„Vëlosmanif“ in der Hauptstadt Klingeln für die Umverteilung: Bis zu 1.000 Teilnehmer bei Rad-Demo

„Vëlosmanif“ in der Hauptstadt  / Klingeln für die Umverteilung: Bis zu 1.000 Teilnehmer bei Rad-Demo
Samstag, 14.20 Uhr: Ein imposantes Peloton macht sich auf den Weg zur Demonstrationsfahrt quer durch die Hauptstadt  Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Bis zu 1.000 Radfahrer sollen es gewesen sein, die am Samstag an der „Vëlosmanif“ in Luxemburg-Stadt teilnahmen. Ein starkes Zeichen so ziemlich genau ein Jahr vor den Gemeindewahlen. 

Es war gegen 14:20 Uhr, als sich der Fahrrad-Korso an der „Gëlle Fra“ in Bewegung setzte, angeführt von den „Tamdems de la vue“ und begleitet von einer regelrechten Symphonie unterschiedlichster Klingeltöne. Im Jahr zuvor waren es noch 500 Radfahrer gewesen, die bei der „Cité Judiciaire“ gestartet waren. Im Vorfeld hatte es damals reichlich Zoff um den Streckenverlauf mit Hauptstadtbürgermeisterin Lydie Polfer gegeben. Was den Organisatoren von ProVelo durchaus in die Karten spielte, denn die Berichterstattung über die Kontroverse war eine willkommene Werbung für die Demonstration. Mit 500 Teilnehmern wurden alle bisherigen Rekorde folgerichtig gebrochen. 

ProVelo-Vizepräsident Philippe Herkrath
ProVelo-Vizepräsident Philippe Herkrath Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Der Teilnehmerrekord sollte allerdings nur ein Jahr Gültigkeit haben. „Es waren auf jeden Fall mehr als letztes Jahr. Die 600 haben wir mindestens erreicht. Genaueres werden wir später wissen“, sagte ProVelo-Vizepräsident Philippe Herkrath unmittelbar nach dem Ende der Demonstration dem Tageblatt. In der Tat hatte das Peloton eine beeindruckende Länge. Schätzungen gingen schnell von 800 bis 1.000 Teilnehmern aus. Die könnten es in Anbetracht der Bilder durchaus gewesen sein. Wie auch immer, der lange Tross setzte sich via rue Notre Dame in Richtung rue du Fossé in Bewegung. Der Streckenverlauf war bewusst so gewählt worden, denn am liebsten sähe man diese Straße exklusiv den Fußgängern und Fahrrädern vorbehalten. Zwei Deutsche Sportwagen standen in Höhe der Kathedrale Spalier, allerdings nicht als Teil der Demo, sondern einer Hochzeit. Ansonsten war der Weg auf der rund sechs Kilometer langen Strecke frei, zumal eine Polizeieskorte die Radler begleitete. 

Vorbei an staunenden Passanten ging es weiter in die rue des Bains und auf dem Boulevard Royal in Richtung Bahnhof, und zurück via Bonneweg und die Avenue de la Gare. Das Ganze bei einem gemütlichen Durchschnittstempo von etwa 10 km/h. Das lang gezogene Peloton war am Samstag wohl das meistfotografierte Motiv in der Hauptstadt.

Obwohl der eine oder andere Regenschauer vorhergesagt worden war, blieben die Radfahrer trocken. Die sommerlichen Temperaturen kurbelten nach der Ankunft wenig überraschend den vom LG Alzingen geführten Getränkeverkauf an der „Gëlle Fra“ mächtig an. Die „Vëlosmanif“ unter dem Motto „Safe cycling now!“ war erstmals in ein Fahrradfest eingebettet. Und das auf einem Platz, der ansonsten den Autos vorbehalten ist. Warum die „place de la Constitution“ als einer der schönsten Plätze der Hauptstadt mitsamt seines fantastischen Ausblicks im Jahr 2022 noch immer als oberirdischer Parkplatz fungiert, dafür haben nicht nur die Radfahrer wenig Verständnis.

Thema Polizeikontrollen

Festungsstadt-Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) hätte diese Frage sicher beantworten können, doch ward sie am Samstag im Pulk der Radfahrer nicht gesehen. Zum Auftakt der Veranstaltung hatte sich Verkehrsschöffe Patrick Goldschmidt (DP) vor Ort ein Bild gemacht, am Nachmittag jedoch war er verhindert. So wurde das Feld anderen überlassen, in erster Linie dem Ersten Schöffen der Stadt, Serge Wilmes (CSV). „Die Uhr bis zu den nächsten Wahlen tickt und wir werden genau hinsehen, was bis dahin passiert“, hatte ProVelo-Schatzmeister Matthias Geistor vor dem Start der Demonstration gesagt. Er ersetzte als Redner Präsidentin Monique Goldschmidt, die momentan eine dreimonatige Auszeit (mit ihrem Fahrrad) wahrnimmt.

Matthias Geistor
Matthias Geistor Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Und Geistor stand seiner Präsidentin in nichts nach. Kostproben: „Wir können nicht tolerieren, dass alle Straßen nur dafür da sind, Autos von A nach B zu bringen“. „Wir brauchen eine moderne und in die Zukunft gerichtete Politik, weil sonst das Verkehrssystem und die Lebensqualität in den Keller gehen“. „Mit dem nötigen politischen Willen ist auch kurzfristig viel möglich“. Und: „Die Polizei muss kurzfristig die Mittel bekommen, Kontrollen durchzuführen, um das Radfahren sicherer zu machen“. Damit spielte er auf die Polemik der letzten Tage an. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Sven Clement (Piraten) hatte Polizeiminister Henri Kox („déi gréng“) zugeben müssen, dass in den vergangenen sechs Monaten zwar 47 Radfahrer gebührenpflichtig verwarnt worden seien, aber kein Autofahrer wegen des Nichtrespektierens der 1,50-Meter-Abstandsregel beim Überholen von Fahrradfahrern bestraft worden sei. Das, weil die Kontrolle des Abstands schwierig sei. „Leider gibt es noch viele Politiker, die zwischen Fahrrad und Auto unterscheiden. Dabei sind sie gleichberechtigte Verkehrsmittel“, so Geistor, der eine bessere Aufteilung des öffentlichen Raums forderte. 

Ob die Forderung bei den Lokalpolitikern auf offene Ohren stößt, bleibt abzuwarten. Viele waren es nicht, die den Weg zur Fahrraddemo fanden. Diese Feststellung quittierte Philippe Herkrath mit einem Achselzucken: „Es ist uns lieber, sie zeigen uns durch Taten, wie ernst es ihnen mit der Fahrradpolitik ist, als dass sie hier ‚für die Galerie’ mitfahren.“