Millionen Menschen chinesischer Abstammung in Australien, das insgesamt rund 26 Millionen Einwohner hat.

Quid pro quo?

Über Jahre hinweg waren die Beziehungen zwar sehr angespannt gewesen, doch seit dem Regierungswechsel in Canberra vor über einem Jahr taut das Verhältnis der Länder wieder auf. Mehrere Handelsbarrieren, die China gegen Australien erlassen hatte, wurden bereits aufgehoben – beispielsweise der Strafzoll gegen australische Gerste. Auch die australische Journalistin Cheng Lei, die in China inhaftiert war, ist seit Oktober wieder frei und durfte nach Australien zurückkehren. Wenig später hat Canberra dann den Pachtvertrag, den das chinesische Unternehmen Landbridge für den strategisch wichtigen australischen Hafen von Darwin hält, trotz Überprüfung nicht gekündigt. Auffällig ist auch, dass beispielsweise Australiens Anti-Dumping-Maßnahmen gegen chinesische Windtürme Mitte April 2024 auslaufen sollen, wenige Wochen nachdem China seine Weinzölle aufheben soll.

Offiziell wird über dieses mögliche Quid pro quo nicht gesprochen. Ganz offen hat Albanese dagegen angesprochen, dass er helfen will, das angeschlagene Verhältnis zwischen Washington und Peking wieder in ruhigeres Fahrwasser zu steuern. „China hat deutlich gemacht: Es sieht sich nicht als Status-quo-Macht“, sagte Albanese letzte Woche vor einem Publikum im US-Außenministerium, zu dem auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris und US-Außenminister Antony Blinken gehörten. China strebe eine Region und eine Welt an, die seinen Werten und Interessen viel mehr entgegenkämen. Sein Ansatz dafür sei bisher gewesen, „geduldig, kalibriert und überlegt“ vorzugehen, erklärte der australische Politiker. Mit dieser Strategie will er nun nach Peking reisen und helfen, in die Beziehung zwischen China und den USA „Leitplanken einzubauen“.