ForumNun haben wir den Salat: Die höheren Zinsen werden bleiben

Forum / Nun haben wir den Salat: Die höheren Zinsen werden bleiben
Die nächste Rezession dürfte zu einem deutlichen Rückgang der Zinssätze führen Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

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Selbst nach dem jüngsten teilweisen Rückgang der langfristigen realen und nominalen Zinssätze verharren diese deutlich über dem ultraniedrigen Niveau, an das sich die politischen Entscheidungsträger gewöhnt hatten. Und dort werden sie wahrscheinlich bleiben, auch wenn die Inflation nachlässt. Es ist höchste Zeit, die weit verbreitete Ansicht zu überdenken, dass Staatsverschuldung kostenlos zu haben sei.

Die Idee, dass die Zinssätze dauerhaft niedrig bleiben würden, schien die Ansicht zu stützen, dass jede Sorge über die Staatsverschuldung eine Billigung der „Austerität“ darstelle. Viele gelangten zu der Überzeugung, dass die Regierungen während Rezessionen große Defizite und in normalen Zeiten nur geringfügig kleinere Defizite vorweisen sollten. Niemand schien sich um die möglichen Risiken, insbesondere bei der Inflation und den Zinssätzen, zu kümmern. Die Linke vertrat die Ansicht, dass sich der Staat verschulden könne, um seine Sozialprogramme über das durch die Reduzierung der Militärausgaben erreichbare Maß hinaus auszuweiten, während die Rechte zu glauben schien, dass Steuern nur existieren, um gesenkt zu werden.

Der irrigste Ansatz bestand darin, die Notenbanken zum Ankauf von Staatsanleihen zu nutzen, was angesichts von bei null liegenden kurzfristigen Zinssätzen kostenlos zu sein schien. Diese Idee ist der Kern der modernen Geldtheorie und des „Helikoptergeldes“. In den letzten Jahren brachten selbst prominente Makroökonomen die Idee ins Spiel, dass die US-Notenbank die im Rahmen der quantitativen Lockerung aufgekauften Staatsanleihen abschreiben könnte – eine scheinbar simple Lösung für jedes potenzielle Problem der Staatsverschuldung.

Verschwenderische Haushaltspolitik

Aber dieser Ansatz ging davon aus, dass ein eventueller Anstieg der globalen realen Zinssätze allmählicher und vorübergehender Art sein würde. Die Möglichkeit, dass ein steiler Anstieg der Zinssätze die Zinszahlungen auf bestehende Schulden – einschließlich der von Zentralbanken als Bankreserven gehaltenen Schuldtitel – drastisch in die Höhe treiben würde, wurde einfach abgetan. Jetzt aber haben wir den Salat: Die Fed, die zuvor null Zinsen auf diese Reserven zahlte, zahlt inzwischen mehr als fünf Prozent.

Von einigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen haben die Vertreter der Idee, dass Schulden kostenlos zu haben sind, die Wahrscheinlichkeit einer neuen Realität bisher nicht eingestanden. Auf einer jüngsten Konferenz hörte ich einem bekannten Finanzkommentator zu, der ein starker Exponent der Erzählung „ewig niedriger“ Zinsen war und dem scheinbar nicht bewusst war, dass sie gründlich entkräftet worden war. Wenn man diese Leute darauf ansprach, räumten sie ein, dass, falls die Zinssätze nicht rasch auf das ultraniedrige Niveau der 2010er-Jahre zurückkehren, Haushaltsdefizite schließlich doch eine Rolle spielen könnten. Doch sie mochten nicht so recht zugeben, dass der bestehende Schuldenüberhang ein Problem darstellen könnte, da dies ihre frühere Unterstützung einer verschwenderischen Haushaltspolitik infrage stellen würde.

Ähnlich schienen Serkan Arslanalp und Barry Eichengreen in einem kürzlich erschienenen, auf der diesjährigen Konferenz der weltführenden Notenbanker in Jackson Hole vorgestellten Papier über das Rekordniveau der globalen Verschuldung unwillig, die Auswirkungen des aktuellen Schuldenüberhangs oder den Zusammenhang zwischen hoher Staatsverschuldung und dem trägen Wachstum in Ländern wie Japan und Italien zu diskutieren.

Zinsrückgang im Jahr 2025

Zwar dürfte die nächste Rezession, wann immer sie eintritt, zu einem deutlichen Rückgang der Zinssätze führen und damit dem enorm überschuldeten US-Markt für Gewerbeimmobilien, wo das Mantra heute: „Überleben bis ’25“ lautet, eine vorübergehende Atempause verschaffen. Wenn, so die Überlegung, es den Immobilieneignern gelingt, ein weiteres Jahr sinkender Mieten und steigender Finanzierungskosten zu überstehen, könnte ein starker Zinsrückgang im Jahr 2025 die Flut roter Zahlen, die ihre Unternehmen zu ertränken droht, eindämmen.

Doch selbst bei einem Rückgang der Inflation dürften die Zinssätze im nächsten Jahrzehnt höher bleiben als im Jahrzehnt nach der Finanzkrise von 2008. Dies spiegelt eine Vielzahl von Faktoren wider, darunter steigende Schuldenstände, die Entglobalisierung, höhere Verteidigungsausgaben, die ökologische Wende, populistische Forderungen nach Einkommensumverteilung und eine anhaltende Inflation. Selbst die oft als Begründung für dauerhaft niedrige Zinssätze angeführten demografischen Verschiebungen könnten sich auf die entwickelten Länder anders auswirken, da sie die Ausgaben für die Unterstützung schnell alternder Bevölkerungen erhöhen.

Während sich die Welt sicherlich an höhere Zinssätze anpassen kann, ist der Übergang noch im Gange. Der Umbruch könnte insbesondere für die europäischen Volkswirtschaften eine Herausforderung darstellen, denn die ultraniedrigen Zinssätze waren bisher der Klebstoff, der die Eurozone zusammenhielt. Die Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank nach dem Motto „Whatever it takes“ erschien kostenlos, als die Zinssätze in Nullnähe lagen, doch ist unklar, ob der Block künftige Krisen überleben kann, wenn die realen Zinssätze weiterhin hoch bleiben.

Defizite im Auge behalten

Wie ich bereits früher argumentiert habe, wird Japan Schwierigkeiten haben, sich von seiner Politik „ewiger Nullzinsen“ zu lösen, da sich seine Regierung und sein Finanzsystem daran gewöhnt haben, Schulden als kostenfrei zu betrachten. In den USA könnte die Anfälligkeit des Gewerbeimmobiliensektors im Verbund mit einer erhöhten Kreditaufnahme eine weitere Inflationswelle auslösen. Darüber hinaus haben die großen Schwellenländer die hohen Zinssätze zwar bisher bewältigt, stehen jedoch unter enormem Haushaltsdruck.

In diesem neuen globalen Umfeld müssen politische Entscheidungsträger und Ökonomen – auch jene, die bisher dem Lager „ewig niedriger“ Zinssätze angehörten – ihre Überzeugungen im Lichte der aktuellen Marktwirklichkeiten womöglich neu bewerten. Während es durchaus machbar ist, die Sozialprogramme auszuweiten oder seine militärischen Kapazitäten zu steigern, ohne große Defizite zu verursachen, ist es ohne Steuererhöhungen nicht kostenlos. Wir werden wahrscheinlich auf die harte Tour feststellen, dass es das nie war.


Kenneth Rogoff war Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und ist heute Professor für Volkswirtschaft und Public Policy an der Universität Harvard. Er wurde 2011 mit dem „Deutsche Bank Prize“ in Financial Economics ausgezeichnet und ist Mitverfasser (zusammen mit Carmen M. Reinhart) von „Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen“ (FinanzBuch Verlag, 2010) und Verfasser von „Der Fluch des Geldes: Warum unser Bargeld verschwinden wird“ (FinanzBuch Verlag, 2016).
Kenneth Rogoff war Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und ist heute Professor für Volkswirtschaft und Public Policy an der Universität Harvard. Er wurde 2011 mit dem „Deutsche Bank Prize“ in Financial Economics ausgezeichnet und ist Mitverfasser (zusammen mit Carmen M. Reinhart) von „Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen“ (FinanzBuch Verlag, 2010) und Verfasser von „Der Fluch des Geldes: Warum unser Bargeld verschwinden wird“ (FinanzBuch Verlag, 2016). Foto: Project Syndicate

Von Jan Doolan aus dem Englischen übersetzt.

Copyright: Project Syndicate, 2023

www.project-syndicate.org

luxmann
16. Dezember 2023 - 3.04

Die wirtschaft war schon immer und wird immer ein zyklisches rauf und runter sein. Jemand der propagiert die zinsen oder die inflation werden fuer immer niedrig bleiben muss ein scharlatan sein,der sein umfeld wissentlich in die irre fuehrt.

plop
13. Dezember 2023 - 15.02

As mir egal. Hu keng Scholden.