LuxemburgOffizielle Zahlen sagen nicht alles: Warum zwei Gemeinden keine Flüchtlingseinrichtungen haben

Luxemburg / Offizielle Zahlen sagen nicht alles: Warum zwei Gemeinden keine Flüchtlingseinrichtungen haben
Laut einer Liste des „Office national de l’accueil“ gibt es zurzeit nur in 33 Gemeinden Einrichtungen für Flüchtlinge Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Kürzlich kritisierte Außenminister Jean Asselborn das mangelnde Engagement der Gemeinden, Flüchtlingseinrichtungen bei sich schaffen zu wollen. Das Tageblatt fragte in zwei Gemeinden nach, warum sie über keine Strukturen verfügen.

Erst vor wenigen Tagen hatte Außenminister Jean Asselborn in einem RTL-Interview die mangelnde Bereitschaft der Gemeinden kritisiert, Flüchtlingseinrichtungen zu schaffen. „Wir können noch mehr machen.“ Zehn Ar pro Gemeinde forderte er, wo der Staat auf seine Kosten Strukturen für je 35 Personen errichten würde. Doch nicht genügend Gemeinden hätten diesen Vorschlag angenommen; zwei Drittel seien noch nicht auf diesen Weg mitgegangen.

Auf Anfrage hin schickte uns das Außenministerium die Liste mit den Gemeinden, in denen eine vom „Office national de l’accueil“ (ONA) verwaltete Flüchtlingseinrichtung besteht. Aus dieser Liste geht hervor, dass es in der Tat nur in 33 Gemeinden solche Strukturen gibt. Dass die Aussage, nur ein Drittel der Gemeinden „sei mit auf den Weg gegangen“, trotzdem zu pauschal ist, zeigen zwei Beispiele.

Das Tageblatt fragte in zwei solchen Gemeinden nach: Strassen und Petingen. Der Bürgermeister von Petingen, Jean-Marie Halsdorf, bestätigt zwar einerseits, dass es in der Gemeinde noch keine Flüchtlingseinrichtung gebe, allerdings sei man einer solchen nicht abgeneigt. Es gebe auch einen Vorentwurf für eine Struktur – am 20. September 2021 sei hierfür im Gemeinderat eine Umklassierung eines Grundstücks vorgenommen worden.

Im Gemeindebericht von der besagten Sitzung kann man in der Tat nachlesen: „Ganz hannen op der Grenz gëtt dat gemaach op Ufro vum Staat. Si froe fir deen Terrain, deen hinne gehéiert an dee fir de Moment ‚zone mixte urbaine‘ klasséiert ass, an eng ‚zone de bâtiments et d’équipements publics‘ ëmzeklasséieren, well se wëllen an nächster Zukunft eng ‚structure d’hébergement pour demandeurs de protection internationale‘ do installéieren.“

Der Ball liege jetzt bei den „Bâtiments publics“, sagt Halsdorf. „Doch die haben sich seither nicht mehr gemeldet.“ Um jetzt über andere etwaige mögliche Projekte zu reden, sei es zu früh, erstens müsse der neue Schöffenrat mal schauen, dass er die Prioritäten des gerade vereinbarten Koalitionsabkommens umsetze, zweitens sei die Problematik bis dato noch nie so akut gewesen. „Aber es ist ganz klar, Petingen versperrt sich nicht einer Lösung und früher oder später müssen auch wir etwas unternehmen.“

Einzelne Flüchtlinge

Der Bürgermeister von Strassen, Nico Pundel, zeigt sich seinerseits etwas erstaunt: „Es wundert mich, dass wir nicht in der Liste des Außenministeriums aufgeführt sind.“ In der Arloner Straße gebe es eine Struktur, die vom Roten Kreuz geführt werde, in der rund ein Dutzend (die Anzahl wechsele ständig) minderjährige Asylsuchende untergebracht sei.

Auch seien momentan vereinzelt in Familien ukrainische Flüchtlinge untergebracht. Davon abgesehen, stimme es, größere Einrichtungen gebe es momentan keine. Vor Jahren seien im ehemaligen Hotel Oliver, auch in der Arloner Straße, neben der Autobahnauffahrt, 80 Flüchtlinge untergebracht gewesen. „Als Gemeinde haben wir uns nie dagegen gestrebt, Flüchtlinge aufzunehmen, aber wir haben zum gegebenen Zeitpunkt nicht vor, größere Container aufstellen. Wir hatten das Angebot eines Privatmannes, ehemalige Büroräume für eine Flüchtlingseinrichtung zu nutzen. Die Instandsetzung wäre aber mit großem Aufwand verbunden gewesen, auch hätten wir den Bebauungsplan (PAG) ändern müssen.“

Einzelne Wohnungen, die die Gemeinde besitze, würden bevorzugt in Sozialwohnungen umgewandelt. In solchen seien auch jetzt schon einzelne Flüchtlinge untergebracht, die allerdings bereits das Flüchtlingsstatut besäßen.

„Wenn Sie größere Strukturen aufbauen, hat das immer eine Auswirkung in der Gemeinde. Sind Kinder dort untergebracht, müssen diese auch zur Schule gehen. Sind es vor allem junge Männer, sind das ja Leute ohne Arbeit, die sich eben manchmal in Gruppen vor den Gebäuden aufhalten, was die direkten Anwohner nicht immer wohlwollend sehen. Ohne dem ONA einen Vorwurf machen zu wollen, aber wenn man eine größere Struktur installiert, muss man auch schauen, was die Leute dort den ganzen Tag machen“, so Pundel.

In der Nachbargemeinde Bartringen gibt es seit 2015 in der Ortsmitte eine Unterkunft für 26 Asylsuchende, die vom Roten Kreuz verwaltet wird. Zu größeren Diskussionen in der Bevölkerung habe das nicht geführt, sagt Bürgermeisterin Monique Smit-Thijs. „Etwaige anfängliche Bedenken von Anwohnern waren sehr schnell vergessen, es gab sogar viele Angebote von Bewohnern, dort freiwillig mitzuhelfen.“ Die Initiative sei damals vom Staat ausgegangen, sagt sie. Das ONA habe ein geeignetes Grundstück dort ausgemacht und der Gemeinde vorgeschlagen, eine Aufnahmeeinrichtung dort einzurichten.

Das Außenministerium bestätigt, dass die Initiative von beiden Seiten ausgehen könne. Es gebe sowohl Fälle, in denen die Gemeinden dem ONA ein Gebäude oder ein Grundstück zur Verfügung stellen wollen, als auch solche, in denen das ONA die Gemeinden bezüglich eines Gebäudes oder Grundstücks, auf das es aufmerksam geworden sei, kontaktiere.

Gemeinden mit Aufnahmeeinrichtungen

Befort (78), Berdorf (281), Bartringen (26), Bettemburg (48), Biwer (94), Burscheid (36), Bous (6), Diekirch (334), Differdingen (110), Düdelingen (81), Esch/Alzette (237), Esch/Sauer (79), Ettelbrück (129), Frisingen (72), Helperknapp (71), Hesperingen (91), Junglinster (98), Käerjeng (58), Kopstal (37), Luxemburg (872), Mersch (75), Mertert (75), Monnerich (194), Redingen/Attert (35), Sanem (365), Schifflingen (31), Tandel (87), Vianden (17), Wahl (45), Waldbredimus (9).
In Klammern die Zahl der untergebrachten Flüchtlinge (Quelle: Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten)

Temporäre Unterkunftseinrichtungen

Einrichtungen für Flüchtlinge aus der Ukraine: Differdingen (150), Düdelingen (36), Echternach (110), Käerjeng (139), Luxemburg (745), Mamer (41), Monnerich (32), Niederanven (27).
In Klammern die Zahl der untergebrachten Flüchtlinge (Quelle: Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten)

Romain
15. November 2023 - 10.57

Wer den Flüchtlingen helfen will kann ja einige bei sich nach Hause holen