ItalienLega-Politiker will Mussolini-Park

Italien / Lega-Politiker will Mussolini-Park
Italiens Premierminister Mario Draghi muss nicht nur politisch seine Viel-Parteien-Koalition zusammenhalten, nun muss er sich auch noch mit der postfaschistischen Erinnerungskultur eines Lega-Staatssekretärs herumschlagen Foto: AFP/Pool/Roberto Monaldo

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Claudio Durigon, Staatssekretär im italienischen Wirtschaftsministerium, will einen Park seiner Heimatstadt Latina nach Arnaldo Mussolini (rück)benennen lassen. Der Lega-Politiker will damit der Geschichte der Stadt treu bleiben. Der Mehr-Parteien-Regierung Mario Draghis droht eine Krise: die Koalitionspartner M5S und Pd fordern die Abberufung des Staatssekretärs. Lega-Chef Matteo Salvini stellt sich hinter seinen Parteikollegen.

Italienische Medien sprechen inzwischen von einem „Fall Durigon“. Der Lega-Staatssekretär hatte auf einer Parteiveranstaltung in Latina in Anwesenheit des Parteichefs gefordert, den erst 2017 nach den Antimafia-Richtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino benannten Bürgerpark umzubenennen. Es gehöre zur Geschichte der Stadt, so Durigon, dem Park wieder den ursprünglichen Namen „Arnaldo Mussolini“ zu geben. Der jüngere Bruder des in Italien immer noch „Duce“ genannten Diktators Benito Mussolini hatte als Journalist und Propagandist stets die Politik des Faschismus vertreten.

Latina, der Hauptort der Region Latium, war 1932 nach der Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe als faschistische Musterstadt gegründet worden. Der im Stadtzentrum angelegte Bürgerpark trug den Namen des im Dezember 1931 an einem Herzinfarkt verstorbenen Bruders Mussolinis. Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Latina von postfaschistischen oder rechtspopulistischen Stadtregierungen verwaltet. Erst eine 2016 über eine Bürgerliste gewählte Stadtadministration brach mit der faschistischen Tradition und benannte den im Zentrum Latinas gelegenen Park nach den Mafia-Jägern Falcone und Borsellino.

Durigon, der selbst dem rechten Flügel der Lega angehört, sieht in der Rückbenennung kein Problem. Anders sehen dies die Koalitionspartner der Mehrparteienregierung Mario Draghis. Die beiden früheren Regierungschefs Giuseppe Conte von der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Enrico Letta von der Demokratischen Partei (Pd) forderten den amtierenden Premier auf, sich von den Forderungen des Staatssekretärs zu distanzieren und diesen aus dem Amt zu entlassen. Auch der Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der Partisanen Italiens (Anpi), Gianfranco Pagliarulo, forderte den Rücktritt Durigons. Dieser trage mit seiner Forderung zur „Restaurierung faschistischen Gedankenguts“ bei und „distanziere sich von den Traditionen des Widerstands, auf denen unsere Demokratie beruht“, so der Anpi-Präsident. Zudem bedeute die Rückbenennung des „Falcone-und-Borsellinos-Parks“ eine Diskreditierung des jahrelangen Kampfes beider Juristen gegen die Verbrechen der Mafia. Dies sehen inzwischen auch mehr als 90.000 Italiener so: In einer Petition an den Premier fordern sie den Rücktritt Durigons.

Gegenangriff von Salvini

Keinen Handlungsbedarf sieht indessen Lega-Chef Matteo Salvini. Weder hatte sich der rechtspopulistische Politiker von Durigon distanziert, als dieser auf einer Kundgebung die Forderung nach Rückbenennung des Parks stellte, noch ist er willens, die jetzt losgetretene Regierungskrise beizulegen. „Ich halte Claudio Durigon für einen guten und fähigen Politiker auf dem Posten des Wirtschaftsstaatssekretärs“, erklärte der Lega-Chef. Sollte der Misstrauensantrag gegen Durigon von M5S und Pd, unterstützt von den italienischen Linken und einigen Abgeordneten der Forza Italia, im Parlament angenommen werden, so fordere er seinerseits den Rücktritt der Innenministerin Luciana Lamorgese. Die frühere Polizeichefin von Mailand habe in ihrer Aufgabe als Ministerin völlig versagt, so ihr Amtsvorgänger Salvini.

Die Affäre um den Wirtschaftsstaatssekretär ist längst keine partei- und koalitionspolitische Auseinandersetzung mehr. Landesweit protestieren Bürger gegen die Äußerungen des Lega-Politikers. Medien und soziale Netzwerke fordern dazu auf, Petitionen an Premier Draghi zu unterzeichnen, in denen der Rücktritt Claudio Durigons gefordert wird. Fraglich bleibt, ob die Unterschriftensammlungen zum Erfolg führen und der Premier noch vor der jetzt eintretenden Sommerpause des Parlaments eine Entscheidung treffen wird.