EnglandInfektionszahlen steigen, Corona-Beschränkungen fallen

England / Infektionszahlen steigen, Corona-Beschränkungen fallen
Viele Menschen trauen der Sache noch nicht und behalten die Maske lieber an, wie hier im Londoner Bahnhof Waterloo zu sehen ist Foto: Niklas Halle’n/AFP

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Ein wenig Freude, viel unverändertes Verhalten und düstere Warnungen – die komplette Aufhebung sämtlicher Corona-Beschränkungen ist am Montag, dem „Freedom Day“, in England verhalten aufgenommen worden.

Beeinträchtigt war die Stimmung nicht zuletzt, weil die zuletzt sprunghaft angestiegenen Infektionen mit der besonders ansteckenden Delta-Variante von Sars-CoV-2 Millionen von Bürgern, darunter auch Premierminister Boris Johnson, zur häuslichen Quarantäne zwingen. „Seien Sie bitte, bitte, bitte vorsichtig“, mahnte der Regierungschef.

Zu Ende gingen in der Nacht zum Montag im weitaus größten Landesteil die Maskenpflicht in Geschäften, Bussen und Bahnen sowie die Abstandsregeln. In Pubs dürfen sich die Menschen wieder an der Theke drängen, Theater und Kinos bis auf den letzten Platz besetzt werden. Auch die Aufforderung der Regierung, nach Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten, gehört der Vergangenheit an. Hingegen halten die kleineren Landesteile Schottland, Wales und Nordirland bis auf weiteres an Vorschriften fest, vor allem muss dort weiterhin der Mund-Nasenschutz getragen werden.

In der Realität hat sich auch in England wenig verändert. Der endlich heiße Sommer hat schon in den vergangenen Tagen die Menschen zu Hunderttausenden in Parks und an die Strände gelockt, wo von den bisher geltenden Abstandsregeln keine Rede mehr sein konnte. Cafés, Pubs und Restaurants haben sich in den vergangenen Monaten vielerorts ins Freie verlagert. Immerhin öffneten um Mitternacht die seit März vergangenen Jahres verwaisten Nachtclubs erstmals wieder ihre Türen.

Eine Umfrage des Unternehmens YouGov Ende vergangener Woche deutete darauf hin, dass sich der Populist Johnson diesmal von der Volksmeinung entfernt hat. Demnach halten 55 Prozent der Briten die englische Öffnungspolitik für falsch, lediglich 31 Prozent freuen sich, der Rest gibt sich unentschieden. Bei der Sonntagsfrage haben dennoch die regierenden Konservativen (44) klar die Nase vorn gegenüber der Labour-Opposition (31).

Der Premierminister packt die Nation ins Auto, tritt aufs Gas und nimmt den Gurt ab

Keir Starmer, Labour-Vorsitzender, zur Corona-Politik der Regierung

Flickwerk von Regeln

Deren Vorsitzender Keir Starmer verdammte Johnsons Vorgehen als unbesonnen: „Der Premierminister packt die Nation ins Auto, tritt aufs Gas und nimmt den Gurt ab.“ Im Unterhaus saßen am Nachmittag maskenlose Torys dicht an dicht, während auf den Oppositionsbänken die Abgeordneten weiterhin Mund-Nasenschutz trugen und Abstand hielten.

Im öffentlichen Raum gilt nun ein verwirrendes Flickwerk von Regeln, weil kommunal Verantwortliche deutlich vorsichtiger agieren als die Zentralregierung. So gibt es in London Bahnhöfe, wo am gleichen Bahnsteig Züge unterschiedlicher Betreiber halten. Wer beispielsweise in Farringdon in die U-Bahn-Linie Circle Line einsteigt, ist laut Erlass des Bürgermeisters Sadiq Khan zum Maskentragen verpflichtet. Die Fahrt mit Thameslink nach Brighton darf hingegen maskenfrei absolviert werden. Ohnehin begnügen sich viele Briten noch immer mit den selbstgeschneiderten Stoffmasken; FFP-2-Masken sieht man in der Öffentlichkeit höchst selten.

In der Woche bis Sonntag ging die Zahl der täglich gemeldeten positiven Covidtests landesweit um 43 Prozent nach oben; die Zahl der Neuinfekionen lag zuletzt bei 48.161, womit eine Inzidenz von 376 pro 100.000 Einwohner erreicht wurde. 39 Prozent mehr Patienten mussten wegen einer Covid-Erkrankung ins Krankenhaus gebracht werden, täglich kommt es zu 600 Neueinweisungen.

Wissenschaftler und Experten warnen

Damit ist das nationale Gesundheitssystem NHS zwar weit weg von den mehr als 4.000 neuen Covid-Patienten täglich wie im Februar, der Druck nehme aber „ständig zu“, berichtet Alison Piccard vom Fachverband britischer Intensivmediziner. „Wir fühlen uns mitten im Juli wie in einem schwierigen Winter.“ Die Zahl der Toten lag ebenfalls um 39 Prozent höher als in der Vorwoche, durchschnittlich 40 Verstorbene pro Tag.

Nationale und internationale Wissenschaftler warnen deshalb seit Wochen vor der gänzlichen Aufhebung der Einschränkungen. Er kenne „keinen verantwortungsvollen Gesundheitsexperten“, sagt der frühere australische Staatssekretär Stephen Duckett, „der eine Öffnung befürwortet zu einer Zeit, da sich das Virus rasch verbreitet“. Vernünftig sei vielmehr „eine schrittweise und vorsichtige Lockerung“, pflichtet ihm Jeremy Farrar bei, der den milliardenschweren Wellcome Trust leitet. Professor Neil Ferguson, ein Mitglied des wissenschaftlichen Beratergremiums der Regierung, hält binnen weniger Wochen bis zu 200.000 Neuinfektionen täglich für möglich.

Sogar der höchste Gesundheitsbeamte Englands, Professor Christopher Whitty, warnte vergangene Woche davor, es könnten schon in fünf Wochen neue Einschränkungen notwendig werden. Derzeit hofft die Regierung auf einen positiven Effekt durch die Sommerferien, die für die meisten Staatsschulen diese Woche beginnen.

Bee Gee
20. Juli 2021 - 8.28

Wenn wissenschaftlch bewiesen ist, wenn überhaupt möglich, sagen wir , da ja angesichts der enormen Fortschritte die vorherige 10 jährige Wartezeit auf Nachwehen eines neuen Medikaments auch enorm gekürtzt werden kann , nach 2-3 Jahren das eine und andere Impfserum als sicher erklärt werden kann, dürfte auch an die komplette Aufhebung der Corona Beschränkungen gedacht werden können. Bis dahin muss man leider auf den gesunden Menschenverstand zählen was jedoch der sofortigen Einführung des Corona Idioten- Pass, d.h. der Eintragung von Corona-Vergehen in den normalen Ausweis, nicht im Wege steht.