Montag3. November 2025

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„Feuer, die sich nicht bekämpfen lassen“Iberische Halbinsel leidet unter schlimmsten Bränden seit 20 Jahren

„Feuer, die sich nicht bekämpfen lassen“ / Iberische Halbinsel leidet unter schlimmsten Bränden seit 20 Jahren
Anwohner, die gegen die Ausbreitung des Feuers ankämpften, sind erschöpft Foto: Lalo R. Villar/AP/dpa

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Spanien kämpft gegen das Flammeninferno, die ganze Hoffnung liegt auf einem Wetterumschwung. Tausende Soldaten helfen mittlerweile gegen die Ausbreitung der Feuer.

Ganz Spanien blickt zum Himmel. Nach der gewaltigen Hitzewelle der vergangenen Woche kann nur ein Wetterumschwung mit Regen das Feuerinferno löschen, das derzeit weite Teile des Landes in Atem hält. Die Meteorologen kündigten für die nächsten Tage sinkende Temperaturen und Niederschläge an. Wird dies die ersehnte Hilfe bringen?

„Es wird nicht möglich sein, die Brände zu kontrollieren, solange es keinen Wetterwechsel gibt“, sagt Verteidigungsministerin Margarita Robles, die bereits Tausende von Soldaten an die Waldbrandfront schickte. Sie sprach von „enormer Gier der zahlreichen Großfeuer, die in den meisten Fällen kaum zu löschen sind“.

Das Ausmaß der Katastrophe ist enorm. Laut den Berechnungen des satellitengestützten Copernicus-Systems der EU sind seit Jahresbeginn in Spanien mehr als 375.000 Hektar oder 3.750 Quadratkilometer verbrannt – damit ist 2025 das schlimmste Jahr seit 2006.

Die Größe des verbrannten Territoriums entspricht etwa der gesamten Fläche der Mittelmeerinsel Mallorca. An zweiter Stelle der europäischen Brandstatistik folgt das Nachbarland Portugal, in dem seit Januar 216.000 Hektar Naturlandschaft zu Asche wurde.

Anwohner und Feuerwehrleute bekämpfen ein Feuer bei Rebordondo in der Nähe von Ourense
Anwohner und Feuerwehrleute bekämpfen ein Feuer bei Rebordondo in der Nähe von Ourense Foto: Pablo Garcia/AP/dpa

In Spanien sind die Regionen Galicien, Kastilien-León und Extremadura am stärksten betroffen. Allein in der galicischen Provinz Ourense am Atlantik verkohlten in den letzten Tagen 67.000 Hektar. Große Sorgen bereitete am Dienstag auch ein Großbrand in der Nähe des Dorfes Jarilla in der Provinz Cáceres in der Region Extremadura, wo bereits mehr als 15.000 Hektar von den Flammen erfasst wurden. In der Nachbarregion Kastilien-León waren am Dienstag neun Großfeuer außer Kontrolle.

Die Bilanz der Opfer und Sachschäden ist verheerend: In den letzten Tagen mussten mehr als 30.000 Menschen evakuiert werden. Vier Menschen starben in den Flammen. Zahlreiche Personen wurden schwer verletzt, darunter mehrere Feuerwehrleute. Eine große Zahl von Häusern und Fahrzeugen verbrannten.  

Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez, der seinen Urlaub auf der Kanareninsel Lanzarote unterbrach und ins Brandgebiet reiste, zeigte sich erschüttert. Er warnte, dass der globale Klimawandel „immer schwerwiegendere“ Naturkatastrophen provoziere. „Die wissenschaftlichen Belege zeigen, dass sich die Folgen der Klimakrise beschleunigen.“

Soldaten an der Brandfront

Die Regierung schickte in den letzten Tagen Tausende von Soldaten an die vorderste Linie der Brandbekämpfung. Im ganzen Land sind Zehntausende freiwillige und professionelle Löschhelfer im Einsatz. In der Region Extremadura helfen inzwischen auch 66 Waldbrandbekämpfer aus Deutschland.

Verteidigungsministerin Robles warnte aber angesichts des nicht endenden Feuerinfernos vor zu großen Hoffnungen: „Wir dürfen die Bürger nicht täuschen. Es fehlen keine Mittel zur Brandbekämpfung, aber es gibt Feuer, die sich nicht bekämpfen lassen.“

Die konservative Opposition hatte von der Regierung eine noch größere Beteiligung des Militärs gefordert. Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo warf Sánchez vor: „Während halb Spanien brennt, ist die Regierung der Dimension dieser Katastrophe nicht gewachsen.“ Er sagte allerdings nicht, dass für die Brandvorbeugung, Waldpflege und Feuerbekämpfung zunächst einmal die Regionalregierungen zuständig sind.

Feuerwehrleute stehen vor den Flammen eines Waldbrandes im Nordwesten des Landes
Feuerwehrleute stehen vor den Flammen eines Waldbrandes im Nordwesten des Landes Foto: Lalo R. Villar/AP/dpa

Kritik an mangelndem Brandschutz

Die kommunalen und regionalen Politiker stehen wiederum in der Kritik, weil sie nach Ansicht von Umweltschützern die Wälder verwildern lassen, nicht genügend in den Brandschutz investieren und bei der Waldfeuerwehr sparen. „Das größte Problem ist die Vernachlässigung der Wälder“, sagen Forstexperten.

Fachleute weisen darauf hin, dass die Waldfläche Spaniens in den letzten 50 Jahren von 12 auf 18 Millionen Hektar gewachsen ist, was mit der Landflucht und dem Rückgang der Landwirtschaft zu tun habe. Die Investitionen in die Brandvorbeugung seien indes um 25 Prozent gesunken. „Die einzige Möglichkeit zu verhindern, dass Großfeuer nicht ganze Landstriche verschlingen, besteht darin, die Landschaft weniger entzündlich zu machen“, erklärt die Umweltorganisation WWF.

Nach einer Katastrophenwoche ruht die Hoffnung nun vor allem auf dem Wetter: Die Meteorologen warnen zwar weiterhin vor extremer Brandgefahr in fast ganz Spanien, kündigen aber zugleich ein langsames Abklingen der Hitzewelle an. „Man muss das Zeitfenster des Temperaturrückgangs nutzen”, mahnte Alfonso Rueda, der Ministerpräsident der Region Galicien. In den nächsten Tagen könnten zudem Regenfälle die erhoffte himmlische Hilfe bringen.

Haft wegen Fahrlässigkeit

Aber nicht nur das extreme Klima mit großer Trockenheit und starken Winden ist an der Welle von Großbränden in Spanien schuld. Auch fahrlässige oder vorsätzliche Brandstiftung spielt in etlichen Fällen eine Rolle. Seit Juni wurden in ganz Spanien 27 Personen unter dem Verdacht festgenommen, Waldbrände verursacht zu haben. Gegen 92 weitere Menschen wird wegen gezielter Brandstiftung oder Fahrlässigkeit ermittelt.

Laut der spanischen Staatsanwaltschaft sind sogar die meisten Brände auf menschliches Handeln zurückzuführen: 24 Prozent der Waldbrände im vergangenen Jahr wurden absichtlich gelegt, 69 Prozent entstanden durch Fahrlässigkeit, nur ein kleiner Teil der Feuer entstand durch natürliche Ursachen wie etwa Trockengewitter.

Ein Feuerwehrmann bekämpft ein Feuer, das sich auf das Dorf Rebordondo in der Nähe von Ourense im Nordwesten Spaniens ausbreitet
Ein Feuerwehrmann bekämpft ein Feuer, das sich auf das Dorf Rebordondo in der Nähe von Ourense im Nordwesten Spaniens ausbreitet Foto: Pablo Garcia/AP/dpa

In der Region Galicien sitzt zum Beispiel ein Mann in Haft, weil er beim Grasmähen mit einer Maschine ein Feuer ausgelöst haben soll, das 11.000 Hektar zerstörte. Angesichts der großen Waldbrandgefahr hatten die Behörden in einigen Gebieten den Einsatz von landwirtschaftlichen Maschinen verboten, weil bei diesen Arbeiten Funken entstehen können.

Unterdessen wächst die Wut der Bevölkerung. In der Stadt León gingen Hunderte von Menschen auf die Straße und riefen: „Das Feuer verwüstet, die Regionalregierung versagt.“ Sie forderten den Rücktritt des Umweltministers und auch des Ministerpräsidenten in der Region Kastilien-León.

Die Demonstranten warfen den Politikern Kürzungen im Brandschutz und bei der Flurbereinigung vor. Sie skandierten: „Die Großfeuer des Sommers löscht man im Winter“ – ein Mahnruf, den Feuerwehrleute und Experten seit Jahren wiederholen, der aber in der Politik ungehört verhallt.