UngarnMit geeinten Kräften hofft die Opposition, den Machtwechsel zu erzwingen

Ungarn / Mit geeinten Kräften hofft die Opposition, den Machtwechsel zu erzwingen
In Budapest beteiligen sich viele Menschen an der Vorwahl der Opposition Foto: AFP/Attila Kisbenedek

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Überschattet von merkwürdigen Cyberattacken sind in Ungarn die Vorwahlen der Opposition angelaufen. Mit der Bündelung ihrer Kräfte hofft sie, Premier Viktor Orban bei der Parlamentswahl im Frühjahr aus dem Sattel zu hebeln. Doch der Schulterschluss mit der rechtsnationalen Jobbik birgt auch Risiken.

Selbst eine zweitägige Zwangswahlpause nach einem mysteriösen Cyberangriff kann die Aufbruchstimmung in den Reihen von Ungarns Opposition kaum trüben. Einen unerwartet starken Andrang vermeldet sie bei ihren am Wochenende angelaufenen Vorwahlen. Von der sozialistischen MSZP bis hin zu der rechtsnationalen Jobbik reicht das wenig homogene Sechsparteien-Bündnis, das Dauerregent Viktor Orban mithilfe gemeinsamer Kandidaten bei der Parlamentswahl im Frühjahr aus dem Sattel hebeln will.

Für den neuen Typ von Oppositionswähler sei rechts oder links nicht mehr wichtig, beteuert die von der linksliberalen DK als Premier-Kandidatin nominierte Europaabgeordnete Klara Dobrev: „Wichtig ist es, Demokrat zu sein.“ Die Opposition habe sich geeint, „weil unsere Sache alle Unterschiede aufhebt“, so Gergely Karacsony, der von zwei grünen Parteien und der MSZP als Premierkandidat nominierte Bürgermeister von Budapest.

Tatsächlich ist es das nach Maß von Orbans regierender Fidesz-Partei geschneiderte Wahlrecht, das Ungarns Opposition auf die Bündelung ihrer Kräfte setzen lässt. Über die Hälfte der 199 Parlamentssitze werden per Mehrheitswahlrecht vergeben. Die Kandidaten, die in den 106 Wahlkreisen die meisten Stimmen einfahren, ziehen direkt ins Parlament ein. Nur die restlichen 93 Sitze werden proportional nach dem Wahlergebnis der Parteien verteilt. Obwohl Fidesz 2014 und 2018 weniger als die Hälfte der Stimmen einfuhr, konnte sich Orbans Regierungspartei so eine Zweidrittelmehrheit sichern.

Um die Zersplitterung ihrer Stimmen zu verhindern, hatte die Opposition bei den Kommunalwahlen 2019 erstmals auf gemeinsame Kandidaten gesetzt – und die Budapester Bürgermeisterwahl überraschend gewonnen. Auf einen ähnlichen Erfolg hofft sie bei der Parlamentswahl. Für jeden Wahlkreis wird in der ersten Runde der Vorwahl der aussichtsreichste Kandidat bestimmt. Unter den drei Premieranwärtern mit den meisten Stimmen wird im zweiten Wahlgang im Oktober der gemeinsame Gegenkandidat zu Platzhirsch Orban gekürt: Die besten Aussichten hat neben Karacsony und Dobrev Jobbik-Chef Peter Jakab.

Schulterschluss mit Jobbik birgt Risiken

Die Prognosen sagen für die Parlamentswahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Fidesz und der geeinten Opposition voraus. Doch der Schulterschluss mit Jobbik birgt auch Risiken: Der Partei haftet nicht nur international, sondern auch im eigenen Land noch immer ihr rechtsextremes Image der Vergangenheit an.

Mit wüsten Ausfällen gegen Juden und Roma sowie den berüchtigten Aufmärschen der „Ungarischen Garde“ hatte Jobbik jahrelang für zweifelhafte Schlagzeilen gesorgt. Seit fünf Jahren schlägt Jobbik zwar gemäßigtere Töne an, doch stößt die Partei in linksliberalen Wählerkreisen noch stets auf Skepsis.

Bei der Parlamentswahl soll Jobbik vor allem auf dem Land, wo Fidesz am stärksten ist, für die Opposition entscheidende Mandate erobern. Doch falls Jobbik-Chef Jakab die Vorwahlkür zum Spitzenkandidat für sich entscheidet, könnte das auch wahlentmutigend wirken: Nicht alle Oppositionsanhänger können sich mit der Idee eines Jobbik-Premiers wirklich anfreunden.