Homophobie in Luxemburg: Gonçalo Rhea wurde am Wochenende brutal angegriffen

Homophobie in Luxemburg: Gonçalo Rhea wurde am Wochenende brutal angegriffen

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Ein junger Mann wurde am vergangenen Wochenende brutal zusammengeschlagen. Sein Erscheinungsbild ließ eine Gruppe Jugendlicher darauf schließen, dass er schwul ist. Das passte ihnen nicht. Gonçalo Rhea beschloss, den Vorfall auf Instagram zu veröffentlichen. Der Jahresbericht des „Centre pour l’égalité de traitement“ zeigt, dass seine Geschichte kein Einzelfall ist.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Melody Hansen

Der 20-jährige Gonçalo Rhea ist Influencer und Musiker aus Luxemburg. Als er am vergangenen Samstagabend gegen 23.30 Uhr zusammen mit seinem besten Freund auf einer Parkbank der „Kinnekswiss“ in der Hauptstadt sitzt, kommt plötzlich eine Gruppe von etwa sechs jungen Männern auf sie zu. Die meisten von ihnen sind Rheas Beschreibungen zufolge minderjährig. Sie beginnen, den beiden zuzurufen, sie seien ein schwules Paar, Homosexuelle. Kurze Zeit später bilden sie einen Kreis um Rhea und seinen Freund. Einer schlägt Rhea ins Gesicht. Dieser will sich wehren und steht auf, schreit den Angreifer an.

Dann passiert alles sehr schnell. Plötzlich legt einer den Arm um seinen Hals und würgt ihn ungefähr 20 Sekunden lang. „Ich bin zu 100 Prozent ehrlich mit euch, wenn ich das sage: Ich dachte in dem Moment, dass ich so sterbe“, schreibt der 20-Jährige in seiner Instagram-Story. Er kann sich nicht bewegen, nicht atmen. Sie stoßen ihn zu Boden und treten ihn mit Fäusten und Füßen. Dann stehlen die Angreifer seine Kopfhörer, sein Bargeld, das Bargeld seines Freundes, dessen Handy, die Kreditkarte, die Sozialversicherungskarte und den Pass.

Angst

Gonçalo Rhea hat das, was er in der Nacht von Samstag auf Sonntag erlebt hat, detailliert in seiner Instagram-Story beschrieben. „Ich spreche so offen über das, was mir passiert ist, weil es ein Problem ist!“, schreibt der Influencer. „Es ist 2019 und Menschen müssen Angst haben, aufgrund ihres Kleidungsstils oder ihrer sexuellen Orientierung zusammengeschlagen zu werden. Und das hier in Luxemburg.“

Nach dem Vorfall gingen Gonçalo Rhea und sein Freund sofort zum Polizeibüro. Sie erstatteten Anzeige. Wie Rhea berichtet, konnten zwei der Täter sofort von den Beamten gestellt werden und mussten die Nacht in einer Zelle verbringen.

„Homophobie ist in Luxemburg immer noch ein Tabuthema“, sagt Enrica Pianaro, Soziologin beim Lesben- und Schwulen-Beratungszentrum Cigale. Opfer haben oft Angst und behalten ihre Erfahrungen deshalb für sich. Dabei sind solche Vorfälle leider keine Seltenheit. Umso wichtiger ist es für Rhea, offen darüber zu sprechen.

Aufgrund des 17. Mai, des internationalen Tags gegen Homophobie, waren am vergangenen Wochenende viele LGBTQ+ (die Abkürzung steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen)- Organisationen sichtbar. „Viele ihrer Stände wurden angegriffen oder sabotiert“, so die Sozialpädagogin gegenüber dem Tageblatt. Sie weiß zudem von einem ähnlichen Fall, der sich am gleichen Wochenende in der Hauptstadt zugetragen haben soll.

Dem „Centre pour l’égalité de traitement“ (CET) wurden alleine 2018 insgesamt 126 neue Fälle gemeldet, in denen Menschen in Luxemburg diskriminiert wurden. Weitere 24 Dossiers konnten im Vorjahr nicht abgeschlossen werden und wurden 2018 weiter behandelt. Dabei fällt bereits eine Beleidigung unter Diskriminierung. Es kann sich aber auch um die Ausgrenzung beim Vorstellungsgespräch, Veranstaltungen oder Orten handeln. Dazu gehören im schlimmsten Fall körperliche Angriffe, wie im Fall von Gonçalo Rhea. Gründe für die beim CET gemeldeten Diskriminierungen waren neben der sexuellen Orientierung auch Herkunft, Alter, Religion, eine Behinderung oder das Geschlecht des Opfers. Bei 66 Opfern handelte es sich um Frauen, 64 davon waren Männer und in 20 Fällen wurden keine Angaben zum Geschlecht gemacht. Sechs Menschen haben sich nach einer Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beim CET gemeldet. Der Großteil der gemeldeten Diskriminierungen finden aufgrund eines Handicaps statt.

Dunkelziffer

Hilfe

Opfer einer Diskriminierung können sich beim „Centre pour l’égalité de traitement“ melden. Waren es gezielt homophobe Angriffe oder Ausgrenzungen, bietet auch das Lesben- und Schwulen-Beratungszentrum Cigale Hilfe an.

Kontakt
„Centre pour l’égalité de traitement“: www.cet.lu
Cigale: www.cigale.lu

Wie hoch die Dunkelziffer ist, ist sehr schwer zu sagen. Bei der Luxemburger Polizei werden solche Vorfälle wie die von Gonçalo Rhea als „coups et blessures volontaires“ eingeordnet. Dazu, ob diese Angriffe diskriminierender Natur sind, gibt es in den Polizeistatistiken keinerlei Angaben. Die einzigen Zahlen, die hierzu existieren, sind also jene des CET – und hier werden nur die Fälle aufgezeichnet, in denen sich Opfer bei der Organisation melden.

„Das ist bei weitem das Schlimmste, was mir bisher in meinem Leben passiert ist. Ich stehe immer noch unter Schock und muss wahrscheinlich professionelle Hilfe aufsuchen“, so Gonçalo Rhea in seiner Story. Er hat seinen Instagram-Account inzwischen vorübergehend deaktiviert.


Kritik des CET

Dem „Centre pour l’égalité du traitement“ wurde von mehreren Personen gemeldet, dass ihre polizeiliche Anzeige nach einer Diskriminierung ohne Folgen klassiert wurde. Das CET vermutet in seinem Bericht, dass es der Staatsanwaltschaft an nötigen Mitteln fehlt, um Diskriminierungsfällen homophober oder rassistischer Natur in Form von Beleidigung oder Körperverletzung nachzugehen. Die Organisation schlägt der Staatsanwaltschaft vor, mehr Personal einzustellen, um solchen Anzeigen künftig nachgehen zu können. Zudem kritisiert das CET, dass diskriminierende Handlungen nicht ausreichend bestraft werden. Eine antidiskriminierende Gesetzgebung sei unzureichend, wenn keine Strafen ausgesprochen würden. Für versuchte diskriminierende Taten sehe das Strafrecht derzeit keine Sanktionen vor. Das CET fordert, dass bereits der Versuch einer Diskriminierung bestraft wird, so wie es bei anderen Straftaten der Fall sei.

GuyT
22. Mai 2019 - 20.23

Luxemburg ist ein offenes Land und sicherlich nicht als schwulenfeindlich darzustellen. Bekennende Schwule werden von den Luxemburgern an die Spitzen des Landes gewählt, weil eben hier die Kompetenz und der Mensch zählt! Warum geht der Artikel nicht näher auf die Gruppe Jugendlicher ein? Um welche Gesellen handelt es sich hier? Wenn andere Fälle bekannt sich, wäre es schon interessant ein typisches Täterprofil herauszuarbeiten, um zu versuchen diese Zielgruppen sozial-politisch umzuerziehen. Pauschale Vorwürfen sind jedenfalss nicht sinnführend!