InterviewPräsident der Italienischen Handelskammer: „Italien und Luxemburg haben viele Gemeinsamkeiten“

Interview / Präsident der Italienischen Handelskammer: „Italien und Luxemburg haben viele Gemeinsamkeiten“
Fabio Morvilli im Gespräch: Morvilli ist Präsident und Gründungsmitglied der „Camera di Commercio Italo-Lussemburghese“, der Italienischen Handelskammer in Luxemburg Foto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

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Italien ist einer der wichtigsten Handelspartner Luxemburgs. Die Republik und das Großherzogtum verbindet eine lange, traditionsreiche Freundschaft, beide sind Gründungsmitglieder der Europäischen Gemeinschaft. Einen wesentlichen Anteil an den guten transalpinen Wirtschaftsbeziehungen hat die Italienisch-Luxemburgische Handelskammer (CCIL). Mit ihrem Präsidenten Fabio Morvilli sprach unser Korrespondent Wolf H. Wagner.

Es mag ein passender Zufall gewesen sein, dass der Interviewtermin mit Fabio Morvilli, dem Präsidenten der „Camera di Commercio Italo-Lussemburghese“ (Italienisch-Luxemburgische Handelskammer), auf den 2. Juni, dem Nationalfeiertag Italiens, fiel. Doch es war ein glücklicher Anlass, weil gerade zu diesen Tagen, da der Präsident der Region Emilia-Romagna, Stefano Bonaccini (Pd), zu Besuch in Luxemburg weilte und weitere Wirtschaftsabkommen zwischen seiner Region und dem Großherzogtum abschließen konnte.

Tageblatt: Signor Presidente, der Regionalpräsident der Emilia-Romagna ist kein unbekannter Gast in Luxemburg, welche besonderen Beziehungen gibt es zwischen beiden Gebieten?

Fabio Morvilli: Die Emilia-Romagna ist eine der wirtschaftsstärksten Regionen Italiens. Es gibt vielfältige Verbindungen zwischen der zentralitalienischen Region und Luxemburg. Die Emilia-Romagna ist ja nicht nur bekannt wegen ihres Parmaschinkens oder dem Parmigiano, dem Parmesankäse, ohne den ein gutes Pastagericht nicht auskommt. Die Region ist Zentrum der Raumforschung, der Computertechnik, innovativer Lösungen im Automotive-Bereich – da gibt es viele attraktive Anknüpfungsmöglichkeiten zur europäischen und eben auch zur luxemburgischen Wirtschaft. Allein wenn man darauf verweist, dass in der Handelsbilanz zwischen Italien und Luxemburg in Höhe von 44 Milliarden Euro die Emilia-Romagna einen Anteil von 30 Milliarden Euro hat, versteht man, wie wichtig die Region für die bilateralen Beziehungen ist.

Ehrengäste des italienischen Nationalfeiertags (v.l.): die Tochter des italienischen Botschafters in Luxemburg und seine Ehefrau Giovanna Brasioli, der Präsident des Europäischen Gerichtshofs, Koen Lenaerts, Familienministerin Corinne Cahen, Hofmarschall Paul Dühr, der Präsident der Region Emilia-Romagna, Stefano Bonaccini, und der italienische Botschafter in Luxemburg, Diego Brasioli
Ehrengäste des italienischen Nationalfeiertags (v.l.): die Tochter des italienischen Botschafters in Luxemburg und seine Ehefrau Giovanna Brasioli, der Präsident des Europäischen Gerichtshofs, Koen Lenaerts, Familienministerin Corinne Cahen, Hofmarschall Paul Dühr, der Präsident der Region Emilia-Romagna, Stefano Bonaccini, und der italienische Botschafter in Luxemburg, Diego Brasioli Foto: Editpress/Claude Lenert

Und daran hat die CCIL ihren besonderen Anteil. Die Handelskammer vermittelt nicht nur vielfältige Geschäftsverbindungen zwischen beiden Staaten, sondern bringt auch die Bürger beider Staaten einander näher.

Ich glaube, Italien und Luxemburg haben viele Gemeinsamkeiten. In Europa sind wir beide relativ junge Staaten, die lange Zeit von fremden Mächten besetzt und beherrscht wurden. Diese Gemeinsamkeiten schaffen eine emotionale Nähe. Hinzu kommt, dass viele Italiener zu früheren Zeiten nach Luxemburg eingewandert sind, um hier Arbeit und ein neues Lebensumfeld zu finden. Heute sind wir fast 30.000, das ist bei einer Gesamteinwohnerzahl von 635.000 ein beachtlicher Anteil. Wir Italiener – viele davon mit doppelter Staatsbürgerschaft – bilden schließlich die drittgrößte Gruppe hier lebender Ausländer und sind dementsprechend auch eine große Wirtschaftskraft.

Wie aber hat die organisierte Zusammenarbeit begonnen?

Ich darf mit Stolz sagen, dass ich im Mai 1990 zu den Mitbegründern der Italienisch-Luxemburgischen Handelskammer gehörte. Ich hatte bereits zuvor Erfahrungen in der Italienisch-Belgischen Gesellschaft, die die gleichen Anliegen für den gesamten Benelux-Raum vertrat. Es gab zunächst Überlegungen, in Luxemburg eine Dependance zu gründen, doch dann entschieden wir uns für eine eigene Gesellschaft. Ein Entschluss, der sich wirklich im Interesse beider Länder ausgezahlt hat.

Anlässlich des italienischen Nationalfeiertags und im Rahmen des Projekts „The authentic italian table“ wurden zahlreiche Spezialitäten aus verschiedenen Regionen Italiens verkostet 
Anlässlich des italienischen Nationalfeiertags und im Rahmen des Projekts „The authentic italian table“ wurden zahlreiche Spezialitäten aus verschiedenen Regionen Italiens verkostet  Foto: Editpress/Claude Lenert

Wir alle verbinden mit Italien natürlich die Vision eines schönen Sommerurlaubs, des Genießens hervorragender Lebensmittel und Weine, eines Lebensstils. Doch die wirtschaftlichen Beziehungen sind sicher weitreichender?

Bei weitem natürlich. Zwar wollen wir gerade in diesen Tagen rund um den Feiertag wieder einmal die genussvolle Seite unseres Landes vorstellen im Programm „Authentic italian table“, in dem sowohl die CCIL als auch die italienische Botschaft in Luxemburg außerordentliche öno-gastronomische Produkte der Emilia-Romagna vorstellt. Doch gehen die Beziehungen unserer Mitglieder weit über diesen Bereich hinaus. Wirtschaftsbeziehungen solch großer Unternehmen wie der UniCredit Bank, der Banca Intesa Sanpaolo, der Luxemburger Börse – um nur einige Kreditinstitute zu nennen – oder Industrieunternehmen von Ferrari bis Ferrero zeigen, dass wir auf hohem Niveau miteinander handeln. Dabei ist unsere Arbeit deutlich bilateral ausgerichtet: Wir schaffen Verbindungen italienischer Unternehmen nach Luxemburg und luxemburgischer nach Italien, schaffen Möglichkeiten, dass beide Seiten sich besser kennenlernen können.

Der italienische Botschafter in Luxemburg, Diego Brasioli
Der italienische Botschafter in Luxemburg, Diego Brasioli Foto: Editpress/Claude Lenert

Luxemburg ist ein Beispiel für hohe internationale Integration. Nicht nur, dass die Bevölkerung multikulturell ist, die gesamte Gesellschaft ist auf internationale Verflechtungen ausgelegt. In Zeiten allgemein positiver Entwicklung profitiert das Großherzogtum von diesen Verbindungen, doch in schwierigen Zeiten, wie sie jetzt der Ukraine-Konflikt mit sich bringt, müssen sich diese Verbindungen auch bewähren.

Wir bedauern diesen Aggressionskrieg, die schwerwiegenden Folgen vor allem für die ukrainische Bevölkerung sehr. Natürlich bleibt der Krieg nicht ohne Folgen für das Wirtschaften in Europa, doch gerade in der Zusammenarbeit der EU-Mitglieder liegt auch die Stärke, diese Probleme zu bewältigen. Daran wollen wir unseren Beitrag leisten. Dies drückte auch der Präsident der Emilia-Romagna, Stefano Bonaccini, in seinen Gesprächen mit Premier Xavier Bettel aus. Es geht dabei sowohl um wirtschaftliche Solidarität mit der Ukraine als auch um die Sorge um die Hunderttausenden Flüchtlinge, die das Land verlassen mussten und in der EU Zuflucht fanden. Ein besonderes Augenmerk legte Bonaccini, der ja auch Präsident der Konferenz der Regionen und Autonomen Provinzen in Italien ist, auf eine nachhaltige Entwicklung und Bildung der betroffenen Kinder. Denn dies ist eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft.

Kinder der Internationalen Schule in Luxemburg trugen Italiens und Luxemburgs Hymnen vor
Kinder der Internationalen Schule in Luxemburg trugen Italiens und Luxemburgs Hymnen vor Foto: Editpress/Claude Lenert

Wie sehen da die Pläne der CCIL aus?

Die Gespräche zwischen Ministerpräsident Bettel und Regionalpräsident Bonaccini, zu denen ja auch der Wirtschaftsminister Luxemburgs, Franz Fayot, zugegen war, zielten auf eine vertiefte Zusammenarbeit in den kommenden Jahren ab. Ein besonderer Sektor ist dabei auch die Bildung. So wurden vertragliche Vereinbarung zwischen der ältesten Universität Europas, Bologna, und ihrer jüngsten in Belval geschlossen. Wir von der CCIL haben bereits seit dem Jahr 2000 Förderungsmaßnahmen für junge italienische Wissenschaftler, Wirtschaftsfachkräfte und Studenten geschlossen. Wir haben seitdem einigen jungen Italienern den Weg eröffnet, in Luxemburg Fuß zu fassen und eine Zukunft aufzubauen.

Sicher eine Investition in die Zukunft, die die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern – so unterschiedlich sie in Sprache und Kultur auch sein mögen, vertiefen dürfte. Wir danken für das Gespräch.