EschMarktleute verdienen wegen Standortwechsel weniger: „Die aus dem Rathaus sprechen nicht mit uns“

Esch / Marktleute verdienen wegen Standortwechsel weniger: „Die aus dem Rathaus sprechen nicht mit uns“
50 Prozent Einbußen gibt es laut den Marktleuten im Ausweichquartier auf dem Brillplatz  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Seit 150 Jahren gibt es den Escher Wochenmarkt. Zuletzt musste er immer öfter von seinem angestammten Platz vor dem Rathaus umziehen, was weder Marktleute noch die Kunden freut. Am Donnerstagabend war der Markt Thema der Gemeinderatssitzung. Das Tageblatt hat sich am Freitag auf ihm umgesehen und mit den Marktleuten gesprochen. Fazit: Sie fühlen sich von der Escher Gemeindepolitik im Stich gelassen und müssen durch das permanente Ausweichen auf den Brillplatz finanzielle Einbußen in der Größenordnung von 50 Prozent hinnehmen. 

Freitagmorgen, 9.00 Uhr: Der Escher Brillplatz ist mehr oder weniger menschenleer. Das liegt einerseits am schlechten Wetter, andererseits aber auch daran, dass die Kunden das Ausweichquartier des Wochenmarkts am Brill meiden. „Ich bin heute nur hier, weil ich frischen Spargel wollte. Ich komme ungern zum Markt am Brillplatz. Die Stimmung ist eine andere als auf dem Rathausplatz, wo alle Stände kompakt an einer Stelle sind. Außerdem musste ich gestern meine in Esch wohnende Schwägerin anrufen, um mich zu erkunden, wo der Markt heute überhaupt stattfindet“, sagt eine ältere Dame aus Schifflingen. Also hat sie den Bus genommen, und nicht wie sonst den Zug, um zum Rathausplatz zu kommen, wo der Markt normalerweise stattfindet. Normalerweise ist vielleicht nicht das richtige Wort, denn die Escher LSAP hat genau nachgerechnet und herausgefunden, dass der Markt 25 Prozent der Zeit ausweichen muss, da auf seinem angestammten Platz vor dem Rathaus Veranstaltungen stattfinden (momentan die „Päischtkiermes“).  

Und das in einer Motion festgehalten, die dem Gemeinderat am Donnerstag durch Liz Braz vorgelegt wurde. Sie wurde allerdings erst von den Mehrheitsparteien unterstützt, nachdem die ersten drei Passagen auf Initiative des zuständigen Schöffen Pim Knaff (DP) gestrichen worden waren, was Marc Baum („déi Lénk“) als „Schönfärberei“ und Liz Braz als „Korinthenkackerei“ bezeichnete. Darin hieß es, dass eine allgemeine Unzufriedenheit über Attraktivität, Kommunikation und Koordination des Marktes herrsche, dass der Markt zu 25 Prozent nicht an seinem üblichen Platz stattfindet und dass die Kommunikation über den Umzug unglücklich bis gar nicht stattfindet.  

50 Prozent weniger in der Kasse

Faramarz Saadati
Faramarz Saadati Foto: Editpress/Julien Garroy

Dass die politisch Verantwortlichen das so nicht in einer Motion stehen haben wollten, versteht man spätestens dann, wenn man mit den Marktleuten spricht. Denn die kritisierten am Freitagmorgen im Gespräch mit dem Tageblatt genau diese Punkte und ließen dabei ihrem Frust freien Lauf: „Wir wollen mit mehr Respekt behandelt werden“, sagt Margarida Dias von „Gold Fruit“. Seit 30 Jahren ist sie auf Wochenmärkten unterwegs. In Esch sei die Standgebühr am teuersten, trotzdem müsse man ständig ausweichen, viel mehr als früher. Was finanzielle Einbußen bedeutet. „Trotz allem kommt man uns nicht entgegen. Die im Rathaus interessieren sich nicht für uns“, sagt Dias, „die älteren Kunden kommen nicht zum Brillplatz. Der ist schwerer erreichbar und der Rathausplatz weit weg. Der autonome Bus fährt außerdem erst ab 11.00 Uhr.“ 

Am Stand von Faramarz Saadati, der bereits 35 Jahre seine mediterranen Spezialitäten in Esch verkauft, ist an diesem Morgen wenig los. „Wir kommen aus Trier nach Esch und der ganze Aufwand bringt uns ein Minus ein. Wir Marktleute leben hiervon. Wenn wir nichts verkaufen, dann verlieren wir Geld. Wenn ich am Rathausplatz 600 Euro einnehme, dann sind es hier 200 bis 220 Euro. Dazu kommt, dass wir am Brillplatz keine festen Plätze haben, ständig stehe ich woanders.“ An diesem Freitag ist das in der Alzettestraße vor dem Theater. Saadatis Hauptsaison geht von Frühjahr bis Sommer. „Da ist das Wetter gut und die Menschen haben Lust auf meine Mittelmeer-Produkte. Ausgerechnet in dieser Zeit müssen wir aber am meisten ausweichen. Wissen Sie, wenn ein Geschäft umzieht, dann büßt es auch Kunden ein, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier.“  

„De Kéisplateau“: Romain Roef und Stefanie Koehl sowie ihr Neffe Tom
„De Kéisplateau“: Romain Roef und Stefanie Koehl sowie ihr Neffe Tom Foto: Editpress/Julien Garroy

Saadatis Worte bestätigen Romain Roef und Stefanie Koehl von „de Kéisplateau“. „Wir haben hier am Ende des Tages rund 50 Prozent weniger in der Kasse als auf dem Rathausplatz“, sagt Romain Roef. „Die Leute gehen prinzipiell gerne auf den Markt, denn sie schätzen die Qualität und die Beratung. Wenn wir ein paarmal im Jahr umziehen müssen, ist das kein Problem. Aber nicht andauernd. Früher wurde bis Freitagnachmittag gewartet, um etwas für eine Veranstaltung auf dem Rathausplatz aufzubauen. Heute ist das anders. In Düdelingen zum Beispiel sind wir immer auf dem Marktplatz, mit nur einer Ausnahme, nämlich wenn Weihnachtsmarkt ist. Die Leute wissen das und deshalb ist in Düdelingen am Markttag auch immer etwas los.“ In Esch dagegen mangele es an der Kommunikation, auch die Kunden wüssten nicht Bescheid, wo der Markt ist.   

„Sprechen nicht mit uns“

Seine Frau Stefanie Koehl berichtet zudem, dass am Standort ihres Wagens in der Brillstraße permanenter Durchgangsverkehr herrscht, genau wie bei Faramarz Saadati in der Alzettestraße. Da kommen die Lieferwagen für die Geschäfte vorbei, außerdem musste sie gegen 9.00 Uhr ihre Ladentheke kurzzeitig schließen und das Vordach zuklappen, da die städtische Müllabfuhr sonst nicht am Wagen vorbeigekommen wäre. „Die Kunden kommen gerne recht früh, und da herrscht hier ziemliches Chaos. Warum kann die Müllabfuhr an Markttagen nicht früher vorbeikommen?“, fragt Romain Roef. Um hinzuzufügen: „Nichts gegen die Gemeindearbeiter, die uns hier anweisen. Aber die aus dem Rathaus sprechen nicht mit uns.“ Dass die Verantwortlichen ihre Bedenken ernst nehmen und sich für das Thema interessieren, wie Pim Knaff das am Donnerstagabend im Gemeinderat unterstrich, diesen Eindruck haben die Marktleute nicht.

Vielleicht kommt nach der Sitzung des Gemeinderats Bewegung ins Dossier. Immerhin wurde dort über alternative Standorte wie die place des Ramparts gesprochen. Darüber kann Roef nur müde lächeln. „Das war schon mal im Gespräch. Da sagte die Gemeinde, es wäre nicht genügend Platz. Außerdem ist die Busanbindung wesentlich schlechter als auf dem Rathausplatz und die älteren Kunden werden Probleme haben, dort raufzukommen. Die Helen-Buchholtz-Straße eignet sich auch nicht wirklich, da ist ein Gefälle drin.“  

In diesem Jahr feiert der Escher Wochenmarkt 150. Geburtstag. Er wurde durch ein Dekret im Jahr 1874 ins Leben gerufen. Dienstags besteht er momentan aus zwölf Ständen, freitags aus 15 Ständen. Ob das auch in den nächsten 150 Jahren der Fall sein wird, müssen die politisch Verantwortlichen entscheiden, so Faramarz Saadati: „Weiter wie bisher ist dabei keine Option.“ 

Recht unübersichtlich ging es am Freitagmorgen in der Alzettestraße zu
Recht unübersichtlich ging es am Freitagmorgen in der Alzettestraße zu Foto: Editpress/Julien Garroy
Bpat
27. Mai 2024 - 0.34

Dat d'Plaz vum Maart gewiesselt gëtt ass näicht Neises . Dat ass scho opmannst 20 Joer esou . Just komesch dat demTageblatt dat elo eréicht opfällt

Grober J-P.
25. Mai 2024 - 11.52

„Die aus dem Rathaus sprechen nicht mit uns“ Das ist in vielen Rathäusern so, bei uns auch! Ihr müsst Gebärdensprache lernen, dann funktioniert es.