Samstag1. November 2025

Demaart De Maart

Interview zur SicherheitspolitikNATO ist Russland in fast allen Bereichen überlegen

Interview zur Sicherheitspolitik / NATO ist Russland in fast allen Bereichen überlegen
Herbert Wulf und Alexander Lurz im Konferenzraum der „Chambre des salariés“ (CSL) in Bonneweg Foto: Stefan Kunzmann

Über die Frage „NATO, Russland – Wann ist ‚genug‘ wirklich genug?“ wurde am 21. Oktober in Luxemburg diskutiert. Die Friedens- und Konfliktforscher Herbert Wulf und Alexander Lurz stellten dabei ihre Studie über den Vergleich der militärischen Potenziale von NATO und Russland vor. Sie mahnen zu Besonnenheit und gründlicher Analyse.

Tageblatt: Herr Wulf, Sie sind seit Jahrzehnten in der Friedens- und Konfliktforschung tätig. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde von einer Zeitenwende gesprochen. Wie haben Sie diese empfunden? Hatten Sie diese Zeitenwende erwartet?

Herbert Wulf: In dieser Form und in dem Ausmaß der Aggression hatte sich das nicht angedeutet. Wir waren am Ende des Kalten Krieges zumindest in Europa davon ausgegangen, dass wir zu einer einigermaßen ausbalancierten Sicherheitsarchitektur kommen würden. Diese wurde durch Russland zerstört. Insofern war es ein Schlag ins Kontor und auch eine Enttäuschung. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass Kriege und andere bewaffnete Konflikte auf der Welt schon immer stattfanden. Nur haben wir das in Europa nicht gemerkt. In Myanmar wird ein Krieg geführt, über den wir überhaupt nicht reden. Oder seit Jahrzehnten im Kongo, aber auch im Sudan. Der Krieg in der Ukraine ist uns viel näher. Einerseits hofften wir am Ende des Kalten Krieges auf andere Zeiten, andererseits waren wir nicht so naiv, zu glauben, dass nun der Friede weltweit ausgebrochen sei.

Wir haben jetzt eine Zeitenwende und klotzen hundert Milliarden Euro rein

Herbert Wulf

Für die Armeen Westeuropas ergab sich ein neues Paradigma, das aus Friedensmissionen vor allem außerhalb Europas bestand. Mit den eigentlichen Verteidigungsaufgaben wurde nicht mehr gerechnet. Hinzu kam der Krieg gegen Terror nach dem 11. September 2001. Mit einem Konflikt mit Russland hat kaum jemand gerechnet, oder?

Herbert Wulf
Herbert Wulf Foto: Stefan Kunzmann

H.W.: Die Auslandseinsätze, etwa der Bundeswehr, waren nicht unumstritten. Die Worte des damaligen deutschen Verteidigungsministers Peter Struck, die Bundeswehr würde Deutschland am Hindukusch verteidigen, wurden zwar ein eingängiger Slogan, aber viel Realität steckte nicht dahinter. Die Konzentration fiel auf die Auslandseinsätze, sodass etwa Fregatten gebaut wurden, die im Indopazifik patrouillieren konnten, aber nicht in der Lage waren, die Ostsee vernünftig zu überwachen. Insofern bin ich in der jetzigen Situation skeptisch, wenn man den Hebel jetzt einfach umlegt und von Auslandseinsätzen wie in Afghanistan und Mali und UN-Friedensmissionen wieder zurück auf die Landesverteidigung schaltet. Ich wünsche mir viel mehr Ruhe, Gelassenheit und solide Analyse  – statt einfach zu sagen: Wir haben jetzt eine Zeitenwende und klotzen hundert Milliarden Euro rein.

Wurden diese Konfliktherde nicht ernst genug genommen und falsch eingeschätzt? Schließlich deutete sich in Ostasien bereits mit einem erstarkten chinesischen Militär neue Herausforderungen an.

Alexander Lurz: Der sicherheits- und verteidigungspolitischen Ausrichtung der vergangenen Jahrzehnte mit der Fehlfokussierung auf Auslandseinsätze hätte man misstrauen sollen. Nun gibt es eine übertriebene Ausrichtung in die andere Richtung, etwa mit der Festlegung auf die fünf Prozent Ausgabenanteil am BIP. Letztendlich geht es immer um Maß und Mitte – um eine realistische Einschätzung der Bedrohungslage und der eigenen Optionen. Daran fehlt es.

H.W.: Die Bundeswehr etwa hat im letzten Jahrzehnt 460 Milliarden Euro ausgegeben. Dann stellte sich der Generalinspekteur des Heeres hin und sagte, die Bundeswehr sei blank. Was ist mit den 460 Milliarden passiert? Wofür wurde das Geld ausgegeben? Das war doch kein Pappenstiel. Insofern muss man die politische und militärische Führung fragen: „Mit welchem Konzept habt ihr eigentlich gearbeitet?“

A.L.: Eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2022 fand heraus, dass bis zu einem Drittel des Beschaffungskapitals verschwendet wird.

H.W.: Konkreter gesagt: Wenn Aufträge vergeben und zwischen zwei oder drei europäischen Ländern aufgeteilt werden, besteht jedes Land darauf, dass es seinen Anteil an den Aufträgen bekommt. Dabei wird nicht gefragt, ob es die effizienteste Firma ist, die den Auftrag kriegt.

Wie Sie mit Ihrer Untersuchung herausfanden, ist das militärische Kräfteverhältnis nicht so, wie es im Westen oft dargestellt wird – dass etwa die russische Armee übermächtig ist. Insgesamt ist die NATO im Vergleich zu Russland überlegen.

A.L.: Wir haben das Militärpotenzial Russlands und der NATO anhand von sechs Parametern verglichen: Militärbudget, Großwaffensysteme, Anzahl der Soldaten, Rüstungsproduktion, Einsatzbereitschaft der Streitkräfte und Atomwaffen. Dabei kamen wir zu dem Schluss, dass die NATO in fünf von sechs Bereichen überlegen ist. Im sechsten Bereich, den Atomwaffen, haben wir einen ungefähren Gleichstand.

In der Öffentlichkeit wurde dies häufig anders dargestellt, vor allem von Politikern.

A.L.: Es ist ja nicht so, dass in keinem anderen Bereich Nachholbedarf besteht. Das sehen wir ja in der Bedeutung von Drohnen, die wir in der Studie noch nicht untersucht haben …

… ein relativ neues Phänomen …

A.L.: … und finanziell nicht besonders entscheidend. Drohnen sind verhältnismäßig günstig. Wir sagen nicht, dass es keine Defizite bei der NATO gibt. Eine Anhebung der Ausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist dafür keinesfalls notwendig. Für Deutschland wären dies rund 220 Milliarden Euro, etwa 130 Milliarden Euro mehr, als 2025 aufgewendet wurden.

Aber wie groß ist die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte?

H.W.: In puncto Einsatzbereitschaft, bei der es darum geht, was das Militär technisch kann, sind wir zum Schluss gekommen, gerade aus der Erfahrung mit der russischen Armee in der Ukraine, dass auch da die NATO die Nase vorn hat. Es war keine militärische Glanzleistung, was die Russen in der Ukraine geschafft haben, angesichts ihrer Kriegspläne. Die andere Frage ist der politische Wille. In dieser Hinsicht ist Russland bereit, die schlimmsten Dinge zu unternehmen, wenn sie zum Beispiel die Soldaten als Kanonenfutter einsetzen. Zudem stellt sich die Frage, in welchem Bereich Europa noch auf die USA angewiesen ist.

Hat man die russische Gefahr unterschätzt?

H.W.: Die deutsche Annäherung an Russland und die Energieabhängigkeit zeigen deutlich, dass die Gefahr nicht wahrgenommen wurde. Die Rede von Wladimir Putin im Bundestag (vom 25. September 2001; Anm. d. Red.) war vielversprechend. Auf der Sicherheitskonferenz in München einige Jahre (am 10. Februar 2007) später machte er seine Vorstellungen vom russischen Imperium deutlich.

A.L.: Heute kann man definitiv sagen, dass die Gefahr unterschätzt wurde, und man beging strategische Fehler wie zum Beispiel Nord Stream 2. Dies nach der Annexion der Krim noch auf den Weg zu bringen, war naiv und gleichzeitig ein Verrat an Osteuropa. Diese Staaten hatten vor einer deutschen Energieabhängigkeit gewarnt. Aber das war nicht alles. Wir hatten zum Beispiel das Hacken des Bundestags Mitte der Zehnerjahre, ohne dass man angemessen darauf reagierte. Auch das war ein Fehler. So hätte etwa der russische Botschafter ausgewiesen werden können. Und die Reaktion der Bundesregierung auf den Mord durch den russischen Geheimdienst im Kleinen Tiergarten war sehr schwach. All dies waren Momente, in denen man hätte Zeichen setzen können.

War es ein deutscher „Sonderweg“, oder hat der gesamte Westen in der Hinsicht versagt?

H.W.: In gewisser Weise war es ein deutscher Sonderweg. Die Osteuropäer haben davor gewarnt, während die Südeuropäer noch heute behaupten, dass die Reaktion auf die russische Aggression übertrieben sei.

Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland im Jahr 2011 ein? War dies eine logische Folge der damaligen Entwicklung?

A.L.: Es war die logische Konsequenz aus der damaligen Rechtslage. Es gab keine Wehrgerechtigkeit mehr. Immer weniger Prozent eines Jahrgangs wurden eingezogen. Das wäre irgendwann vor dem Verfassungsgericht gescheitert. Es war aber auch die Ableitung aus der Sicherheitsperzeption. Man brauchte zu dieser Zeit keine großen Streitkräfte, sondern kleine, spezialisierte.

H.W.: Man wollte für die Auslandseinsätze auf keinen Fall Wehrpflichtige. Man hatte wenig Verwendung für sie.

Wie schätzen Sie den jüngsten Paradigmenwechsel ein? Ist es eine Panikreaktion? Oder steckt vielmehr Kalkül dahinter?

H.W.: Es gibt sicherlich eine Fülle von Motiven. Ich würde eher von Alarmismus als von Panik reden. Die russische Gefahr, die man vorher nicht gesehen hat, wird jetzt riesengroß dargestellt. Deshalb auch unsere Studie, um zu zeigen: Schaut euch erst mal die Fakten an, bevor ihr mit vollen Händen Geld ausgibt. Natürlich war es im Interesse der Industrie, wenn etwa Ursula von der Leyen das 800-Milliarden-Euro-Programm ausrief. Regionalpolitiker in Deutschland wie auch Verteidigungspolitiker in Luxemburg verlangten, dass die eigene Industrie davon profitiert. Jetzt geht der Streit ums Geld los. Damit wird im Kleinklein des Konkurrenzkampfs die Zusammenarbeit der Europäer ebenso verpasst wie eine notwendige Reform.

Es ist bemerkenswert, dass, so groß die militärische Bedrohung Europas auch ist, wir keine Initiative hin zu einer europäischen Armee vergegenwärtigen können

Alexander Lurz

Ist eine eigenständige europäische Sicherheitspolitik überhaupt realistisch?

Alexander Lurz
Alexander Lurz Foto: Stefan Kunzmann

A.L.: Es ist bemerkenswert, dass, so groß die militärische Bedrohung Europas auch ist, wir keine Initiative hin zu einer europäischen Armee vergegenwärtigen können. Es gibt keinen Vorstoß seitens des französischen Staatspräsidenten, des deutschen Bundeskanzlers oder des spanischen Ministerpräsidenten. Die EU-Kommission ergreift zwar Initiativen im Bereich von Beschaffung, aber eine wirkliche militärische oder sicherheitspolitische Verschmelzung, die eine Antwort sein könnte, ist nicht zu erkennen.

H.W.: Die EU hat auch noch immer keine wirklichen Kompetenzen im Bereich Verteidigung. Darin ist nach wie vor die NATO federführend. Wenn die jeweilige nationale Souveränität in Frage gestellt wird, heißt es, die EU-Kommission sei zu weit gegangen. Selbst wenn es hin zu einer Europäisierung gehen würde, müsste man an eine parlamentarische Kontrolle denken. Die liegt ausschließlich bei den nationalen Parlamenten.

Beim NATO-Gipfel in Den Haag im Juni sah es jedenfalls nicht nach einer Europäisierung aus. Stattdessen scharten sich die Staats- und Regierungschefs um Donald Trump.

H.W.: Es bestehen auch deutliche Unterschiede zwischen dem, was die baltischen Staaten und Polen fordern, und dem, was auf der Iberischen Halbinsel für notwendig gesehen wird. Immer wieder wird gerade die Duplizierung bei der Beschaffung der Waffen gefordert. Wir haben in unserer neuen Studie die einzelnen Initiativen aufgelistet. Ich bin sehr skeptisch, dass das jetzt besser vorangeht – gerade jetzt, wenn viel Geld vorhanden ist und nicht auf Effizienzkriterien geachtet werden muss. Es gibt auf der einen Seite den politischen Willen, etwas Europäisches zu schaffen, wenn aber etwa die EU-Kommission sagt, wir bräuchten einen europäischen Verteidigungskommissar, heißt es, dass die Europäische Union in diesem Bereich keine Kompetenzen habe. Man sieht außerdem an den jetzt anstehenden Projekten, dass die Europäisierung kaum vorankommt. Ein Beispiel ist der Streit zwischen Dassault und Airbus, wer die Führerschaft bei den neuen Kampfflugzeugen haben soll.

A.L.: Mit diesem neuen Geldregen ist auch der Zwang zum Einsparen und zu mehr Effizienz weg.

Wie groß ist eigentlich die Gefahr momentan, dass Russland Europa angreift? Es gab immer wieder Provokationen, Luftraumverletzungen, Drohnenüberflüge.

A.L.: Nach den Worten von Boris Pistorius wäre ein russischer Angriff 2029 möglich. Folgt man dieser Einschätzung, bedeutet das, dass selbst nach Auffassung des alarmistischen Verteidigungsministers derzeit keine akute Gefahr besteht. Inwiefern der politische Wille in Russland vorhanden ist, wage ich nicht zu bewerten. Ein Angriff ist jedenfalls momentan nicht sehr wahrscheinlich.

H.W.: Trotzdem findet die Politik der Nadelstiche, wie etwa durch Cyberangriffe oder mittels der russischen Schattenflotte in der Ostsee, statt. Ich sehe eher die Gefahr in Ländern wie Moldau als in den baltischen NATO-Ländern. Es wäre dumm von Russland, Letztere jetzt anzugreifen.

A.L.: Im Hinblick auf die Abschreckung Russlands geht es für die NATO-Staaten weniger um die genaue Anzahl von Panzern als darum, zu zeigen, dass das Bündnisversprechen glaubhaft ist, die gemeinsame Verteidigungsbereitschaft also besteht. Das ist primär eine politische und sekundär eine militärische Frage.

Was wäre, wenn Russland Moldau angreifen würde?

H.W.: Ich würde behaupten, dass Russland dort nicht das passiert, was ihr in der Ukraine passiert: Sich nämlich selbst zu überschätzen und sich kurz darauf von ihren eigentlichen Kriegszielen zu verabschieden. Moldau ist ein sehr viel kleineres Land, und im Osten des Landes, in Transnistrien, sind russische Truppen stationiert. Ich will kein Schreckensszenario an die Wand malen, aber solche Aktionen sind wahrscheinlicher als ein Angriff auf Polen oder die baltischen Staaten.

Sie haben im April einen Aufruf von Wissenschaftlern mitunterzeichnet – einen Appell zur rationalen Sicherheitspolitik statt Alarmismus. Wie sieht die rationale Sicherheitspolitik aus?

H.W.: Dass man sich nüchtern die Zahlen und Fakten anschaut und analysiert. Die NATO-Forderung von fünf Prozent ist völlig aus der Luft gegriffen und ist vor allem zustande gekommen, um den Forderungen von Donald Trump nachzukommen und die USA möglichst bei der Stange zu halten. Es gibt meines Erachtens momentan keinen Zeitdruck. Man sollte sich zunächst eher fragen, was der Ukraine-Krieg militärtechnisch für Konsequenzen hat, zum Beispiel, was die Drohnenbedrohung angeht. Im ersten Jahr des Krieges gab es noch große Panzerschlachten wie im Ersten Weltkrieg. Die spielten zuletzt keine Rolle mehr. Mehr Gelassenheit und Ruhe sind gefragt.

Wie in jedem größeren Krieg sind neue Tendenzen der Kriegsführung zu erkennen.

A.L.: Es gibt ein Bonmot der Militärs, das heißt: Man bereitet sich immer auf den letzten Krieg vor. Zwischen Kriegen schreitet die technologische Entwicklung voran. Es ist aber nicht sicher, ob sich das so oder so ähnlich wiederholen wird. Der Erste und der Zweite Weltkrieg haben sich nicht sehr geähnelt. Der eine war sehr statisch …

… Stellungskriege, die es jetzt auch wieder im Ukraine-Krieg gibt …

H.W.: … bei gleichzeitiger Entwicklung gerade im digitalen Bereich, wo es um moderne Kriegsführung geht. Wenn man über die entsprechenden Kapazitäten verfügt, kann man genau sehen, was die Russen in ihren Schützengräben machen. Aufklärung ist heute ganz entscheidend.

A.L.: Und es ist ein Krieg, der aufseiten der Ukraine nur in einem geringen Maße mit einer Luftwaffe geführt wird. Das wäre zwischen der NATO und Russland anders, wobei die NATO mit 5.200 Flugzeugen gegenüber knapp über tausend auf russischer Seite deutlich überlegen ist. Das wäre ein ganz anderes Szenario. Wir können also das, was heute im Krieg Russlands gegen die Ukraine zu sehen ist, nicht einfach übertragen auf ein Kriegsszenario zwischen der NATO und Russland.

Herr Wulf, Sie haben schon vor 20 Jahren ein Buch über die Privatisierung von Armeen und Kriegen geschrieben. Es gibt viele Beispiele von Blackwater bis Wagner. Gibt es die Tendenz noch?

H.W.: Vor 20 bis 30 Jahren war die ökonomische Politik der Liberalisierung en vogue. Unter Donald Rumsfeld sagte man, die Privatisierung dürfe nicht am Kasernentor aufhören. Dabei verfiel man in ein Extrem, sodass zeitweise im Irak-Krieg und in Afghanistan mehr amerikanische „Contractors“ als Soldaten waren, und die Kommandeure wussten überhaupt nicht, wo deren militärische Kapazitäten lagen. Dann ging es deutlich zurück. In Russland hat unter anderem Wagner das Geschäftsmodell aufgegriffen. Der Kreml hat Wagner im Gegenzug benutzt, um etwa in Afrika russische Außenpolitik zu machen – bis der Kreml merkte, dass eine Macht entstand, die kaum noch zu kontrollieren war.

Ist aber die Privatisierungstendenz beendet?

H.W.: Nein, es besteht eher eine Grauzone, wenn etwa Russland Soldaten aus Nepal einsetzt. Ich würde sagen, die Tendenz gibt es noch.

Wie hoch ist die atomare Gefahr?

H.W.: Ich würde zwischen der unmittelbaren Gefahr, dass Atomwaffen eingesetzt werden, und jener unterscheiden, dass immer mehr Länder sich Atomwaffen anschaffen. Wenn sich etwa die Nordkoreaner sie nicht abhandeln lassen, dürfte die Proliferation in Asien noch zunehmen. Die noch größere Gefahr ist die, dass alle Atomwaffenstaaten zurzeit massiv modernisieren. Und es gibt keine Rüstungskontrollforen, die funktionieren. Das einzige Atomabkommen, New Start, läuft bald aus und es gibt keine Anzeichen für neue Kontrollforen, in denen etwa China miteingebunden ist. Das halte ich langfristig für eine Gefahr, die mindestens so bedrohlich ist wie eine mögliche Atombombe im Ukraine-Krieg.

„NATO, Russland – Wann ist ‚genug‘ wirklich genug?“

Unter anderem um die Fragen, ob die Wiederaufrüstung Westeuropas unausweichlich und wie das militärische Kräfteverhältnis zwischen der NATO und Russland einzuschätzen ist, drehte sich kürzlich eine von der „Friddensplattform“, Greenpeace Luxembourg und der Kommission „Justitia et Pax“ organisierten Konferenz im „Casino syndical“. Daran nahm der deutsche Friedens- und Konfliktforscher Prof. Dr. Herbert Wulf, geboren 1939, und der Greenpeace-Experte für Frieden und Abrüstung, Dr. Alexander Lurz, teil. Wulf arbeitete unter anderem für das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg und am internationalen Friedensforschungsinstitut Siipri in Stockholm. Alexander Lurz, Jahrgang 1976, war unter anderem wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit und im Deutschen Bundestag. Seit 2018 ist er für Greenpeace Deutschland als Experte für Frieden und Abrüstung tätig. Eine dieses Jahr veröffentlichte Studie von Greenpeace über den Vergleich der militärischen Potenziale der NATO und Russland von Wulf, Lurz und Christopher Steinmetz zeigt, dass die NATO in fast allen Dimensionen Russland überlegen ist.

RCZ
1. November 2025 - 11.54

Wie sieht die Bilanz aus wenn man den Russen die Chinesen und Nordkoreaner an die Seite stellt? 🧐🤔

fraulein smilla
1. November 2025 - 10.55

Die Staerke auf dem Papier und die Staerke auf dem Schlachtfeld sind eben zwei verschiedene paar Schuhe . Afghanische Gotteskrieger siegten am Ende gegen die in allen Bereichen ueberlegenen ISAF Truppen , und nach zwei Jahren Krieg in Gaza steht die Hamas immer noch gegen die beste Armee der Welt .Am Ende siegen eben die , welsche an die Unsterblichkeit der Seele glauben .

Luxmann
1. November 2025 - 10.41

Das mit der ineffizienz bei der beschaffung wird auch weitergehen.
Wenn Luxemburg jetzt auch waffen produzieren
soll werden diese wegen der hohen lohnkosten wohl recht teuer sein.
Eine gleichwertige drohne kann man sicher in Bulgarien viel billiger herstellen als hier....aber unsere industrie will auch mitmachen, da man irgendwie auf die 5 prozent kommen muss.