Momentan auf der ISSLuxemburger Firma gelingt Durchbruch bei Glasfaserproduktion im Weltall

Momentan auf der ISS / Luxemburger Firma gelingt Durchbruch bei Glasfaserproduktion im Weltall
Momentan das Herzstück der Firma aus Wecker: Der Kontrollraum mit der direkten Verbindung nach Houston und den Bildern von der Weltraumstation ISS. Auf dem Hauptmonitor tauscht die Astronautin Loral O’Hara gerade die Spule mit der aufgewickelten Glasfaser aus.  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Eine Firma aus Luxemburg bricht momentan auf der internationalen Weltraumstation ISS alle Rekorde. Ihr könnte ein Durchbruch in der Glasfasertechnik gelungen sein. Auf der ISS produzierte Flawless Photonics in den letzten beiden Wochen über zehn Kilometer des sogenannten ZBLAN, das in Zukunft die Datenübermittlung und Lasertechnologie revolutionieren könnte. Die bisherige Bestmarke lag bei 25 Metern. Das Tageblatt hat sich in der Firma in Wecker umgesehen.  

Es sind die aufregendsten Arbeitswochen im bisherigen Berufsleben von Hubert Moser und seinen zwölf Mitarbeitern. Seit ihrer Niederlassung in Wecker vor zweieinhalb Jahren haben sie auf diesen Moment hingearbeitet. Moser leitet die Firma Flawless Photonics S.à r.l, die luxemburgische Tochter eines internationalen Start-up-Unternehmens mit Hauptsitz im kalifornischen Silicon Valley, das viele seiner Aktivitäten wegen der staatlichen Förderung der Weltraumaktivitäten nach Luxemburg verlegt hat. 

Der Sitz der Firma in Wecker versprüht den Charme einer Industriehalle. Es hängen große Flaggen der Länder an der Wand, in denen Flawless aktiv ist. Bei genauerem Hinsehen sieht man auch Bilder aus dem Weltall. Die lassen dann doch darauf schließen, dass hier gerade Spektakuläres geschieht. Besser gesagt geschehen ist, denn die zwölf Ingenieure und ein Chemiker haben zweieinhalb Jahre lang an der Entwicklung eines Prototyps gearbeitet, der momentan auf der ISS Rekorde bricht und der Firma zu einem Durchbruch in der Produktion von Glasfasertechnik verhelfen könnte. 

Der Kontrollraum in Wecker

Eine ganze Reihe von Unternehmen versuchte sich in den vergangenen Jahren in der Produktion des ZBLAN. Eine Glasfaser, die wesentlich leistungsstärker ist als die herkömmliche Faser, die momentan zur Datenübertragung genutzt wird. In einem Glasfaserkabel werden Lichtwellenleiter gebündelt, die Übertragung erfolgt durch optische Lichtsignale. Während das Signal bei den aktuellen Glasfasern alle 40 bis 50 Kilometer durch eine Station verstärkt werden muss, ist das beim ZBLAN lediglich alle 500 bis 5.000 Kilometer nötig. Durch das immer größer werdende Datenvolumen ist die Verstärkung des Signals inzwischen zu einem erheblichen Energiefaktor geworden, der für eins bis 1,5 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich ist. Der Vorteil des ZBLAN und vor allem sein kommerzielles Potenzial lässt sich also leicht erahnen. 

Flawless-Gründer „extrem stolz“

Robert Loughan gründete Flawless Photonics Inc. 2017 als Start-up-Unternehmen im Silicon Valley in Kalifornien. Die Firma hat inzwischen Zweigstellen in Luxemburg und Australien. Dass man sich das Großherzogtum als Standort ausgesucht hat, liegt an der staatlichen Förderung der Weltraumaktivitäten. „Ich bin extrem stolz auf unser Weltklasse-Team. Sie haben Flawless Photonics zur ersten Firma gemacht, die nachgewiesen hat, dass kommerziell skalierbare Produktion im Weltraum möglich ist“, so Robert Loughan in einer Reaktion gegenüber dem Tageblatt. „Ohne die Unterstützung von LSA (Luxembourg Space Agency, Anm. d. Red.) und ESA (European Space Agency, Anm. d. Red.) wäre dieses historische Ereignis nie möglich gewesen“, gab der Chef auch gleich den Dank weiter. Die ESA funktioniert mit einem Dreijahresbudget von 16,9 Milliarden Euro, an denen sich Luxemburg mit 127 Millionen beteiligt. Insgesamt investiert das Großherzogtum 250 Millionen Euro in fünf Jahren in die Weltraumbranche. 

Das Problem allerdings ist, dass die Produktion von ZBLAN äußerst kompliziert ist. Die Glasfaser muss extrem schnell heruntergekühlt werden, damit sich keine Kristalle bilden, die die Datenübertragung stören. In den 1990er Jahren fand die NASA heraus, dass die Bedingungen hierfür in der Schwerelosigkeit ideal sind. Also finden seit einiger Zeit schon Versuche zur Produktion von ZBLAN im Weltall, genauer gesagt auf der internationalen Raumstation ISS, statt. Und genau hier hat Flawless Photonics seine Konkurrenten nun um Längen geschlagen. Lag der Rekord bisher bei einem Einzelstück von 25 Metern Länge, konnte die Firma aus Wecker bereits insgesamt über zehn Kilometer herstellen. „Wir haben neue Maßstäbe gesetzt“, sagt Chef Hubert Moser nicht ohne Stolz, „unser längstes Einzelstück ist 1.140 Meter lang.“

Fünf Konkurrenzfirmen haben sich bereits auf der Weltraumstation in der Produktion von ZBLAN versucht, erst bei Flawless konnte der Durchbruch erzielt werden. „Der entscheidende Unterschied ist, dass die Astronauten im Produktionsprozess nicht einschreiten brauchen, da dieser komplett automatisiert ist und von Wecker aus gesteuert wird. Reißt zum Beispiel eine Faser, können wir den Prozess von hier aus neu starten. Das Problem mit der ISS ist die Kommunikation. Die kann auch schon mal eine Stunde ausfallen. Wenn man da auf einen Dialog mit den Astronauten angewiesen ist, wird es schwierig“, erklärt Hubert Moser.  

Astronautin Loral O’Hara posiert vor der Maschine zur Glasfaserprodution 
Astronautin Loral O’Hara posiert vor der Maschine zur Glasfaserprodution  Foto: NASA/Flawless Photonics

Dazu hat man in Wecker einen eigenen Kontrollraum eingerichtet, momentan ist das das Herzstück der Firma. Hier sind die Bildschirme mit den Live-Bildern von der ISS installiert, während des rund einstündigen ZBLAN-Produktionsprozesses muss der Kontrollraum mit drei Mitarbeitern besetzt sein, das verlangt die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA, die das Oberkommando über die ISS hat. Die Flawless-Ingenieure müssen sich minutiös an das Protokoll aus Houston halten, sie dürfen sich keine Aussetzer erlauben. Auch sprechen sie nicht direkt mit den Astronauten, die in der Raumstation 400 km über der Erde arbeiten, sondern „lediglich“ mit der Kommandozentrale in Texas, die das Gesagte dann an die ISS weitergibt. Anlass zu Diskussionen gab es seit dem Auftakt der Produktion am 6. Februar nicht, lief bisher doch alles reibungslos. Am 31. Januar war die Maschine zur Glasfaserproduktion mit den dazugehörigen Spulen und den ca. 10 cm langen Glasfaser-Rohlingen mit der SpaceX-Trägerrakete ins All geschossen worden. Mitte April geht es mit der Dragon-Kapsel zurück Richtung Erde, zusammen mit 20 kleinen Kisten, in denen die 20 Spulen mit dem aufgewickelten ZBLAN untergebracht werden. Zusammengenommen werden die Kabel dann zwischen elf bis zwölf Kilometer lang sein. 

Mitte April wieder auf der Erde

Hubert Moser und sein Team können es kaum erwarten. Immerhin hat es zweieinhalb Jahre gebraucht, um so weit zu kommen. Erste Versuche startete man mit einem rund fünf Meter hohen Turm, der nach wie vor in der Halle steht. Die Anlagen zur Produktion von ZBLAN wurden anschließend immer kleiner und kompakter, ehe die ca. 50 mal 80 cm große Kiste fertig war, die momentan auf der ISS im Einsatz ist. Zu viel möchte man über ihr Innenleben nicht preisgeben, auch darf sie nur geschlossen fotografiert werden, um der Konkurrenz keine Einblicke zu erlauben. Es ist ein Konkurrenzkampf, in dem es um Millionen- und in der Zukunft vielleicht auch Milliardenbeträge geht. Wie viel die aktuelle Mission auf der ISS kostet, möchte man bei der Firma lieber nicht verraten, finanziert wird das Projekt von den Weltraumbehörden NASA und ESA und vor allem von der Luxembourg Space Agency (LSA) im Rahmen des nationalen Weltraumprogramms LuxIMPULSE. Auch bei der LSA hält man sich in Sachen Kosten bedeckt, von einem zweistelligen Millionenbetrag kann man jedoch für die Mission ausgehen. 

Nun sieht es aus, als ob sich jeder investierte Cent lohne. Mit den kürzeren Fasern können jetzt schon effizientere Laser für verschiedenste Anwendungen in der Kommunikation, Materialbearbeitung und der Medizin hergestellt werden. Das große Ziel ist es, Untersee-Glasfaser- durch ZBLAN-Kabel der Firma Flawless zu ersetzen. „Ich denke, das ist in einem Zeitfenster von ein paar Jahren machbar“, sagt Hubert Moser. „Es haben schon erste Telekommunikations-Anbieter Interesse bekundet, aber es wird noch ein wenig dauern, bis wir vollends etabliert sind.“ Zuerst einmal warten er und seine Mitstreiter auf das im Weltall produzierte Material. Der nächste Schritt ist die genaue Untersuchung. U.a. wird die Stärke und optische Eigenschaft der Faser bestimmt.

Sie machten den Rekord auf der ISS möglich: die Mitarbeiter von „Flawless Photonics“ aus Wecker
Sie machten den Rekord auf der ISS möglich: die Mitarbeiter von „Flawless Photonics“ aus Wecker Foto: Flawless Photonics

Die internationale Weltraumstation ISS

Die ISS (International Space Station) ist seit 25 Jahren im Orbit und dort der größte Satellit (Maße: 109 m × 51 m × 73 m bei rechtwinklig ausgerichteten Solarmodulen. Gesamtmasse: ca. 450 Tonnen). Seit 1998 wird die ISS in Kooperation von 16 Staaten beziehungsweise fünf Raumfahrtagenturen betrieben. Sie ist seit November 2000 dauerhaft durch Astronauten bewohnt. Die Raumstation kreist in rund 400 km Höhe und braucht etwa 93 Minuten, um die Erde einmal zu umrunden. Sie ist das teuerste nicht-militärische Projekt der Menschheit. Laut dem Online-Portal The Space Review beliefen sich die Gesamtkosten bis 2010 auf 150 Milliarden US-Dollar. Die ESA hielt 2005 fest, dass die Raumstation bis dahin etwa 100 Milliarden Euro kostete, wovon die ESA-Länder acht Milliarden beisteuerten.