Sexueller MissbrauchImmer mehr Nutzer melden illegale Inhalte im Netz, doch Polizei stößt an ihre Grenzen

Sexueller Missbrauch / Immer mehr Nutzer melden illegale Inhalte im Netz, doch Polizei stößt an ihre Grenzen
Der sexuelle Missbrauch und die Ausbeutung von Kindern gehören zu den abscheulichsten Verbrechen überhaupt. Sollten Nutzer im Netz über anstößige und illegale Inhalte stolpern, können sie das den Behörden via Stopline von Bee Secure mitteilen.  Foto: Shutterstock

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Über die Stopline der Internetsicherheitsplattform Bee Secure wurden den Strafverfolgungsbehörden letztes Jahr fast 2.500 illegale Inhalte im Internet gemeldet. Eine Zahl, die sich innerhalb von nur zwei Jahren fast vervierfacht hat. Gleichzeitig aber wurden nur 25 Täter tatsächlich verurteilt. Die Behörden scheinen demnach an ihre Grenzen zu stoßen.

Die Stopline von Bee Secure hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Luxemburger Instrumente gegen illegale Inhalte im Internet entwickelt. So scheut die Onlinesicherheitsplattform keine Mühen, die Öffentlichkeit immer wieder auf die eigenen Angebote aufmerksam zu machen, darunter der Meldedienst für anstößige Inhalte wie Extremistenpropaganda oder Kinderpornografie.

Allein die jüngsten Statistiken zeigen, dass die Bemühungen gefruchtet haben: Binnen zwei Jahren hat sich die Zahl der gemeldeten Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern im Internet quasi vervierfacht. Gingen 2017 noch 750 Meldungen über die Stopline bei den Behörden ein, waren es ein Jahr später bereits 2.047 Mitteilungen. Letztes Jahr waren es dann 3.039 Nutzer, die den roten Button des Meldedienstes nutzten, um verdächtige Inhalte zu melden. Das bestätigten nun Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) und Bildungsminister Claude Meisch (DP) in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage der Abgeordneten Nancy Arendt (CSV).

Dass in den letzten Jahren vermehrt solche Inhalte festgestellt wurden, muss nicht unbedingt mit einem Anstieg illegaler Übergriffe auf Minderjährige zusammenhängen. Der Träger hinter der Stopline, die Internetsicherheitsplattform Bee Secure, investiert seit 2008 viel Zeit und Arbeit in die Aufklärung der Öffentlichkeit, was die Gefahren im Netz angeht. Über ihre Helpline beispielsweise bietet der von Mitarbeitern des „Service national de la jeunesse“ (SNJ) geführte Dienst Kindern, Jugendlichen, Eltern und Beziehungen persönliche Beratung in allen Bereichen an, die den Gebrauch der neuen Medien betreffen. Regelmäßig informiert die Plattform etwa über Betrugsmaschen im Netz, Cybermobbing, soziale Medien oder die Gefahren zu lascher Sicherheitseinstellungen.

Dafür nutzen die Mitarbeiter nicht nur den jährlichen „Safer Internet Day“, der am vergangenen Dienstag bereits zum zehnten Mal in Luxemburg veranstaltet, aber erstmals auch weltweit begangen wurde. Neben regelmäßigen Kampagnen im Netz oder in der Öffentlichkeit, nutzt die Plattform auch die Angebote des SNJ, wie etwa Aktivitäten und Fortbildungen, um auf die eigenen Dienste und die Gefahren im Netz aufmerksam zu machen.

Personalmangel bei der Polizei

Nicht mit der Helpline verwechseln sollte man die Stopline. Dabei handelt es sich um einen Dienst im Internet, mit dem Nutzer den Behörden illegale Inhalte einfach, schnell und anonym mitteilen können. Visiert sind etwa kinderpornografische Inhalte, extremistische und rassistische Botschaften oder gar Ankündigungen terroristischer Anschläge. „Report Illegal Content“ steht auf dem roten, virtuellen Button, der erscheint, wenn Nutzer die Webseite www.stopline.lu aufrufen. Im Anschluss werden die Nutzer gebeten, so viele Fragen wir nur möglich zu beantworten, um den Inhalten auf die Spur zu kommen.

Stellen sich die Meldungen als gerechtfertigt heraus, werden sie von Bee Secure an die Polizei weitergeleitet. Allerdings mit Einschränkungen: Den Strafverfolgungsbehörden werden nur jene Inhalte gemeldet, die aus Luxemburg stammen oder im Großherzogtum „gehosted“ werden. Also jene Internetseiten, deren Inhalte auf Luxemburger Servern beherbergt werden. Somit wurden letztes Jahr von insgesamt 3.039 Meldungen immerhin noch 2.327 an die Polizei weitergeleitet. Ähnlich verhielt es sich in den Jahren zuvor: 2018 waren es 1.728 von 2.047 Meldungen und 2017 noch 591 von 750.

„Über die letzten Jahre betrachtet sind sowohl die Meldungen als auch die Übermittlungen an die Polizei gestiegen“, stellen die beiden Minister in ihrer gemeinsamen Antwort fest. Das Problem: Aktuell mangele es der Polizei generell an Personal. Was auch die Abgeordnete Nancy Arendt in ihrer Frage feststellt: „Wenn viele Meldungen gleichzeitig ankommen, dann gerät die zuständige Abteilung an ihre Grenzen“, zitiert das Oppositionsmitglied die Aussagen, die die Stopline-Verantwortliche Barbara Gorges-Wagner Anfang Januar in einem Interview mit dem Tageblatt getroffen hat.

Ein außergewöhnlicher Rekrutierungsplan von Polizeiminister François Bausch soll nun aber kurzfristig Abhilfe schaffen, versprechen indessen die Minister Tanson und Meisch. So soll auch die Jugendschutzabteilung der Kriminalpolizei weiter verstärkt werden. Derzeit seien insgesamt 31 Beamte im Bereich des Jugendschutzes aktiv, davon 13 Ermittlungsbeamte in der Abteilung „Protection de la jeunesse et infractions à caractère sexuel“. Genaue Angaben, wie viele Ermittler noch hinzukommen, bleiben die Minister der Abgeordneten aber schuldig.

25 Verurteilungen im letzten Jahr

Große Unterschiede gibt es hingegen zwischen der Zahl der Meldungen, die bei der Polizei eingehen und der Zahl der Personen, die im Endeffekt auch verurteilt werden: 2019 waren es nur 25. Werden Angeklagte einer Straftat in diesem Bereich überführt, gibt es auch keine einheitliche Herangehensweise, was mögliche Therapien angeht. „Wenn es sich um eine erste Verurteilung für Pädopornografie handelt, wird meistens eine Strafaussetzung zur Bewährung für fünf Jahre gesprochen und der Täter hat die Pflicht, sich therapeutisch behandeln zu lassen“, schreiben die Minister. Allerdings geben beide auch zu, dass es „in Luxemburg keine Einzeltherapie oder universelle Therapie für Täter solcher Straftaten“ gibt. Auch Gruppentherapien gebe es keine.

Wird der Täter hingegen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, können Therapien in Schrassig oder Givenich „vorgeschlagen werden“. Die Minister Tanson und Meisch meinen denn auch, dass viele Psychotherapeuten kein Problem damit hätten, „ins Gefängnis zu gehen und dort regelmäßig ihre Patienten zu behandeln“. Allerdings bemerken sie auch, dass Häftlinge – also Täter, die zu einer festen Gefängnisstrafe verurteilt wurden – nicht gezwungen werden können, sich einer Therapie zu unterziehen.

Es sei demnach auch schwer zu kontrollieren, ob Therapien tatsächlich Wirkung zeigen, heißt es in der Antwort auf die parlamentarische Frage von Nancy Arendt. Therapeuten und Bewährungshelfern sei es nicht möglich, nachzuvollziehen, ob auf Bewährung verurteilte Personen sich ans Verbot halten, keine pornografische Seiten im Internet mehr aufzurufen. Auch könnten sie nur schwer kontrollieren, ob die Verurteilten die Therapie auch tatsächlich ernst nehmen. Die Resultate einer solchen Therapie bleiben aufgrund des Berufsgeheimnisses ebenfalls unter Verschluss. Es sei zwar möglich, zu prüfen, ob die Therapie stattgefunden habe, so die Minister. „Aber nicht, ob sie dem Täter auch geholfen hat.“

Lesen Sie hierzu auch unseren Kommentar.