Steckbrief Fatima Rougi
 – 38 Jahre
 – Luxemburgerin und Marokkanerin
 – Seit zehn Jahren Freiwillige beim „Planning Familial“
 – Seit dem 25. Juni Präsidentin des Zentrums
Drei Wörter, die sie am besten beschreiben:
Fröhlich, willensstark, feministisch
Tageblatt: Wie kam es dazu, dass Sie sich ehrenamtlich für Frauen und sexuelle Bildung einsetzen?
Fatima Rougi: Ich bin in Marokko geboren und auf Korsika aufgewachsen. Da ich aus einer sehr konservativen muslimischen Familie stamme, hatte ich kaum Zugang zu Informationen über Sexualität und Intimität. Als ich mit 15 meinen ersten Freund hatte, riet mir meine – bis heute – beste Freundin, beim „Planning Familial“ in Korsika vorbeizuschauen. Ich war sofort begeistert: Meine Fragen wurden ernst genommen, ich fühlte mich als muslimische Frau gut aufgehoben. Später sagte ich zu meiner Freundin, dass ich mich eines Tages ehrenamtlich für sexuelle und emotionale Bildung einsetzen möchte. Dass das einmal in einem anderen Land geschehen würde, war für mich damals unvorstellbar.

Wie sind Sie zum „Planning Familial“ in Luxemburg gestoßen?
Ich lernte Ainhoa Achutegui noch vor ihrer Zeit als Präsidentin des „Planning Familial“ kennen – während meiner Tätigkeit als Journalistin. Wir verstanden uns auf Anhieb. Als sie dann vor zehn Jahren zur Präsidentin ernannt wurde, bat ich sie um ein Gespräch. Ich wollte mich ehrenamtlich engagieren. Als das Gespräch vorbei war, war ich plötzlich neues Mitglied des Verwaltungsrats.
Was bedeutet es für Sie, Präsidentin des „Planning Familial“ zu sein?
Es ist eine große Ehre. Ich wurde gefragt, ob ich das Mandat übernehmen möchte – und stimmte zu. Im Rahmen des 60. Jubiläums des Zentrums wurde das gesamte Team informiert. Ich erhielt Standing Ovations, und eine Welle von Glückwünschen setzte ein. Auch in den sozialen Medien bekam ich viel Zuspruch: Selbst Menschen aus Marokko, die ich gar nicht persönlich kenne, gratulierten mir. Viele von ihnen äußerten ihren Stolz darüber, dass eine marokkanische Frau eine Führungsposition im Ausland hat.
Für mich gehört es zu den wichtigsten Aufgaben, bereits im Kleinkindalter mit Aufklärung zu beginnen
Was steht auf Ihrer Prioritätenliste als frisch gebackene Planning-Präsidentin ganz oben?
Derzeit hat die Konstitutionalisierung des Rechts auf Abtreibung in Luxemburg oberste Priorität, das heißt, die Aufnahme dieses Rechts in die luxemburgische Verfassung. Der Staatsrat hat bereits grünes Licht gegeben, im September wird das Thema in der Abgeordnetenkammer behandelt. Es ist wichtig, dieses Recht zu verankern, bevor es infrage gestellt oder gar gefährdet wird.
Gibt es noch weitere, wichtige Themen, mit denen Sie sich aktuell beschäftigen?
Wir setzen uns für eine Verlängerung der gesetzlichen Frist für Schwangerschaftsabbrüche von zwölf auf 14 Wochen ein. Ein weiterer wichtiger Punkt auf unserer Liste ist die Rückerstattung von Kondomen. Die Kosten für Verhütungsmittel werden dank des Einsatzes vom „Planning Familial“ seit zwei Jahren vollständig von der Krankenkasse übernommen – Kondome sind bislang jedoch ausgenommen. Außerdem möchten wir die Regierung davon überzeugen, eine nationale Studie zur sexuellen und emotionalen Gesundheit in Luxemburg durchzuführen. Sie würde wertvolle Einblicke in das sexuelle Verhalten der Bevölkerung liefern und es uns ermöglichen, gezielter zu arbeiten. Aktuell existieren auch keine offiziellen Statistiken zu Schwangerschaftsabbrüchen in Luxemburg – das wollen wir ändern.
Wie hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen zehn Jahren verändert?
Die Zahlen der sexuell übertragbaren Krankheiten steigen in den vergangenen Jahren an. Die jüngeren Generationen gehen zwar allgemein offener mit ihrer Sexualität um, es fehlt ihnen aber offenbar an der nötigen Aufklärung. Unsere Rolle als Zentrum der Aufklärung hat sich demnach nicht groß verändert – es kommen allerdings neue Herausforderungen hinzu. Der zunehmende Konsum von Pornografie bei Jugendlichen, ebenso wie die Vielzahl an Internetquellen, auf die sie bei intimen Fragen zurückgreifen, spielen eine immer größere Rolle. Viele dieser Inhalte sind irreführend oder schlichtweg Falschinformationen. Unsere Aufgabe ist es, Ordnung in das Informationschaos zu bringen und den Menschen qualifizierte, fachgerechte Unterstützung anzubieten.
Ab wann ist Aufklärung wichtig?
Für mich gehört es zu den wichtigsten Aufgaben, bereits im Kleinkindalter mit Aufklärung zu beginnen. Viele Eltern reagieren auf diese Aussage zunächst mit Sorge – doch es geht dabei nicht darum, ein dreijähriges Kind sexuell aufzuklären. Vielmehr geht es um den frühzeitigen Aufbau eines Bewusstseins für Konsens: Ein Kind soll lernen, „Das ist mein Körper – und ich entscheide, was damit geschieht.“ Aufklärung erfolgt immer altersgerecht und situationsbezogen.
Wie ordnen Sie die sexuelle Bildung in Luxemburg ein?
Es gibt noch viel zu tun. Gesellschaftliche Werte sind nach wie vor stark durch traditionelle Geschlechterrollen geprägt – obwohl der feministische Gedanke in den vergangenen Jahren erfreulicherweise an Gewicht gewonnen hat. Viele Mädchen und Frauen, aber auch Männer, setzen sich in Luxemburg aktiv für die Gleichberechtigung ein. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst der verbesserten Bildungsarbeit rund um Sexualität und Geschlechterparität.
Wie hat sich die Bildungsarbeit in den letzten Jahren entwickelt?
Es gibt Organisationen – ich möchte keine Namen nennen – die in Schulen nach wie vor ein sehr konservatives Familienbild vermitteln, in dem die Frau vor allem als Gebärende gesehen wird. Wir beim „Planning Familial“ verfolgen hingegen einen offenen, inklusiven und vielfältigen Bildungsansatz. Allerdings fehlt uns oft das nötige Personal, um alle Anfragen von Schulen, Einrichtungen und Unternehmen zu bedienen. Trotzdem bemühen wir uns, jeder einzelnen Anfrage so gewissenhaft wie möglich nachzukommen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Die vielfältige Bevölkerung Luxemburgs spiegelt sich in der Politik kaum wider. Ich wünsche mir mehr Frauen, queere Menschen sowie Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Herkünfte in führenden Positionen – und zwar nicht nur in der Regierung, sondern auch in den Kommunen, Institutionen und Unternehmen. Unser Land lebt von Vielfalt und genau diese sollte auch in allen Entscheidungsebenen vertreten sein.
 
		    		 De Maart
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