Bewertung durch die OECDLuxemburgs Wirtschaftswachstum soll widerstandsfähiger werden

Bewertung durch die OECD / Luxemburgs Wirtschaftswachstum soll widerstandsfähiger werden
Alle paar Jahre erteilt die OECD den Mitgliedstaaten Ratschläge für eine effizientere Politik Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Bei der Vorstellung des neuen Berichts der OECD über Luxemburg kamen am Donnerstagnachmittag, im Beisein von drei Ministern, gleich mehrere heikle Themen auf den Tisch. Diskutiert wurde über den Index, die Nachhaltigkeit des Wachstums wie auch über die Standhaftigkeit des Pensionssystems. Ziel des Berichtes ist es, zu helfen, Luxemburgs Wirtschaftswachstum langfristig widerstandsfähiger zu machen.

„Luxemburg zeigt sich widerstandsfähig“, begann Mathias Cormann, Generalsekretär der OECD, am Donnerstag im Rahmen der Verstellung eines über 150 Seiten starken Berichts über die nationale Wirtschaft. Dank des starken Finanzsektors und der staatlichen Unterstützung habe das Land die pandemiebedingte Krise schnell hinter sich lassen können.

Jetzt jedoch drücke der russische Angriffskrieg die Stimmung, so Cormann weiter. In der Weltwirtschaft steige die Inflation und die Unsicherheiten legten zu. Das Wachstum gehe zurück. Für Luxemburg erwartet die Organisation 2022 nur noch einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 1,7 Prozent. 2023 erwartet sie eine Wachstumsrate von 1,5 Prozent. Im Jahr nach Corona, 2021, hatte die OECD noch eine Steigerung von 5,1 Prozent gemessen.

Rund alle zwei Jahre legt die Organisation eine große Analyse über das Land vor. Aufgelistet werden potenzielle Risiken für die Entwicklung des Wohlstands des Landes wie auch mögliche Wege, um die Risiken zu vermeiden. Im letzten Bericht, 2019, hatte die Organisation ihren Fokus auf die Situation auf dem luxemburgischen Wohnungsmarkt gelegt. Um zu den Ergebnissen zu kommen, treffen sich die Autoren des Berichts im Vorfeld mit Vertretern von Ministerien und Behörden.

Drei große Herausforderungen

Zeitgleich mit dem schwächeren Wachstum hat sich auch der Inflationsdruck ausgeweitet, sagt Cormann weiter. Gründe dafür sieht die OECD viele. Das geht von der durch den russischen Krieg ausgelösten Energiekrise bis hin zu hausgemachten Ursachen. Dazu zählt die Organisation den Index (siehe unten stehenden Artikel), die steigenden Wohnungspreise, die Knappheit an Fachkräften, welche die Gehälter nach oben treibt, oder auch die Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen der steigenden Energiepreise und der hohen Inflation. Letztere seien nicht selektiv, nicht gezielt genug und gäben keinen Anreiz zum Energiesparen. Zudem würden sie langfristig sehr teuer werden.

Insgesamt stehe das Land vor drei großen Herausforderungen, um die Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen, so Cormann. So gelte es nun erstens, dafür zu sorgen, dass das Wachstum nachhaltiger werde, unterstreicht die Organisation. Hierfür würden Reformen in zwei Bereichen benötigt: im Pensionssystem und auf dem Arbeitsmarkt.

Was das Pensionssystem anbelangt, so warnt er vor dem prognostizierten schnellen Anstieg der Ausgaben. Trotz derzeit stabilen Staatsfinanzen riskiere dies mittelfristig dazu zu führen, dass die junge Generation weniger hohe Renten bekommen würde. „Das würde den Standort Luxemburg weniger attraktiv machten“, warnt er.

Jugendarbeitslosigkeit ist relativ hoch

Als Lösung schlägt er vor, dass die Menschen in Luxemburg länger arbeiten sollen als bisher. Ein großer Teil der Luxemburger Männer geht bereits im Alter von 54 Jahren in Rente, hebt er hervor. „Das ist eine der niedrigsten Raten in der OECD.“ Wenn diese länger arbeiten würden, wäre dies gerechter gegenüber den kommenden Generationen, sagt Cormann. Die Regierung solle Maßnahmen ergreifen, etwa durch Fortbildung, um es attraktiver zu machen, diese Leute in Arbeit zu halten.

Zudem müsse das Land Anstrengungen in der Ausbildung der jungen Generation unternehmen: „Die Jugendarbeitslosigkeit ist relativ hoch.“ Er bemängelt u.a., dass es zu früh sei, Jugendlichen bereits mit 12 Jahren eine entscheidende schulische Wahl aufzuzwingen.

Als zweite Herausforderung sieht er das „Stimulieren der Produktivität“. Das Luxemburger Wachstum werde vor allem durch eine stetig wachsende Zahl von Arbeitskräften getragen, bemängelt Cormann. Wichtig wäre jedoch mehr Wachstum durch Investitionen. Wünschen würde er sich mehr staatliche Förderung für Investitionen in Forschung und Entwicklung, wie auch mehr Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung. Zudem seien die bürokratischen Hürden für Selbstständige hierzulande „sehr hoch“ und auch das Gründen von Firmen könne einfacher gestaltet werden.

Strengere Regeln für Düngemittel und Pestizide

Als dritte Herausforderung sieht er den Prozess hin zu „grünem Wachstum“. In der Vergangenheit habe die Stahlindustrie viel zu einer Verbesserung der Klimabilanz beigetragen, hebt er hervor. Danach hätte Covid19 dem Land bei der Einhaltung der Klimaziele „geholfen“. Um dies weiterzuführen, brauche es nun jedoch eine „grundlegende Reform“. Besonders die Entwicklung im Transportsektor scheint Mathias Cormann nicht zu gefallen. „Der Preis für CO2 muss weiter steigen“, fordert er. Auch seien die CO2-Kosten nicht gerecht auf die Gesellschaft verteilt. Weiter hebt er hervor, dass die Biodiversität wie auch die Wasserqualität hierzulande in Gefahr seien. Grund seien hauptsächlich die Viehzucht und Düngemittel. Für Düngemittel und Pestizide sollte das Land strengere Regeln erstellen, sagt er.

Insgesamt sahen sich die drei Regierungsvertreter, Finanzministerin Yuriko Backes, Wirtschaftsminister Franz Fayot und der Minister für Energie und Raumentwicklung Claude Turmes durch den Bericht der OECD bestätigt. Yuriko Backes hob hervor, wie wichtig eine seriöse Finanzpolitik ist, um die notwendigen Projekte für die Zukunft zu finanzieren. Franz Fayot verwies auf intensive Anstrengungen in der Forschung in der Industrie wie auch auf laufende Arbeiten an „Wohlstandsindikatoren“ – da das BIP als alleiniger Indikator zur Messung des Wohlstands nicht ausreiche. Zudem erklärte er, dass eine große Reform der Wettbewerbsbehörde anstehe: Sie werde unabhängiger und erhalte mehr Befugnisse.

Claude Turmes erinnerte an die zuletzt erreichten Einsparungen beim Energieverbrauch und hob hervor, wie wichtig eine gesunde Umwelt und eine hohe Lebensqualität für das Anziehen von Talenten – also für die Attraktivität des Landes – seien. Zudem hob er hervor, dass Luxemburg, was die Produktion von Solarenergie pro Kopf angeht, mittlerweile die Nummer vier in Europa sei.