BalkanGipfel soll Annäherung von Kosovo und Serbien besiegeln – mit ungewissen Erfolgsaussichten

Balkan / Gipfel soll Annäherung von Kosovo und Serbien besiegeln – mit ungewissen Erfolgsaussichten
Noch am 5. März demonstrierten in Belgrad serbisch-orthodoxe Christen und Nationalisten gegen Pläne der EU über eine Annäherung Serbiens und des Kosovo Foto: AFP/Oliver Bunic

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Die EU-Vermittler sind optimistisch. Die Streithähne geben sich wieder einmal unversöhnlich – und skeptisch: Die Ex-Kriegsgegner Kosovo und Serbien sollen sich am Samstag am mazedonischen Ohridsee auf die Normalisierung ihrer Beziehungen verständigen. Der Erfolg der Mission ist keineswegs ausgemacht.

Erwartungsfrohe Zuversicht sieht anders aus. „Wenn jemand nicht bereit zu Gesprächen ist, weiß ich nicht, was der Sinn davon ist“, poltert Serbiens Präsident Aleksandar Vucic vor dem Gipfeltreffen mit Kosovos Premier Albin Kurti am Samstag im mazedonischen Ohrid. Er sei „optimistisch“, verkündet zwar Kurti. Doch ob es zu der geplanten Unterzeichnung des EU-Vorschlags zur Normalisierung der Beziehungen komme, hänge nicht von ihm ab. Bereits Ende Februar habe er angeboten, das Papier zu unterzeichnen: „Aber die andere Seite war nicht dazu bereit.“

Unablässig drückten sich EU- und US-Emissäre in diesen Tagen in Belgrad und Pristina die Klinken in die Hand, um die Ex-Kriegsgegner vor dem mit Spannung erwarteten Stelldichein am Ohridsee auf die anvisierte Zwangseinigung einzuschwören. Sie hoffe, „Unterschriften zu sehen“, so die Kosovo-Beauftragte des Europaparlaments, Viola von Cramon. Kosovo und Serbien müssten „das Momentum nutzen“, fordert EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen: „Dies ist eine Chance für beide Seiten.“ Es gehe „nicht um Kapitulation, sondern um Normalisierung“, beteuert der EU-Sonderbeauftragte Miroslav Lajcak: „Das Ziel ist nicht, dass jemand verliert oder gewinnt, sondern dass wir eine Win-win-Situation für beide Seiten schaffen, die ihnen die europäische Tür öffnet.“

Das Ziel ist nicht, dass jemand verliert oder gewinnt, sondern dass wir eine Win-win-Situation für beide Seiten schaffen, die ihnen die europäische Tür öffnet

Miroslav Lajcak, EU-Sonderbeauftragte

Auf EU- und US-Druck hatten sich Vucic und Kurti bereits am 27. Februar auf die grundsätzliche Annahme des EU-Plans verständigt. Bei einer Umsetzung könnte dieser die labilen Beziehungen tatsächlich in ein ruhigeres Fahrwasser steuern. Zwar sieht das Papier keine direkte Anerkennung der von Belgrad abgelehnten Eigenstaatlichkeit des seit 2008 unabhängigen Kosovo vor. Doch die festgeschriebene Anerkennung von Hoheitszeichen, Autokennzeichen und Zollpapieren käme nicht nur einer faktischen Anerkennung gleich, sondern würde auch den grenzüberschreitenden Alltag erheblich erleichtern.

Auch der Passus, dass Serbien sich Kosovos Zutritt zu internationalen Organisationen künftig nicht mehr widersetzen dürfe, käme einer Umkehrung der bisherigen Außenpolitik Belgrads gleich. Umgekehrt soll Pristina laut EU-Plan endlich die 2013 zugesagte Schaffung eines Verbands der serbischen Kosovo-Kommunen ermöglichen und mit der Regelung des Status der serbisch-orthodoxen Kirche deren Klöster besser schützen.

Doch ob der EU-Plan auch unterzeichnet und umgesetzt wird, ist noch keineswegs ausgemacht. Zum einen ist noch nichts unterschrieben. Zum anderen scheinen sich die Positionen der beiden Kontrahenten seit ihrem Treffen in Brüssel eher weiter voneinander entfernt als angenähert zu haben. Vucic schloss in dieser Woche nicht nur die Zustimmung zu einem UN-Beitritt Kosovos, sondern selbst die faktische Anerkennung der Unabhängigkeit der Ex-Provinz aus. Umgekehrt fordert Kurti von Belgrad weiter die Anerkennung des Kosovo, bevor ein serbischer Gemeindeverband geschaffen werden könne.

Droht am Ohridsee eine erneute Verhandlungspleite oder der von Brüssel erhoffte Durchbruch? Schwer abzuschätzen ist, wie und ob beide Seiten ihre Meinungsunterschiede überbrücken können, und ob wieder vertagt, ein fauler Kompromiss oder tatsächlich eine Einigung über die Umsetzung des EU-Plans erzielt wird. Von einer Gleichung „mit vielen Unbekannten“ spricht die serbische Zeitung Danas: „Wer wird nachgeben – Kurti oder Vucic?“

Westen drückt aufs Tempo

Am Samstag sei eher „mit einem Murmeltiertag als mit einem D-Day“ zu rechnen, orakelt derweil düster die Belgrader Zeitung Blic. Tatsächlich dürfte das Weichkochen der Balkan-Dickschädel die größte Herausforderung für die EU-Vermittler bleiben. Doch im Gegensatz zu früheren Jahren ist deren Langmut begrenzt: Der Westen drückt aufs Tempo.

Jahrelang schienen sich die ohnehin erweiterungsmüden EU-Partner kaum daran zu stören, dass die beiden unwilligen Nachbarn bei ihrem von Brüssel moderierten, aber völlig fest gefahrenen „Dialog“ verbissen und weitgehend ergebnislos auf der Stelle traten. Doch seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist der Westen entschlossen, den Einfluss Moskaus auf dem Westbalkan zurückzudrängen – und den potenziellen Konfliktherd zu befrieden.

Doch auch wegen der 2024 anstehenden Europa- und US-Präsidentschaftswahlen drängen Brüssel und Washington zur Eile: Die den Wahlen folgende Neubesetzung der EU-Kommission und ein etwaiger Machtwechsel in Washington könnten einen Ausgleich weiter verzögern.