SüdostasienIndonesiens Kinder sind die großen Verlierer der Pandemie: Unterernährung als Einfallstor

Südostasien / Indonesiens Kinder sind die großen Verlierer der Pandemie: Unterernährung als Einfallstor
Ein Covid-19-Test in Jakarta: Besonders besorgniserregend ist die hohe Anzahl an Kindern, die an dem Virus gestorben sind Foto: AFP/Chaideer Mahyuddin

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In den meisten Ländern trifft das Coronavirus Kinder weniger hart als Erwachsene. In Indonesien sollen jedoch mehrere hundert Kinder an Covid-19 gestorben sein. Was läuft in dem südostasiatischen Staat falsch?

Die Welt blickt auf die Corona-Zahlen in den USA, in Indien, Russland und Brasilien, die täglich Zehntausende von Infektionen verzeichnen. Indonesien dagegen taucht in der Berichterstattung kaum auf. Dabei ist der südostasiatische Inselstaat mit seinen 270 Millionen Einwohnern dabei, den Kampf gegen die Viruserkrankung zu verlieren.

Offiziell sind die Zahlen der an Covid-19 Erkrankten nach wie vor niedriger als in anderen bekannten Hotspots: Am Dienstag zählte die Johns-Hopkins-Universität knapp unter 47.000 Infektionen und 2.500 Tote. Doch beleuchtet man diese Zahlen genauer, so fällt auf, dass in den vergangenen Tagen fast täglich mehr als 1.000 Neuinfektionen verzeichnet wurden und das bei verhältnismäßig geringen Testraten von rund 10.000 Menschen pro Tag.

Experten wie Ross Taylor vom Indonesien-Institut in Westaustralien zweifeln die offiziellen Zahlen deswegen an. „Sie sind grob untertrieben“, schrieb der Experte kurz und bündig in einer E-Mail. Im April seien allein in der Hauptstadt Jakarta über 4.000 mehr Menschen gestorben als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, sagte der Experte. Doch ohne Tests werden diese Toten nicht als Corona-Opfer gezählt.

Kinder im „Teufelskreis“

Besonders besorgniserregend ist die hohe Anzahl an Kindern, die an dem Virus gestorben sind. Reuters berichtete kürzlich, dass hunderte indonesische Kinder an Covid-19 gestorben seien. Offiziell betrug die Zahl der Todesopfer unter 18 Jahren bis Ende Mai 28, aber weitere 380 verstorbene Kinder wurden als „Patienten unter Überwachung“ eingestuft, was bedeutet, dass sie die Symptome des Virus zeigten, aber nicht getestet wurden. Die Vereinigung der indonesischen Kinderärzte kam dagegen auf mindestens 160 tote Kinder (bis zum 1. Juni), bei denen der Verdacht bestand, dass sie mit Covid-19 infiziert waren.

Viele indonesische Kinder seien in einen „Teufelskreis“ geraten – einen Zyklus von Unterernährung und Anämie, der ihre Anfälligkeit für das Coronavirus erhöhen würde, sagte Achmad Yurianto vom indonesischen Gesundheitsministerium gegenüber Reuters. Er verglich ihre Körper mit schwachen Strukturen, die „nach einem Erdbeben zusammenbrechen“. So sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Wachstum und die Entwicklung bei vielen Kindern in Indonesien beeinträchtigt – ausgelöst „durch schlechte Ernährung, wiederholte Infektionen und unzureichende psychosoziale Stimulation“.

Gesundheitsminister riet zum Gebet

Indonesien-Experten kritisieren zudem den Umgang der Regierung mit der Pandemie, die den ersten Fall im Land erst am 2. März eingestand. „Die anfängliche Reaktion war entweder nicht vorhanden oder chaotisch“, sagte Ross Taylor vom Indonesien-Institut. Im Februar hatte der Gesundheitsminister des Landes noch erklärt, die „Macht des Gebets“ würde die Menschen schützen. Später gab auch Präsident Joko Widodo zu, der Öffentlichkeit Informationen vorenthalten zu haben, um keine Panik auszulösen.

„Als sich das Virus ausbreitete und Unternehmen geschlossen wurden, kehrten Tausende von Arbeitern, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten, in ihre Dörfer zurück und nahmen in vielen Fällen die Pandemie mit“, sagte Taylor. Ausgangssperren wurden zudem relativ spät und eher halbherzig umgesetzt und werden inzwischen bereits wieder gelockert. Obwohl die Fallzahlen nach wie vor steigen, beginnen öffentliche Verkehrsmittel, Flüge, Einkaufszentren, Kirchen und Moscheen in den Städten wieder zu operieren.

Auch an der richtigen Kommunikation scheint es bisher zu mangeln. „Viele Menschen verstehen nicht, warum sie zu Hause bleiben sollen“, sagte Pandu Riono, ein Epidemiologe der Universität von Indonesien, dem australischen Sender ABC. „Alle reden über soziale Distanzierung, aber sie verstehen nicht, was es ist. ‚Was ist Covid? Ich sehe kein Covid’“, würden viele sagen.