RadsportLeopard-Fahrer Heiderscheid überrascht alle und ist neuer Landesmeister

Radsport / Leopard-Fahrer Heiderscheid überrascht alle und ist neuer Landesmeister
Colin Heiderscheid konnte sein Glück im Ziel kaum fassen Fotos: Anouk Flesch/Tageblatt

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Colin Heiderscheid heißt der neue luxemburgische Landesmeister. Am Sonntag setzte sich der Leopard-Fahrer nach 140 Kilometern rund um Nospelt im Straßenrennen durch. Aus einer Ausreißergruppe heraus gelang dem 24-Jährigen der Sieg – damit tritt er nun die Nachfolge von Kevin Geniets an, der 13. wurde. 

Bei leichtem Nieselregen zog sich Colin Heiderscheid (UC Dippach/Leopard) am Sonntagabend um 17.58 Uhr das Trikot des Landesmeisters über. So richtig konnte es der 24-Jährige immer noch nicht glauben, dass er eine halbe Stunde zuvor als Erster über den Zielstrich gefahren war. „Hätte mir das jemand vorher gesagt, hätte ich gesagt, dass das wohl nicht der Fall sein würde“, schmunzelte Heiderscheid. „Wir haben erst drei Runden vor Schluss dran geglaubt, dass wir wirklich durchkommen könnten.“ 

Heiderscheid hatte sich zu Beginn des Rennens mit fünf anderen Fahrern abgesetzt. Neben dem Leopard-Fahrer fuhren Alexandre Kess (Geofco Doltcini), Rik Karier (Velo Woolz), Jo Schmitz (CT Atertdaul), Noé Ury (CT Aterdaul/Dauner) und Ken Conter (Snooze) vorne weg. Der Vorsprung vergrößerte sich in den ersten von insgesamt zehn zu befahrenen Runden auf maximal 5:30 Minuten. 

Im Peloton machten die Fahrer der großen Teams Tempoarbeit 
Im Peloton machten die Fahrer der großen Teams Tempoarbeit 

Jungels nicht am Start

Im Peloton machten die Profis Kevin Geniets (Groupama-FDJ/LP 07 Schifflingen), Alex Kirsch (Trek-Segafredo) oder aber die Brüder Luc und Tom Wirtgen (Bingoal Pauwels Sauces WB/CT Kayldall) das Tempo. Nicht dabei war Bob Jungels (Ag2r-Citroën/UC Dippach). Etwa zwei Stunden vor dem Start des Elite-Rennens teilte Ag2r-Citroën mit, dass Jungels nicht am Rennen teilnehmen würde. „Bob Jungels, souffrant de douleurs digestives avec une impossibilité de s’alimenter au réveil, ne prendra pas le départ de la course en ligne des championnats du Luxembourg ce dimanche, en accord avec le service médical de l’équipe Ag2r-Citroën“, hieß es in einer Pressemitteilung der französischen Mannschaft. Vor seinem Start bei der Tour de France am kommenden Freitag konnte sich Jungels also „nur“ über den Titel im Zeitfahren freuen, den er am Freitag feierte.

Die sechsköpfige Spitzengruppe arbeitete am Sonntag harmonisch. Auch, als dann das Gefühl in der Gruppe herumging, dass man vielleicht bis ins Ziel fahren könnte. „Jeder wusste: Entweder wir fahren auf Tempo zu sechst oder keiner wird es schaffen“, sagte Heiderscheid. Als es in die letzte Runde ging, hatte die Gruppe, aus der nun Karier und Schmitz herausgefallen waren, 1:40 Minute Vorsprung auf das Hauptfeld – nun realisierten auch die anwesenden Zuschauer, dass es auf einen Ausreißersieg hinauslaufen würde. 

Zwar fuhr man im Peloton weiter hohes Tempo, doch die Ausreißer sollten nicht mehr eingeholt werden. Heiderscheid setzte sich im Sprint vor Ury durch, Kess fuhr mit sechs Sekunden Rückstand als Dritter über den Zielstrich. „Ich habe erst an diesen Sieg geglaubt, als es auf die Zielgerade ging“, sagte Heiderscheid. „Auf einer Runde kann ein Vorsprung von eineinhalb Minuten durchaus schmelzen.“ 

Conter siegt bei der Elite ohne Vertrag

Heiderscheid, der vom Fahrertyp her Sprinter ist, durfte dann in Nospelt jubeln. „Ich habe meinen Sprint-Fähigkeiten nicht wirklich vertraut, weil ich im letzten Berg Krämpfe bekam. Ich habe einfach nur gehofft, dass ich schneller sein würde.“ Der Zweitplatzierte Ury, der seit diesem Jahr für das Team Dauner – Akkon fährt, zeigte sich aber keineswegs enttäuscht. „Das hier ist schon mega überraschend“, sagte der 18-Jährige. „Ich bin sehr zufrieden. Mein Ziel war für dieses Rennen lediglich, ein paar UCI-Punkte mitzunehmen. Jetzt sind es doch viel mehr als gedacht geworden.“ Ury geht nun mit einer großen Portion Selbstvertrauen in die U23-Landesmeisterschaft, die am kommenden Sonntag in Diekirch stattfindet. „Ich freue mich, es wird meine erste U23-Meisterschaft. Das Rennen hier zeigt, dass die Form auf jeden Fall stimmt.“ 

Gute Freunde: Michel Ries (links) und Colin Heiderscheid
Gute Freunde: Michel Ries (links) und Colin Heiderscheid

Während Kess also das Podium komplettierte, fuhr Conter mit 15 Sekunden Rückstand auf den vierten Platz – konnte sich damit aber über den Titel der Elite ohne Vertrag freuen. „Für mich ist dieser Tag sehr gut gelaufen“, sagte der 23-Jährige, der in der letzten Runde kontrolliert fuhr. „Ich wusste, dass ich in der Gruppe der einzige Fahrer ohne Vertrag war. Ich habe meinen Titel also absichern wollen. Was vorne passiert, war mir egal. Ich bin mit Kopf gefahren.“ 

Kevin Geniets hat sein Landesmeister-Trikot nach zwei Siegen somit verloren. Der WorldTour-Profi von Groupama-FDJ, der am kommenden Freitag bei der Tour starten wird, fuhr mit 56 Sekunden als 13. über den Zielstrich. „Ich habe die letzten zwei Jahre im Landesmeister-Trikot wirklich profitiert“, sagte Geniets. „Heute (Sonntag) habe ich alles versucht, aber es war nicht mehr drin. Meine Beine sind sehr gut. Leopard ist sehr clever gefahren, sie haben es uns sehr kompliziert gemacht.“ Der 25-Jährige hätte sich im Peloton etwas mehr Unterstützung erhofft. „Wir fuhren hinten nur zu viert, kein anderer wollte fahren. Bob (Jungels) hätte uns sicherlich noch helfen können.“ Doch auch zu seinem Nachfolger fand Geniets lobende Worte: „Colin (Heiderscheid) arbeitet auch sehr hart. Ich freue mich für ihn und hoffe, dass es für die Zukunft Türen öffnen kann.“ 

Ein weiterer Profi, der sich enorm für Heiderscheid freute, war Michel Ries (Arkéa Samsic/UC Dippach), der Zehnter wurde: „Wir trainieren sehr viel gemeinsam, er ist einer meiner besten Kollegen. Ich freue mich schon, bald mit dem Landesmeister-Trikot zu trainieren. Ich gönne ihm den Titel sehr. Es war ein sehr offenes Rennen und es ist schön, einen überraschenden Gewinner zu sehen.“ 

Ergebnis

Straßenrennen-Landesmeisterschaft in Nospelt, Elite (58 Teilnehmer, 140 km):
1. Colin Heiderscheid (UC Dippach/Leopard) in 3:20:35 Stunden, 2. Noé Ury (Dauner/CT Atertdaul) gleiche Zeit, 3. Alexandre Kess (Geofco-Dolticini/CT Kayldall) 0:06 zurück, 4. Ken Conter (Snooze/1. Elite ohne Vertrag) 0:15, 5. Mats Wenzel (CT Atertdaul/Leopard) 0:35, 6. Ivan Centrone (Geofco-Doltcini/CCI Differdange) 0:35, 7. Alex Kirsch (Trek-Segafredo) 0:48, 8. Loïc Bettendorff (Riwal/CT Atertdaul) 0:48, 9. Tom Paquet (Nantes/UC Dippach) 0:49, 10. Michel Ries (Arkéa Samsic/UC Dippach) 0:50, 11. Larry Valvasori (VC Villefrance Beaujolais/2. Elite ohne Vertrag) 0:50, 12. Arthur Kluckers (Leopard/VC Schengen) 0:50, 13. Kevin Geniets (Groupama-FDJ/LP 07 Schifflingen) 0:56, 14. Tim Diederich (Snooze/3. Elite ohne Vertrag) 1:07

Im Überblick

Die Straßenrennen-Landemeister der anderen Länder (Auswahl):
Belgien:

Herren: Tim Merlier (Alpecin-Fenix)
Damen: Kim De Baat (Planutur-Pura)
Dänemark:
Herren: Alexander Kamp (Trek-Segafredo)
Damen: Cecilie Uttrup Ludwig (FDJ-Nouvelle Aquitaine-Futuroscope)
Deutschland:
Herren: Nils Politt (Bora-hansgrohe) 
Dame: Liane Lippert (DSM)
Frankreich:
Herren: Florian Sénéchal (Quick-Step Alpha Vinyl)
Damen: Audrey Cordon-Ragot (Trek-Segafredo)
Großbritannien:
Herren: Mark Cavendish (Quick-Step Alpha Vinyl)
Damen: Alice Towers (Le Col Wahoo)
Italien:
Herren: Filippo Zana (Bardiani CSF Faizanè)
Damen: Elisa Balsamo (Trek-Segafredo)
Niederlande:
Herren: Pascal Eenkhoorn (Jumbo-Visma)
Damen: Riejanne Markus (Jumbo-Visma)
Österreich:
Herren: Felix Großschartner (Bora-hansgrohe)
Damen: Christina Schweinberger (Plantur-Pura)
Portugal:
Herren: João Almeida (Quick-Step Alpha Vinyl)
Spanien:
Herren: Carlos Rodriguez (Ineos)
Schweiz: 
Herren: Robin Froidveaux (Tudor Pro)