BewertungOECD über Stärken und Schwächen der Weiterbildung in Luxemburg

Bewertung / OECD über Stärken und Schwächen der Weiterbildung in Luxemburg
Das Thema Weiterbildung zieht viele Zuhörer an Foto: Editpress/Tania Feller

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Die Luxemburger Wirtschaft leidet unter Fachkräftemangel. Um das Problem anzugehen, war 2021 eine Studie zum Thema Weiterbildung bei der OECD in Auftrag gegeben worden. Am Donnerstag wurden die Resultate vorgestellt. Es gab Lob, aber auch Kritik an der Vorgehensweise des Großherzogtums.

Für jede Herausforderung, die es zu meistern gilt, werden eigene, spezifische Kompetenzen benötigt, so Bildungsminister Claude Meisch am Donnerstagmorgen im Rahmen der Vorstellung des 250 Seiten starken Berichts „National Skills Strategy in Luxembourg“. Zu der Veranstaltung erschienen sowohl Vertreter der Bildungsbranche als auch der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen.

„In Europa haben wir kaum Öl oder Erdgas“, unterstrich Carlo Scatoli von der EU-Kommission. Er war speziell für die Vorstellung nach Esch in die „Maison des arts et des étudiants“ auf dem Universitätscampus Belval gekommen. „Unser Reichtum sind unsere Kompetenzen.“ Damit unsere Sozialmodelle funktionieren können, sei es daher absolut wesentlich, dass Europas Unternehmen die benötigten Fachkompetenzen auch finden.

Die betreffende Studie wurde im Juni 2021 offiziell gestartet und von der in Paris beheimateten Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt. Mittels Analysen, Arbeitsgruppen und Gesprächen mit Luxemburger Experten wurde der Bereich der beruflichen Weiterbildung unter die Lupe genommen. 

Fachkräftemangel drückt Wachstum

Die Studie ist Teil des „Skillsdësch“, eine im Herbst 2020 gestartete Initiative, die die Ministerien für Bildung und Arbeit, die Adem, sowie Unternehmen und Gewerkschaften zusammenbringt. Ihr Ziel ist es, den Bedarf an beruflichen Qualifikationen zu analysieren, zu identifizieren, einen Aktionsplan zu erstellen und umzusetzen.

„Diese Studie wird in den kommenden Jahren als Basis fungieren, um die Strategie der Zukunft zu formulieren“, so Arbeitsminister Georges Engel am Donnerstag. „Eine neutrale Analyse, die Pisten für die Zukunft aufzeigt.“ „Diese Empfehlungen werden uns in den kommenden Jahren von großem Nutzen sein, wenn es darum geht, verbesserte Maßnahmen im Bereich des Weiterbildungsangebots zu erstellen“, so auch Claude Meisch.

Zu den Erwartungen für die Zukunft zählt, dass wohl „immer höhere Niveaus von Kompetenzen benötigt werden“, erläuterte Andrew Bell von der OECD, einer der Autoren der Studie. Gleichzeitig werde erwartet, dass die Nachfrage nach wenig qualifiziertem Personal abnehmen werde. Luxemburg folge da den gleichen Trends wie Europa, nur seien sie hierzulande noch ausgeprägter, so Bell. „Bereits heute zählt der Fachkräftemangel zu den fünf größten Risiken für das nationale Wirtschaftswachstum.“

Mängel bei Qualitätssicherung

Die vorgestellte Studie ist aufgeteilt in vier große Bereiche: das an den Arbeitsmarkt angepasste Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten; staatliche Maßnahmen zur Förderung der Weiterbildung; das Anziehen und das Halten von Talenten aus dem Ausland; die Verwaltung und die Nutzung der verfügbaren Daten.

Beim ersten Punkt, dem Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten, verteilt die OECD erst einmal Lob: So wird das betreffende Angebot hierzulande mehr genutzt als im EU-Durchschnitt, so Andrew Bell. Gleichzeitig hebt er jedoch auch hervor, dass der Bedarf in Luxemburg auch größer ist, und dass das Bildungsniveau im EU-Vergleich insgesamt relativ niedrig sei. Er empfiehlt dem Land, dass „mehr Menschen an den Weiterbildungen teilnehmen sollten“. Vor allem bei Personen mit einem geringeren Bildungsniveau sei typischerweise auch die Beteiligung an Weiterbildungen geringer, kritisiert er.

Da die letzte Weiterbildungsstrategie des Landes noch von 2012 stammt, sei es an der Zeit, sich eine neue zu geben. „Es gilt sicherzustellen, dass Möglichkeiten für jeden gelten sollen.“ Neben einer Zielsetzung und einer Finanzierungsstruktur sollte daneben auch das Monitoring nicht vergessen werden.

Im Bereich der Qualitätssicherung beim Angebot sieht er größere Mängel. Es gebe keine national festgeschriebenen Standards und nur sehr wenig Transparenz. Er rät dem Land, ein Qualitätssystem einzurichten, wie etwa eine Agentur, die Labels verteilt.

Auch bei den staatlichen Maßnahmen zur Förderung der Weiterbildung sieht die OECD klare Verbesserungsmöglichkeiten. Es sei wichtig, dass jeder daran teilnehmen könne, unterstreicht Laura Reznikova, auch eine der Autoren der Studie. Man erkenne aber sehr große Unterschiede pro Sektor. Zudem empfiehlt sie dem Staat, zusätzliche finanzielle Maßnahmen zur Förderung der Weiterbildung in kleinen Unternehmen anzubieten. „Hier gibt es typischerweise die größten Hürden.“

Auch in puncto Beratung erkennt die OECD Verbesserungsmöglichkeiten. So sei es zwar gut, dass es beispielsweise eine „Maison de l’orientation“ gebe – diese müsse aber regelmäßig an die Entwicklungen der Zeit angepasst werden, etwa durch neue Zahlen oder mittels Gesprächen mit Stakeholdern (wie z.B. neuen Wirtschaftsbranchen).

Die verfügbaren Daten zur Analyse der Bedürfnisse der Unternehmen bezeichnet die OECD dagegen eher als mangelhaft. Viele der von den Unternehmen gelieferten Angaben zu Berufsbezeichnungen seien falsch. Das System sollte staatlicherseits vereinfacht und besser erklärt werden.

Arbeitsminister Georges Engel neben Andrew Bell und Laura Reznikova von der OECD (v.l.n.r.) 
Arbeitsminister Georges Engel neben Andrew Bell und Laura Reznikova von der OECD (v.l.n.r.)  Foto: Editpress/Tania Feller

Besonders wichtig für Luxemburg sei noch der Impakt der Migration, heben die Autoren weiter hervor. In wichtigen Sektoren wie etwa der Finanzindustrie stammen 82 Prozent der Mitarbeiter nicht aus Luxemburg, so Bell. Was nun die Attraktivität des Landes angeht, so schneide Luxemburg zwar besser ab als der EU-Durchschnitt – jedoch schlechter als die Schweiz oder Schweden, so Reznikova. Und auch beim „Halten“ von Talenten aus dem Ausland gebe es noch Raum zur Verbesserung: „Nur 44 Prozent der Talente aus EU-Ländern, die 2015 in Luxemburg gearbeitet haben, waren 2020 noch da“, hebt sie hervor. Das Land könne mehr für die Integration tun, beispielsweise indem mehr Werbung und längere Finanzierungen für Luxemburgisch-Kurse angeboten würden.

Das Fördern von Kompetenzen und Talenten, die Weiterbildung für Erwachsene, seien kein Selbstzweck, hebt auch Andrew Bell hervor. Mit der Covid-Krise, wie auch mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine, habe sich das Wirtschaftswachstum in Europa und in Luxemburg verlangsamt. Wie es in Zukunft weitergehe, sei nun von unseren Reaktionen abhängig. „Wie sich die Produktivität entwickelt, wird von unserem Nutzen der Kompetenzen abhängen.“ Herausforderungen gebe es viele: vom Klimawandel über die Digitalisierung bis hin zur demografischen Entwicklung.

Mit dieser Studie sei die Phase der Analyse nun abgeschlossen, so Carlo Scatoli von der EU-Kommission. „Nun gilt es, zu handeln.“

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