Illegale Einreise per Lkw: „Als wüssten sie, wo sie hin müssen“

Illegale Einreise per Lkw: „Als wüssten sie, wo sie hin müssen“

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Es war kurz nach 8.00 Uhr, als ein aus Ungarn kommender Sattelschlepper am Dienstag auf das Gelände der Firma „Muller Pneus“ in Grass nahe der belgischen Grenze bei Sterpenich fuhr, um dort eine Reifenlieferung abzuladen. Was dann passierte, verschlug Felice Salza, einem der Mitarbeiter, auch am Mittwoch noch den Atem.

„Fast jeden Tag kommen bei uns Lieferungen aus der Produktionsanlage eines südkoreanischen Reifenherstellers in Ungarn an. Das ist an und für sich nichts Außergewöhnliches“, so der 26-Jährige. Der Lkw parkte, der Fahrer stieg aus und händigte ihm die Papiere aus. Alles Routine. „Dann habe ich wie üblich kontrolliert, ob die Planen des Lkws versiegelt waren. Und das war der Fall.“ Gemeinsam entfernten dann er und der Fahrer die Siegel, und öffneten die Plane. „Ich dachte, mich trifft der Schlag. Ich traute meinen Augen nicht“, so Felice Salza. Im Innern des Aufliegers befanden sich rund 20 Personen, darunter auch Frauen und Kinder. „Die sprangen dann allesamt von der Ladefläche, sahen sich kurz um und verließen dann das Gelände der Firma“, so Felice weiter. „Aber nicht fluchtartig, sondern irgendwie so, als wüssten sie konkret, wo sie hin müssten“, ergänzt er.

Ein Fünftel der Ladefläche frei

Kurze Zeit später seien sie dann verschwunden, so der Mitarbeiter weiter, dem das Ganze auch am Mittwoch noch nicht aus dem Kopf wollte. „Die armen Menschen. Was die wohl mitgemacht haben müssen“, sagt er und schaut einen dabei mit ernster Miene an. Ihm geht vor allem der Blick eines kleinen Mädchens nicht aus dem Kopf. „Ich denke, sie war vier oder fünf Jahre alt. Diesen Blick werde ich nie vergessen. Aber Angst war nicht darin zu sehen.“

Der besagte Lkw war im Übrigen nicht komplett beladen. Nur 600, und keine 800 Reifen wie üblich, befanden sich in dem Auflieger. Felice schätzt, dass rund ein Fünftel der Ladefläche nicht belegt war. Dort kauerten dann die illegal Einreisenden. „Einige saßen auch zwischen den Reifen oder standen auf ihnen. So genau kann ich dass nicht mehr sagen. Es ging alles so schnell.“ Die Menschen, die allesamt Reisetaschen dabei hatten, stiegen aus und ein paar Minuten später war der ganze Spuk dann vorbei. „Ich schätze, dass es fünf Minuten gedauert hat. Keiner redete beim Aussteigen ein Wort. Mir fiel auch noch auf, dass sie allesamt eher unauffällig gekleidet waren.“

Felice Salza verständigte umgehend seinen Chef, der sofort die Polizei alarmierte. Kurze Zeit später brausten dann fünf oder sechs Polizeiautos mit Blaulicht und Sirene aufs Gelände. „Als sie die Sirenen hörten, begannen die illegal Einreisenden zu laufen“, erzählt Salza weiter und zeigt mit seinem Arm in Richtung Wald bzw. in Richtung Belgien.

Fahndung mit Helikopter

Er und der Fahrer des ungarischen Lkws wurden eingehend befragt. Der Fahrer, der nur wenig Deutsch sprach, wurde mit zum Präsidium genommen, wo ein Dolmetscher auf ihn wartete. Nachdem er alles zu Protokoll gegeben hatte, konnte er drei Stunden später die Rückfahrt antreten. Salza stellt sich reichlich Fragen: Wie lange waren die illegal Einreisenden im Lkw? Sind sie bereits in Ungarn eingestiegen? Oder erst unterwegs? Im Inneren des Aufliegers wurde später eine Mineralwasserflasche gefunden, die eindeutig aus Deutschland stammt, da sie ein deutsches Pfand-Logo trägt. Bekamen die Menschen in Deutschland Proviant von einem Helfershelfer? Salza stellt sich auch die Frage, ob der Fahrer des Lkws davon wusste oder gar etwas damit zu tun hat.

„In Zukunft werde ich wohl immer ein mulmiges Gefühl haben, wenn wir die Laster öffnen“, sagt Felice Salza abschließend und hält dabei eine Baseballmütze mit Tarnmuster in der Hand. Aus deren Innerem wurden sämtliche Etiketten herausgetrennt. Neben der Wasserflasche ist auch die Baseballmütze ein stummer Zeuge davon, dass am Dienstag, dem 28. August, rund 20 Personen illegal nach Luxemburg eingereist sind und von denen bislang jede Spur fehlt. Denn die Fahndung, bei der auch der Polizei-Helikopter mit Wärmebildkamera im Einsatz war, verlief ergebnislos.