SyrienIm Kampf um die Haftanstalt von Steve Duarte brüstet sich der IS mit 800 Geflohenen

Syrien / Im Kampf um die Haftanstalt von Steve Duarte brüstet sich der IS mit 800 Geflohenen
In Al-Hasaka wurden die Leichen der IS-Kämpfer mit Lastwagen abtransportiert Foto: AFP

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Nahe der Haftanstalt von Steve Duarte im Nordosten Syriens sind erneut Kämpfe aufgeflammt. Der IS brüstet sich in sozialen Medien mit Hunderten geflohenen Dschihadisten. Der Co-Vorsitzende des kurdischen Halbmondes spricht gegenüber dem Tageblatt von einem „großen Risiko für die ganze Region“.

Nach der Rückeroberung des von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) angegriffenen Gefängnisses in Syrien haben nahe der Haftanstalt weitere heftige Kämpfe stattgefunden. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte lieferte sich das kurdisch dominierte Militärbündnis Demokratische Kräfte Syriens (SDF) am Samstag nahe der Stadt Al-Hasaka Gefechte mit IS-Kämpfern. Die Zahl der Toten seit Beginn der dortigen Gefechte stieg demnach auf mehr als 330. Bei den Toten handelte es sich demnach um 246 IS-Kämpfer, 79 kurdische Kämpfer und sieben Zivilisten. In der Nacht zum Sonntag seien mehr als 50 weitere Leichen in Gefängnisgebäuden und in der Nähe gefunden worden.

Die SDF durchsuchten nach eigenen Angaben am Wochenende weiterhin das Gebäude und die Gegend. Bis zuletzt hatten sich noch Terroristen im Gefängnis verschanzt. 

Der Überfall war einer der schwersten Angriffe des IS in Syrien seit Jahren. US-Truppen unterstützten den Kampf gegen die Extremisten mit Luftschlägen. Wie viele von den 3.500 bis 4.000 im Gefängnis inhaftierten IS-Kämpfer fliehen konnten, ist immer noch nicht klar. Genauso wenig ist nach wie vor über das Schicksal von Steve Duarte bekannt, jenem Dschihadisten aus Luxemburg, der in der Haftanstalt einsaß.  

Dr. Sherwan Bery vom kurdischen Rote Halbmond (Heyva Sor), den das Tageblatt über Telefon erreichte, ist nicht sehr optimistisch und geht davon aus, dass viele IS-Kämpfer entkommen konnten. „Das ist ein großes Risiko“, sagt Dr. Sherwan Bery, „nicht nur für Al-Hasaka, sondern für die ganze Region.“ Es gebe zwar noch immer keine genauen Angaben, wie vielen die Flucht tatsächlich gelungen ist, doch in der Stadt Al-Hasaka und in den umliegenden Orten galt am Wochenende weiterhin eine Ausgangssperre. In einer in den sozialen Medien verbreiteten Erklärung des IS hieß es, mehr als 800 Gefangene seien bei dem Überfall geflohen.

Die Beobachtungsstelle geht davon aus, dass die Zahl der Toten wahrscheinlich noch weiter steigen wird: Es gebe dutzende Verletzte und Vermisste sowie Informationen über weitere Opfer, sagte der Leiter der Organisation, Rami Abdel Rahman, der Nachrichtenagentur AFP. Am Samstag beobachtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP, wie ein Bulldozer die Leichen mutmaßlicher IS-Kämpfer auf einen Lkw lud.

Zehntausende vertrieben

Am vorvergangenen Donnerstag, dem 20. Januar, hatte der Sturm der IS-Kämpfer auf den riesigen Gefängniskomplex der Stadt Al-Hasaka begonnen, in dem seit der Niederschlagung des IS rund 4.000 Kämpfer der Dschihadisten festgehalten werden, darunter 700 Minderjährige. Rund 300 IS-Kämpfer hatten dem Rojava Information Center zufolge ihren Angriff auf das von Kurden verwaltete Gefängnis geführt, um Häftlinge zu befreien. Neben führenden Köpfen der Miliz waren ebenfalls zahlreiche radikalisierte Europäer, die für den IS gekämpft hatten, in dem Gefängniskomplex inhaftiert. 

Nach UN-Angaben flohen 45.000 Menschen wegen der Gefechte aus Al-Hasaka. Sich um diese Menschen zu kümmern, sei jetzt, nachdem die Kämpfe um den Gefängniskomplex größtenteils vorbei seien, Hauptaufgabe von „Heyva Sor“, sagte Dr. Sherwan Beri, Co-Präsident der Organisation, gegenüber dem Tageblatt.

Laut der Beobachtungsstelle war es der größte Angriff dieser Art seit der Zerschlagung des „Kalifats“ des IS 2019. Damals war der IS in Syrien und im Irak militärisch weitgehend besiegt worden. Seitdem verübte er aber regelmäßig Angriffe auf überwiegend militärische Einrichtungen oder die Ölindustrie. Der Angriff auf das Gefängnis von Hasaka könnte für eine neue Etappe im Wiedererstarken der Miliz stehen. (mit Agenturen)