Wahlserie: EschLeerstand als zentrales Thema, Sicherheit hat nicht nur mit Kriminalität zu tun

Wahlserie: Esch / Leerstand als zentrales Thema, Sicherheit hat nicht nur mit Kriminalität zu tun
Wegen der Kirmes momentan am Brill-Platz: der Markt in Esch Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Von Nord bis Süd, von West bis Ost: Bis zu den Kommunalwahlen im Juni veröffentlicht das Tageblatt jede Woche einen Beitrag, in dem Menschen aus einer Gemeinde zu Wort kommen und sich zur Lokalpolitik der vergangenen sechs Jahre äußern. In Esch möchte man, dass sich an die Regeln gehalten wird. 

Pfingstdienstag, 10.30 Uhr auf dem Escher Markt, der wegen der Kirmes in seinem Exil am Rande des Brillplatzes aufgebaut ist. Das Wetter ist gut, die Sonne scheint und nach dem langen Wochenende sind recht viele Menschen unterwegs, um die nötigen Lebensmittel einzukaufen. Dass in weniger als zwei Wochen Gemeindewahlen sind, ist unschwer an den zahlreichen Plakaten rund um den Platz zu erkennen. An den Masten hängen in erster Linie die Kandidaten der LSAP, aber auch Bürgermeister Georges Mischo verspricht am Rande des Marktes „Een Esch fir eis all“.

Fetti Knoch und Christiane Fritsch
Fetti Knoch und Christiane Fritsch Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Das Brill-Viertel wird gemeinhin als heißes Viertel von Esch beschrieben. Im Gespräch mit dem Tageblatt wird aber deutlich, dass der Begriff der Sicherheit für die Menschen unterschiedliche Bedeutungen hat. Die allerwenigsten hier fühlen sich bedroht. Sie glauben nicht, dass die Kriminalität in ihrer Stadt zugenommen haben soll. „Wir fühlen uns hier sicher“, sagen Fetti Knoch (75) und Christiane Fritsch (70) unisono. Beide wohnen sie im Brill-Viertel, momentan spazieren sie durch die Alzettestraße. Was sie wirklich beschäftigt, ist der Leerstand hier. „Ich gehe nicht gerne auf den Belval. Das ist mir zu kompliziert“, sagt Fetti Knoch, „aber hier im Zentrum gibt es immer weniger“. Was sie sich außerdem wünschen? „Ein Geländer an den Rathaus-Treppen wäre zum Beispiel nicht schlecht“.       

Viel Bling-Bling

Christine (69) und ihr Mann Jean-Marie (70) thematisieren zur Sicherheit in erster Linie die Sicherheit von Fußgängern. In der Alzettestraße bedeutet das, dass trotz Verbot weiter Fahrräder und Roller unterwegs sind. Und außerhalb der Fußgängerzone würden die Tempo-30-Zonen nicht respektiert, auch vor ihrer Haustür nicht. Was sie anders machen würde, wäre sie Bürgermeisterin? „Dann würde ich schauen, diese Plätze sicherer zu machen und mich mehr um die Menschen kümmern“, so Christine, zu viele Menschen würden hier am Existenzminimum leben. Sie kritisiert offen, dass die aktuelle Mehrheit für die normalen Leute nicht viel gemacht hätte: „Die letzten sechs Jahre waren viel Bling-Bling, viel Augenwischerei hier in Esch“. 

Christine und Jean-Marie
Christine und Jean-Marie Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Ähnliches hatten zuvor Knoch und Fritsch erzählt. Das Kulturjahr sei ziemlich spurlos an ihnen vorbeigezogen, was wohl auch daran lag, dass nicht viele Veranstaltungen im Escher Zentrum stattgefunden hätten. Belval sei für sie ein Labyrinth, das schlecht zu erreichen sei, wiederholt Knoch. Ihr Lebensmittelpunkt dagegen befindet sich im Zentrum des „alten Esch“. Hier kennen sie sich aus, hier machen sie ihre Besorgungen. Auf den autonomen Bus verzichten sie, denn sie sind gut zu Fuß unterwegs.

Genau wie Guillaume Weber, der an diesem Morgen ebenfalls seine Einkäufe auf dem Markt erledigt hat. Weber ist in seinem 92. Lebensjahr und flott unterwegs. Er braucht den Bus nicht, trotzdem macht auch er sich Sorgen um das Escher Zentrum. „Als Bürgermeister würde ich schauen, dass wir neue Geschäfte nach Esch kriegen“, sagt Weber. Er selbst gehe abends nicht mehr vor die Tür, wegen der Sicherheit. Weber regt es auf, wenn sich die Menschen nicht an die Verbote halten, v.a. in der Alzettestraße mit den E-Rollern. „Die Schilder stehen da, aber trotzdem fahren sie durch.“          

Guillaume Weber
Guillaume Weber Foto: Editpress/Hervé Montaigu

In seinem Alter kann er die aktuelle Lage in Esch gut mit der Vergangenheit vergleichen. Auch wenn es sich wie ein immer wieder bemühtes Klischee anhört, so sagt er den Satz „früher war alles besser“ mit echter Überzeugung. Geht es nach Guillaume Weber, dann war der Mehrheitswechsel im Rathaus nur ein Intermezzo. „Ich hätte lieber die Sozialisten am Ruder“, sagt er zum Abschied, „das waren wir hier in Esch immer gewohnt“.

Sagt’s und verabschiedet sich in die Alzettestraße. Inzwischen ist auch eine Fußpatrouille der Polizei am Rande des Marktes angekommen. Die beiden Beamten halten einen E-Roller-Fahrer an. Der tut überrascht und bezeugt, vom Fahrverbot in der Fußgängerzone nichts gewusst zu haben. Nur schützt Unkenntnis des Gesetzes bekanntlich nicht vor Strafe, weshalb der Mann gebührenpflichtig von den Polizisten verwarnt wird.    

Zahlen und Fakten zur Gemeinde

Größe: 14,4 km²
Ortschaften: Esch/Alzette
Einwohneranzahl: 36.976 (Stand: 30.5.2023)
Wahlberechtigte: 15.867 – darunter 12.819 Menschen mit Luxemburger und 3.048 mit anderer Nationalität (Stand: 30.5.2023)
Aktueller Bürgermeister: Georges Mischo (CSV)
Zusammensetzung des Gemeinderats: Bürgermeister Georges Mischo (CSV), Schöffe Martin Kox („déi gréng“), Schöffe Pim Knaff (DP), Schöffe Christian Weis (CSV), Schöffe André Zwally (CSV) sowie die Gemeinderäte Laurent Biltgen („déi Lénk“), Stéphane Biwer (LSAP), Bruno Cavaleiro (CSV), Ben Funck (LSAP), Nelly Fratoni (LSAP), Mike Hansen (LSAP), Jacques Muller (CSV), Cathy Pastoret („déi gréng“), Joëlle Pizzaferri (LSAP), Mandy Ragni („déi gréng“), Daliah Scholl (DP), Catarina Simoes (CSV), Jean Tonnar (LSAP), Line Wies („déi Lénk“).