Agiert Putin wie Hitler?Historiker erläutern: Ein Vergleich ist möglich, ein Gleichsetzen nicht

Agiert Putin wie Hitler? / Historiker erläutern: Ein Vergleich ist möglich, ein Gleichsetzen nicht
Ein Wandbild in Prag: Bärtchen, Scheitel, es ist nicht schwer, jemanden wie Hitler aussehen zu lassen Foto: dpa/Michael Heitmann

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Erinnert die Abfolge von Putins Krim-Annexion, Donbass-Besetzung und Angriff auf die Ukraine nicht fatal an Hitlers Vorgehen mit dem Anschluss Österreichs, der „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ und dem Angriff auf Polen? Warum ein Vergleich möglich ist, ein Gleichsetzen jedoch nicht.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine war noch keinen Tag alt, da protestierte ein junger Mann vor dem Brandenburger Tor in Berlin mit einem Plakat und einem darauf gepinselten Vorschlag: „Hey Putin, lass uns zu dem Teil vorspulen, an dem Du Dich in einem Bunker selbst tötest.“ Tags drauf war derselbe Spruch, nun schon in gedruckter Form auf einem Plakat vor der russischen Botschaft zu lesen, dieses Mal ergänzt um ein Porträt des russischen Präsidenten – mit einem Hitlerbärtchen. Europa hatte sich daran gewöhnt, dass zumindest auf diesem Kontinent der Überfall auf ein souveränes Land seit dem Zweiten Weltkrieg vorbei zu sein schien – seit Hitlers Überfall auf Polen und nachfolgende Kriege gegen viele weitere Nationen. Deshalb wähnten nicht wenige das finsterste Kapitel Europas zurück.

Und doch: Soll man, kann man, darf man Wladimir Putin mit Adolf Hitler vergleichen?

Wenn Politiker aus den NS-Vergleichen der Nachkriegszeit eines gelernt haben, dann dass sie immer nach hinten losgehen. Als sich etwa 2002 die SPD-Justizminister Herta Däubler-Gmelin über US-Präsident George Bush aufregte, der mit Kriegen von innenpolitischen Problemen ablenke, und dann hinzufügte: „Das kennen wir aus unserer eigenen Geschichte, seit Adolf Nazi“, da löste das nicht nur transatlantische Verwerfungen aus, sondern führte dazu, dass sie dem neuen Kabinett nicht mehr angehörte.

Auch in den Corona-Protesten wurde in vielen Staaten der EU immer wieder davor gewarnt, die Hygiene-Vorgaben der Regierungen mit der verbrecherischen Politik im nationalsozialistischen Deutschland zu vergleichen. Wegen Unangemessenheit, wegen Verharmlosung des NS-Unrechts, wegen Verhöhnung der Opfer. Und doch fallen bei Putins Gewalt im Innern wie im Äußern immer wieder Parallelen zu Hitler auf.

Hitler, Mussolini, Milosevic – in die Reihe der Ultranationalisten passt er gut

Einer der renommiertesten deutschen Historiker, Heinrich August Winkler, seziert bei der Antwort auf die Frage nach einer Vergleichbarkeit zunächst das Wort selbst: „Vergleichen heißt nicht gleichsetzen“, schreibt er in einem Gastbeitrag für die Zeit. Beim Vergleichen werde nicht nur das Gemeinsame herausgearbeitet, sondern auch das Trennende. Er stellt sodann im ersten folgenden Satz fest: „Natürlich ist Putin kein neuer Hitler.“ Nichts deute darauf hin, dass er die Juden hasse und ausrotten wolle. Allerdings vergleicht er dann den Ultranationalisten Hitler mit dem Ultranationalisten und Faschistenführer Benito Mussolini und dem Ultranationalisten und Serbenführer Slobodan Milosevic. Und stellt dann fest: „Wladimir Putin passt erschreckend gut in diese Reihe.“

Winkler arbeitet heraus, dass Mussolini wie Hitler sich selbst als Opfer mächtiger Feinde stilisierten – so wie dies Putin aktuell mit Verweis auf die NATO-Erweiterung tue. Und auch im Vorgehen ergeben sich auffällig ähnliche Muster. Da war damals der von Hitler verfolgte „Anschluss“ Österreichs, die Angliederung des Sudetenlandes, die Abspaltung der Slowakei und die „Zerschlagung der Rest-Tschechei“, bevor Hitler zum Angriffskrieg gegen Polen ausholte. So wie heute auf die Annexion der Krim, die Abtrennung der östlichen ukrainischen Teile um Luhansk und Donezk folgte, bis Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine startete. „Die Analogie des Vorgehens ist schlagend“, urteilt der Historiker.

Vermischung statt Vergleich: Auch mit Plakaten mit der Aufschrift „Stop Putler“ wird demonstriert
Vermischung statt Vergleich: Auch mit Plakaten mit der Aufschrift „Stop Putler“ wird demonstriert Foto: dpa/Boris Roessler

Darüber hinaus erscheint Winkler bei den jeweiligen Begründungen für ihre Aggression „Putin wie ein gelehriger Schüler Adolf Hitlers“. Hitler berief sich bei seiner Expansion auf das „alte deutsche Reich“ und die darin begründeten Traditionen. Putin machte ebensolche gemeinsamen Wurzeln und Zusammengehörigkeiten von Russen, Weißrussen und Ukrainern geltend, als er der Ukraine „keine eigene Staatlichkeit“ zuerkannte. Eine weitere Parallele: Putin gab vor, nur angeblich bevorstehende, von der NATO gesteuerte Angriffe der Ukraine auf Russland verhindern zu wollen und ließ im Vorfeld zahlreiche angeblich ukrainische Provokationen unter „falscher Flagge“ inszenieren. Auch Hitler schickte 1939 SS-Leute in polnischen Uniformen los, die diverse „Überfälle“, etwa auf den Sender Gleiwitz, verübten, damit Hitler verkünden konnte, dass nun „zurückgeschossen“ werde.

Erstaunliche Parallelen ergeben sich bis hinein in die Details der Propaganda. Die gesamte Schlagkraft von Luftwaffe, Artillerie und Infanterie setzte Hitler gegen Polen ein, und doch gab er über seinen Propagandaminister Joseph Goebbels die Order aus, das Wort „Krieg“ einstweilen zu vermeiden. So wie Putin die Verwendung des Wortes „Krieg“ für die „Spezialoperation“ mit Schiffen, Panzern, Artillerie und systematischer Bombardierung von Wohngebieten sogar unter Strafe stellen ließ. Und so wie Hitlers Vertrauter Goebbels 1943 den Begriff „totaler Krieg“ verwendete, sprach 2022 auch Putins Vertrauter Sergej Lawrow wieder vom „totalen Krieg“ – allerdings als Bezeichnung für die Sanktionen des Westens gegen Russland.

Stalins Handbuch des totalitären Politikers studiert

Die inzwischen verstorbene ehemalige Historikerin und US-Außenministerin Madeleine Albright befasste sich intensiv mit Putin und kam zu einem bezeichnenden Schluss: „Putin ist nur deshalb kein ausgewachsener Faschist, weil er es nicht nötig hat.“ Er habe stattdessen Stalins Handbuch des totalitären Politikers studiert und darin Passagen unterstrichen, „um darauf zurückzugreifen, wenn es ihm angebracht erscheint“. Sie beschreibt weiter, wie Putin sich eine von der Armee unabhängige Nationalgarde schuf. Ein Vorgehen, das auch Hitler schon nutzte, um die Weimarer Republik zu destabilisieren und dann Gegner aus dem Weg zu räumen. Auch bei Putin seien Gegner in „verdächtig hoher Zahl“ unter dubiosen Beschuldigungen weggesperrt worden oder unter nie geklärten Umständen ermordet worden.

Bei dem Vergleich von Putin mit Hitler geht es zumeist nicht um Erkenntnisgewinn, sondern um Brandmarkung

Militärhistoriker Sönke Neitzel

Gleichwohl liegt ein unübersehbarer Unterschied in der rassistischen Verblendung Hitlers, die bereits in seiner programmatischen Schrift „Mein Kampf“ Ausdruck findet und sich dann zum Wahn mit fabrikmäßig betriebener Vernichtung von Millionen von Juden in Europa steigerte.

Auch beim Kriegsvergleich rät Militärhistoriker Sönke Neitzel zur Vorsicht: „Bei dem Vergleich von Putin mit Hitler geht es zumeist nicht um Erkenntnisgewinn, sondern um Brandmarkung“, lautet seine Analyse. Natürlich müsse klar benannt werden, dass Putin einen völkerrechtswidrigen Krieg führe, dass er die Genfer Konventionen breche, also Kriegsverbrechen begehe. Einen Vernichtungskrieg führe Putin nach bisherigen Erkenntnissen aber nicht. „Man sollte mit solchen historisch besetzten Begriffen vorsichtig sein. 2022 ist nicht 1941“, unterstreicht Neitzel. Intention und Ausmaß der Gewalt seien damals vollkommen andere gewesen. „In den allermeisten Kriegen geschehen Verbrechen. Vernichtungskriege sind es deshalb aber noch nicht“, stellt der Potsdamer Historiker fest.

Lolita
3. April 2022 - 14.44

1940-1945 gab es einen General Stauffenberg, der eine Idee hatte, dies müsste auch auf Putin zukommen, sonst haben doch die Yankees es fertig gebracht Taliban und Saddam zu bekämpfen,will man nicht oder ist es mutlos.