EditorialIntegration soll nicht nur in Vorwahlzeiten stattfinden

Editorial / Integration soll nicht nur in Vorwahlzeiten stattfinden
 Symbolfoto: Editpress-Archiv

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Luxemburg ist ein klassisches Migrationsland. Fast die Hälfte der Bevölkerung (rund 48 Prozent) besitzt eine ausländische Staatsbürgerschaft. Mehr als 170 Nationalitäten werden derzeit im Großherzogtum erfasst. Und: Acht Gemeinden haben einen Ausländeranteil über 50 Prozent, angeführt von der Stadt Luxemburg mit knapp 71 Prozent. Fakten, die Politiker und Behörden immer wieder gerne ins Feld führen, um die vermeintliche Weltoffenheit des Landes anzupreisen. Wie es aber wirklich um die Integration unserer ausländischen Mitbürger bestellt ist, zeigt sich spätestens am 11. Juni. 

Dann nämlich soll die Bevölkerung zu den Wahlurnen schreiten, um ihre jeweiligen Gemeindevertreter für die nächsten sechs Jahre zu bestimmen. Auch Nicht-Luxemburger. Denn: Etliche Anstrengungen wurden in den letzten Jahren unternommen, um die Partizipation aufseiten der ausländischen Bevölkerung anzukurbeln. So wurde vor knapp anderthalb Jahren etwa die Wohnsitzklausel von fünf Jahren für alle nicht-luxemburgischen Einwohner abgeschafft. Gleichzeitig wurde die Frist für die Eintragung in die kommunalen Wählerverzeichnisse um 32 Tage verlängert, sodass sich ausländische Mitbürger jetzt noch bis zu 55 Tage vor den Wahlen in die Listen einschreiben können. 

Der Grund für diese Anstrengungen dürfte einleuchten: In Luxemburg soll künftig jeder volljährige Bürger an den Kommunalwahlen teilnehmen können. Nicht etwa weil sich Behörden um Quoten sorgen und die Politiker ihre Legitimität infrage gestellt sehen. Sondern weil ansonsten fast die Hälfte der Bevölkerung vom wichtigsten demokratischen Prozess ausgeschlossen wäre, obschon auch Nicht-Luxemburger Steuern zahlen. Blutige Revolutionen wurden wegen dieses Prinzips in anderen Teilen dieser Erde ausgefochten. Man denke nur an die Parole „No taxation without representation“ als Kriegsgrund für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.  

In Luxemburg tun sich die die ausländischen Mitbürger aber weiterhin schwer mit den Kommunalwahlen. 2011 hatten nur 17 Prozent der Nicht-Luxemburger von ihrem Recht Gebrauch gemacht, zu den Urnen zu schreiten. Sechs Jahre später waren es zwar etwas mehr, doch von einer wirklich repräsentativen Quote waren die 23 Prozent im Jahr 2017 noch weit entfernt.

Mit dem neuen Wahlgesetz und Initiativen wie „Je peux voter“, mit dem Cefis und Integrationsministerium die ausländische Bevölkerung zu sensibilisieren gedenken, soll am 11. Juni 2023 alles besser werden. Doch die Vorzeichen sind schlecht: Allein in der Hauptstadt haben sich bisher nur 5.465 Nicht-Luxemburger als Wähler registriert. Was bei einer ausländischen Bevölkerung von 94.038 Wahlberechtigten nur 6,74 Prozent ausmacht. 

Nun ist noch nicht aller Tage Abend. Die Einschreibefrist endet erst am 17. April um 17.00 Uhr. Bis dahin will die Stadtverwaltung eine Werbekampagne mit Plakaten starten und jeden Wahlberechtigten persönlich anschreiben. Auch bei der Anmeldung im Bürgerzentrum sollen künftig alle ausländischen Neuankömmlinge entsprechend informiert werden. Gleichzeitig läuft noch die „Je peux voter“-Kampagne des Integrationsministeriums, die u.a. die Rekrutierung von Nicht-Luxemburgern als Wahlbotschafter vorsieht, die vom Cefis ausgebildet werden und innerhalb ihrer Gemeinschaft als Multiplikatoren agieren sollen. 

Ob diese Bemühungen fruchten, wird sich frühestens am 17. April, spätestens aber am 11. Juni zeigen. Kampagnen wurden auch schon bei den letzten Wahlen gefahren – ohne größeren Erfolg. Ob nun der Wegfall der Residenzklausel und die Fristverlängerung wirklich ein Allheilmittel darstellen, darf ebenfalls bezweifelt werden. Integration soll eben nicht nur in Vorwahlzeiten stattfinden. Sondern das ganze Jahr über.