EditorialKulturelle Nachwehen in Esch

Editorial / Kulturelle Nachwehen in Esch
 Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Nachsitzen müssen die Escher Gemeinderäte am heutigen Donnerstag, wenn die in der vergangenen Woche aus Zeitgründen abgebrochene Sitzung fortgesetzt wird. Grund: Die Diskussion über die Kulturpolitik hatte gute zwei Stunden gedauert, ohne dass sich Mehrheitsparteien und Opposition in der Sache angenähert hätten. 

Dabei bewegte sich vor allem der Kulturschöffe Pim Knaff (DP) auf dünnem Eis, als er einen doch mehr als fragwürdigen Vergleich zog. Knaff verglich erschwingliche Kultur mit dem Preis von zwei Gin Tonics, was in einer Stadt mit dem höchsten Arbeitslosenanteil im ganzen Land mehr als nur grenzwertig ist. Zudem bezog er sich in seiner Rechnung auf die limitierten Early-Bird-Tickets und nicht auf die regulären Eintrittspreise für das in letzter Zeit aus unterschiedlichen Gründen stark kritisierte „Francofolies“-Festival. Auch der ständige Verweis auf vergangene Zeiten unter LSAP-Mehrheit sowie auf frühere Abstimmungen wirkte alles andere als überzeugend. Schließlich ist die Opposition im Gemeinderat seit den Wahlen im Juni 2023 (mit einer Ausnahme) runderneuert. Als dann auch noch herauskam, dass die Räte vor wenigen Wochen andere Bilanzzahlen vorgelegt bekamen, als die Mehrheit nun präsentierte, war das Dilemma perfekt.   

Die Diskussionen waren aufgekommen, als es um die Konvention der frEsch ASBL ging. Eine Vereinigung, die die für Esch2022 geschaffenen neuen Kulturhäuser verwaltet und vor allem die Großveranstaltungen wie eben jene „Francofolies“ organisiert. Besser gesagt organisieren lässt, denn die Konzepte sind im Ausland eingekauft und laufen so gut wie komplett an der lokalen Kunstszene oder der Vereins- und Geschäftswelt der Stadt vorbei. Was nutzt außerdem ein nachhaltiges Konzept wie das der „Francofolies“, wenn dafür ein Naherholungsgebiet vier Wochen lang nur beschränkt oder gar nicht mehr zu erreichen ist? Und was ist nachhaltig daran, wenn Tausende Tonnen Material mit Lkws in die grüne Lunge Eschs (ab)transportiert werden?   

Das neue Baby von frEsch ist eine Architektur-Biennale, die am vergangenen Wochenende mit Veranstaltungen nach dem Muster der „Nuit de la culture“ eröffnet wurde. Das hatte relativ wenig mit Architektur zu tun, dabei soll diese eigentlich bis zum 28. September im Mittelpunkt stehen. Immerhin, einige Escher Architekten sind in die Biennale involviert, hieß es am vergangenen Freitag im Gemeinderat vonseiten der Mehrheit. Die Architektur-Studenten oder -Professoren der Universität in Belval sind es jedenfalls nicht. Was schon ein wenig merkwürdig ist, leistet sich Esch doch immerhin einen Uni-Lehrstuhl für Stadterneuerung.

Wie auch immer, parallel zur Biennale-Eröffnung lief in gut einem Kilometer Luftlinie Entfernung ein kleines, aber feines Festival: Vor rund 1.000 Zuschauern traten beim „Culture Forest Festival“ ausschließlich Luxemburger Künstler auf, für das leibliche Wohl sorgten einheimische Foodtrucks und ein Escher Verein. Die Dekoration wurde von den Arbeitern der Beschäftigungsinitiative CIGL und von Menschen mit einem Handicap in der Coopérations-Werkstatt hergestellt. Dieses Festival war demnach wirklich nachhaltig. Und es ist nicht mit ein paar Gin Tonics aufzuwiegen. Denn der Eintritt kostete nur einen Bruchteil des Geldes, das man für ein „Francofolies“-Ticket auf den Tisch legen muss.