Prozess wegen IS-PropagandaIn Luxemburg lebendes Ehepaar sah sich auf der Suche nach dem „wahren Islam“

Prozess wegen IS-Propaganda / In Luxemburg lebendes Ehepaar sah sich auf der Suche nach dem „wahren Islam“
Auf der Suche nach dem „wahren Islam“: Das angeklagte junge muslimische Ehepaar nennt es „Wahrheitsfindung durch Informationsbeschaffung“. Für die Anklage ist es Propaganda für eine Terrororganisation und somit strafbar. Foto: Marco Goetz

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Die Angeklagten sprechen von Wahrheitssuche, die Ermittler von strafbarer Propaganda für den Islamischen Staat. Beide Versionen der Geschichte sind durchaus nachvollziehbar. Welche eher zutrifft, muss das Gericht entscheiden. Im Falle einer Verurteilung drohen dem jungen muslimischen Ehepaar bis zu acht Jahre Haft. 

Nein, sie seien keine Anhänger des Islamischen Staates. Das sagen die beiden Angeklagten am Freitagmorgen vor Gericht. Rückblickend würden sie vieles anders machen.

Es ist der dritte Prozesstag. Es geht um die Zeit vor Sommer 2018, die Zeit also vor einer scheinbar eher beherzten Hausdurchsuchung der Spezialeinheit der Polizei bei einem jungen Ehepaar in Luxemburg-Stadt. A., die junge Frau, ist damals 22 Jahre alt, ihr Mann K. 26.

Bis sie ins Visier der internationalen und nationalen Antiterrorfahndung geraten und als Bedrohung angesehen werden, haben sich K. und A. eingehend für die Ideologie des als Terrororganisation anerkannten Islamischen Staates interessiert, sie haben unter verschiedenen Namen und über diverse Kanäle Informationen gesammelt und ausgetauscht, hauptsächlich im Internet. Das macht sie in den Augen der Ermittler zu Handlangern des Terrors.

Die Sicht der Angeklagten

Die Auswertung des bei der Hausdurchsuchung sichergestellten Materials durch die Polizei mündet dann auch in die schwerwiegenden Anklagepunkte vor Gericht: Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Aufstacheln zu Hass und Terror sowie die Rekrutierung von neuen Mitgliedern. Darauf stehen laut neuem Antiterrorgesetz bis zu acht Jahre Haft.

Doch entsprechen diese Vorwürfe den Tatsachen? Die beiden jungen Menschen stellen die Geschichte jedenfalls anders dar am Freitag. Was und wie sie erzählen, lässt darauf schließen, dass sie aufgrund schlechter Erfahrungen und Enttäuschungen in ihrer Kindheit und Jugend zum Islam gefunden haben. Als einen Ort, von dem sie glauben, andocken zu können.

Das geschieht, bevor A. und K. sich kennenlernen. Der junge Mann kommt in der Erziehungsanstalt Dreiborn in Kontakt mit dem Islam. Die junge Frau, in Toulon, Frankreich, geboren, über eine frühere Beziehung. Fast wäre sie ganz bei Al-Qaida gelandet, erzählt sie. Der Gedanke daran würde sie heute anekeln, sagt die Frau.

Als A. und K. sich kennenlernen, scheinen beide Suchende zu sein. Sie sind auf der Suche nach einem Lebensinhalt, der vom „wahren Islam“ erfüllt sein soll. Um darüber Klarheit zu bekommen, beginnen sie ausgiebig zu recherchieren. Im Internet und in Büchern. In ihren Augen betreiben sie Informationsaustausch. Es geht darum, mit anderen zu diskutieren und um Antworten auf offene Fragen zum „wahren Kern“ der Religion zu bekommen. Einer Schuld, einem kriminellen Vergehen, sind sie sich dabei offensichtlich nicht bewusst. Dass sie Propaganda für eine Terrororganisation machen, dass sie andere beeinflussen und zu weiterreichenden Schritten verleiten können, das sei ihnen erst viel später klargeworden. Genau wie die Einsicht, in einem Teufelskreis gefangen gewesen zu sein.

Ihr Benehmen darf man durchaus ziemlich naiv nennen. Aber wenn es dann trotzdem wirklich so gewesen ist?

Die beiden Beschuldigten äußern am Freitagmorgen Bedauern und geben zu verstehen, dass sie Fehler gemacht haben. Nie aber mit der Absicht, die in der Anklageschrift aufgezählten Straftaten zu begehen. Wären A. und K. nicht ins Visier der Antiterrorermittlungen geraten, würden sie, das kann man sich durchaus vorstellen, heute ein normales Leben als gläubiges muslimisches Ehepaar führen. Gemeinsam mit ihrem knapp drei Jahre alten Sohn.

Nach den Geschehnissen sehen beide ihre Zukunft eher nicht in Luxemburg, in Frankreich schon gar nicht. Die Frage, wohin es denn gehen könnte, haben sie am Freitagmorgen nicht beantwortet. 

Der Prozess wird am 9. November fortgesetzt.

Ënnert Bridder
31. Oktober 2021 - 23.32

In Frankreich ist der Islam die Religion der Liebe , warum sollte das in Luxemburg anders sein, merde alors !

HTK
30. Oktober 2021 - 12.13

Die Suche nach dem wahren Christentum,dem Judentum usw. wird genau so schwierig sein. Ein eifersüchtiger,rachsüchtiger,intoleranter Gott wird in allen Buchreligionen als der WAHRE gesucht.Bis heute.Allwissend,gütig,liebend,gnädig soll er sein.Die Geschichte lehrt uns anderes. Im 21.Jahrhundert ist es doch der Islam der noch aktiv das Köpfen und andere homophoben Feinheiten praktiziert,während das Christentum die Zähne verloren hat und auf bessere Zeiten hofft.