ProzessMutmaßliche Mitglieder des islamischen Staates müssen sich vor Gericht verantworten

Prozess / Mutmaßliche Mitglieder des islamischen Staates müssen sich vor Gericht verantworten
Zum ersten Mal wird in einem Gerichtssaal das Luxemburger Antiterrorgesetz angewandt Foto: Editpress/Julien Garroy

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Ein in Luxemburg lebendes junges Ehepaar wird beschuldigt, im Dienste des islamischen Staates gestanden und Propaganda für dessen Ideologie gemacht zu haben. Die Beschuldigten streiten die Vorwürfe ab. Sie seien nie aktiv in terroristischen Kreisen unterwegs gewesen. Sie hätten sich nur über den „wahren Islam“ informieren wollen.

K. streitet alle Vorwürfe ab. Er sei nie Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen, er habe nie zu Terror oder Hass aufgefordert und rekrutiert habe er auch nicht. Doch genau deswegen wird ihm (29) und seiner Frau (25) vor einem Strafgericht nun der Prozess gemacht. Eine Premiere sozusagen, denn zum ersten Mal kommt das Luxemburger Antiterrorgesetz in einem Gerichtssaal zur Anwendung.

K. sitzt in einem Rollstuhl, wirkt kränklich und nervös. Wie ein Dschihadist aus den Medienreportagen sieht er nicht aus. Doch was heißt das schon? Durchaus vorstellbar, dass die Kämpfer des Heiligen Krieges viele Gesichter haben, auch ein ängstliches, wie jenes von K. 

K. bittet den Richter, eine Erklärung vorlesen zu dürfen. Er sei Muslime, sagt er. Bei der Hausdurchsuchung im Sommer 2018 sei ihm und seiner Familie Gewalt angetan worden. Er habe geblutet. Bei der Polizei sei er einem langen Verhör unterzogen worden. Am Ende habe er ein Protokoll unterschreiben müssen. Dann sei er in Untersuchungshaft gekommen, „169 Tage lang“, und auch da sei es ihm nicht gut gegangen, sagt er.

Ein Suchender, kein Täter

Bei seiner Erklärung spricht K. auch von Falschaussagen ihm und seiner Frau gegenüber. Von Komplott. Von Bedrohungen. K. zittert zeitweise sehr während seiner Darlegungen, manchmal stockt ihm scheinbar der Atem.

Seine Erklärungen passen nicht zu den Vorwürfen, die zur Anklage geführt haben. So scheint es auch der Richter zu sehen. Jedenfalls hakt dieser nach. Richtig schlau wird man aus K. nicht. Er windet sich. Er sei ein Suchender gewesen, habe den „wahren Islam“ finden wollen und sich auch über islamistische Tendenzen ausgetauscht. Ja, eine gewisse Zeit sei er auf verschiedene Auswüchse der Ideologie hereingefallen, sich aber schnell davon distanziert. Wenn er Erklärungen dazu gibt, wenn er aus seiner Sicht relevante Einwände machen kann, dann hebt sich sein Kopf, seine Stimme wird fester und zittern tut er dann überhaupt nicht mehr.

Dass er geschrieben und verbreitet hat, dass es nur zwei Wege gebe, entweder durch das Schwert zu sterben oder zum Islam zu konvertieren, verunsichert ihn nicht. Er gibt sogar vor, froh zu sein, dass der Richter dieses Beispiel erwähnt. Denn der Satz stamme ja nicht von ihm K., sondern von einem Weggefährten des Propheten Mohamed. Dass diese Worte von anderen falsch aufgefasst werden und eventuell zu Gewalttaten führen könnten, scheint der Angeklagte nicht so zu sehen.

K. bleibt dabei, dass er sich nur habe informieren wollen, es seien die anderen, die rekrutieren und fürs Kalifat und den „Heiligen Krieg“ hätten werben würden. Er sagt auch, dass vieles, was ihm nachgesagt werde, aus dem Kontext gerissen sei. Der Richter solle sich doch alles ansehen, dann würde er verstehen.

So wie K. und seine Ehefrau A. sich äußern, scheint es fast, als ob sie sich der Tragweite ihrer Internetaktivitäten nicht bewusst waren. Die Ermittler scheinen daran gewisse Zweifel zu haben. Sie stützen sich dabei auf das, was sie auf dem Computer des Beschuldigten gefunden haben. Auch Sätze, die von einem merkwürdigen Rechtsbewusstsein zeugen: So habe K. geschrieben, dass man Richtern nichts glauben, ihnen nicht zuhören dürfe, nur Allah alleine könne richten.

Die Ermittler zeigen auch, wie K. versucht habe, Menschen für seinen Weg zu gewinnen: Einer Frau habe er geschrieben, „wenn du Muslimin sein möchtest, dann musst du die Bedingungen erfüllen“. Er habe auch geschrieben, dass er lieber im islamischen Staat leben möchte als dort, wo er seinen Glauben nicht leben könne.

Der Prozess wird heute fortgeführt.