ForumGilt „Artenschutz“ auch für die Bauern?

Forum / Gilt „Artenschutz“ auch für die Bauern?
 Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

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Das sehr lesenswerte Buch „Le procès de Nuremberg“ von Annette Wieviorka behandelt die Aburteilung der Hauptverantwortlichen des deutschen Angriffskrieges. Das Tribunal über die Kriegsverbrechen des Hitler-Regimes wurde am 20. Oktober 1943 von 17 Nationen (darunter auch unsere Exil-Regierung) in London begründet, um nach Kriegsende die Nazi-Größen zur Verantwortung zu ziehen.  

Der zehn Monate dauernde Prozess startete mit dem Verlesen einer umfangreichen Anklageschrift. Als wesentliches Beweisstück für den lange vorher geplanten Angriff auf Osteuropa wurde aus dem „Hossbach-Protokoll“ zitiert. Oberst Hossbach war militärischer Adjutant Hitlers, der über einer Sitzung der Nazi-Spitzen vom 5. November 1937 das Protokoll verfasste. Vier Jahre vor seinem Angriff auf die Sowjetunion begründete Hitler seine Kriegsziele mit der Notwendigkeit der Schaffung von mehr „Lebensraum“ für die Deutsche Nation. Das Ziel sei nicht die Herrschaft über andere Völker, sondern die Gewinnung von landwirtschaftlich nutzbaren Territorien. Dies sei, so Hitler, absolut erforderlich zur zukünftigen Ernährung des deutschen Volkes. Denn, so der „Führer“, der deutsche „Boden zeigt bereits Anzeichen einer Abnutzung durch den Einsatz von künstlichen Düngemitteln“! 

Adolf Hitler – von dem manche behaupten, er sei selbst Vegetarier gewesen – entpuppte sich somit als ein Vorläufer all jener, die den Einsatz von „künstlichen Düngemitteln“ als „lebensbedrohend“ ansehen. Die für eine Landwirtschaft mit rein „organischen“ Dünge- und Schädlingsbekämpfungs-Mitteln plädieren.  

86 Jahre nach den „Lebensraum“-Phantasmen des „Führers“ produziert das verkleinerte Deutschland auf seinem „abgenutzten“ Boden immer mehr Nahrung. Die Bundesrepublik wurde zu einem wichtigen Exportland agrarischer Produkte.   

Dennoch leben die Sorgen um „ausgelaugte Böden“ immer wieder auf. In Deutschland, aber auch in Luxemburg, wird vielfach gegen „künstliche Düngemittel“ polemisiert. Diese Ideologie der „Naturbelassenheit“ findet immer wieder ihren Niederschlag in der Agrarpolitik der EU.  

Der EP-Abgeordnete Christophe Hansen kritisiert völlig zu Recht „den langsamen Nadelstichmord“ an einer produktiven Landwirtschaft in Europa. Konzipiert von „realitätsfernen Brüsseler Schreibtischtätern“. (De Letzeburger Bauer vom 17.2.23). Etwa der Entwurf für eine „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“. Sicher, der Zeitgeist lebt von wirren Vorstellungen über Natur-, Umwelt- und Artenschutz.  

Zurück zu welcher Natur?  

Es gibt reale Probleme. Aber meistens unrealistische bis grundfalsche Lösungsvorschläge. Welche Natur ist „wiederherzustellen“?   

Die aus dem 19. Jahrhundert, als es nur „Bio“-Bauern gab, mit bloß Mist als Düngemittel? Mit dem Resultat, dass damals das Land seine Einwohner nicht ausreichend ernähren konnte. Zu Zehntausenden wanderten Bauern nach Übersee aus oder mussten sich jenseits der Grenze verdingen. Noch um 1890 gab es im benachbarten Lothringen über 30.000 luxemburgische Grenzgänger.  

Erst mit der Entwicklung der Minen- und Hüttenindustrie kamen neue Möglichkeiten auf für die damals hauptsächlich in der Landwirtschaft – schlecht – beschäftigten Luxemburger. Dank der bei der Eisen-Verhüttung anfallenden Thomas-Schlacke (auch Thomas-Mehl genannt) konnten die Landwirte ab den 1880er Jahren zur Steigerung ihrer Erträge auf ein Phosphat-reiches Düngemittel zurückgreifen.  

Die seit den 50er Jahren in Europa erreichte Ernährungssicherheit ist das Resultat einer europäischen Landwirtschaftspolitik, welche auf Mechanisierung, Düngemittel und Schädlingsbekämpfung setzte. Dabei wurde manchmal übertrieben, was von den Bauern akzeptierte Korrekturen notwendig machte.  

Doch wäre es falsch, für die Natur einen Zustand „wiederherzustellen“, den sie eigentlich nie hatte. Natürliche Natur ist nicht statisch. Sie lebt vom Wandel. Oder sollte man die Baggerweiher bei Remerschen wieder zuschütten? Die Steinbrüche, welche manchen Vogelarten neue Refugien bieten, so lange mit Bauschutt füllen, bis sie planiert werden können? Wie ist es mit den Unesco-geheiligten ehemaligen Tagebauminen im Süden des Landes, wo Fauna und Flora neu erblühten?  

Der natürliche Zustand unseres Landes ist besser, als manche Berufspessimisten klagen. Gewiss, die Wasserqualität ist stellenweise verbesserungswürdig. Dennoch gibt es an die 80 Biberpopulationen in unseren Wasserläufen. Keine heimische Art. Auch nicht die Nil-Gänse oder die Kormorane, die reichlich Fische fangen. Ansonsten sie nicht bleiben würden.  

Der Zustand der Wälder könnte besser sein. Doch das vom damaligen Grünen-Papst Jupp Weber anlässlich der Stürme Anfang der 90er Jahre angesagte Waldsterben fand nicht statt. Die starken Stürme haben für eine gewisse Regenerierung gesorgt. Dennoch bleiben große Teile des Waldbestandes überaltert, sind zu einseitig beforstet. Ein Wald ist ein lebendiger Organismus. Der wie die Menschen von Krankheiten befallen wird und irgendwann abstirbt. 

Unsere Wälder leiden zudem an einer Überpopulation von Rotwild und Wildschweinen sowie importierten Muffel-Tieren. Hört man auf manche Petitionäre an die Chamber, soll das Jagen dennoch verboten werden. Ob der von manchen heiß erwartete Wolf für eine natürliche Regulierung der Wald-Population sorgen wird, steht in den „Gender“-Sternen. Wölfe wie Füchse sind Opportunisten. Ziehen es vor, wehrlose Hühner und Schafe zu reißen, als mit Keilern zu kämpfen.  

Schlagwort Biodiversität

Jedenfalls sind unsere lieblichen Landschaften eher von Versteppung bedroht, falls sich die Gegner von Viehzucht und Milchwirtschaft durchsetzen sollten, als von einem totalen Biodiversitätsverlust.  

Immerhin stehen heute nahezu 30 Prozent des Landes unter Naturschutz. Schwarzstorch und Weißstorch nisten wieder. Uhu, Steinkauz und Wanderfalken sind zurück. Fledermäuse gibt es so viele, dass überall dort, wo Bürgerinitiativen etwas verhindern wollen, etwa den Bau eines Flüchtlingsheimes bei Steinfort oder eines Hotels bei Rodingen, sie ihre Anteilnahme zum Schutz der nicht wirklich bedrohten Säugetiere heucheln können.  

Die an und für sich erstrebenswerte Biodiversität ist zu einem Schlagwort verkommen, vor dem jeder zu kuschen hat. Zuerst der Bauer. Dem zugemutet werden soll, große Teile der landwirtschaftlichen Flächen nicht mehr „produktiv zu nutzen“, nicht einmal zur „Beweidung und Futtererzeugung“. Diese naturbelassenen Flächen dürfen „selbstverständlich“ auch „nicht mit Dünge- oder Pflanzenschutz-Mitteln behandelt werden“, sollten sich die grünen Betonköpfe der Kommission durchsetzen.  

Vor dem Ernährungsausschuss des Deutschen Bundestages stellte sich der Phytomediziner Andreas von Tiedemann gegen die Brüsseler Pläne. Artenverlust durch Pflanzenschutzmittel sei „wissenschaftlich nicht begründbar“. Die Individuenzahl nehme zwar auf den behandelten Flächen ab, was aber nicht die Existenz der Art gefährde.   

Der Agrarwissenschaftler plädierte für neue Züchtungsmethoden von Pflanzen. Durch eine Rearrangierung der natürlichen Abwehrstoffe der Pflanzen dank der CRISPR/Cas-Genschere könnten diese vor Viren-, Bakterien- und Pilzkrankheiten „natürlich“ geschützt werden. Mit einer entsprechenden Reduzierung chemischer Mittel. Dazu müsste Brüssel aber seine gentechnologische Trutzburg schleifen.   

Wie dem auch sei. Mit „Blut-und-Boden“-Theorien des Adolf Hitlers wie auch mit der „Vergötterung“ der Natur durch Umwelt-Aktivisten und grüne Bürokraten ist die Menschheit nicht mehr zu ernähren.   

Moderne Landwirtschaft ist Pflege von Tier und Umwelt. Erfordert aber weiterhin Mechanisierung und damit Energie sowie Düngung und Schädlingsbekämpfung. Wenn dazu natürliche Wirkstoffe über die Genschere aktiviert werden können, umso besser. Ohne Eingriffe geht es jedenfalls nicht. Naturbelassenheit führt bloß zu Verwilderung. Und gefährdet die Ernährungssicherheit.

Der Autor ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter
Der Autor ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter Foto: Editpress/Didier Sylvestre
viviane
14. März 2023 - 10.35

Wohl kaum, die säubern nicht mal die Scheisse von der Strasse.

max.l
13. März 2023 - 19.43

ët ass een e bësien komplizéierten Artikel, vum Hitler iwwert dee béise Wollef, dem Dünger, oder nët Dünger, de gudde Jäer, dé fiir de Gléichgewiicht am Bësch souergt.. ma jo, ëch fannen dat de Wollef d'Jäer ganz gut kann ersätzen, well de Wollëf sëch een Houes fängt well hien hongereg ass.. jo hien huet och schons eemol ee Schoof gerapt, an dat awer sëcher nët fiir all Dag op séi Menü ze setzen.. esou maachen awer Déi, Déi mat de Klabëssen duerch de Bësch rennen, oder nach schlëmmer, eng Klappjuegt.. dobäi huet keen Déier eng Chance, do geet ët op dat Ganzt.. an dann heescht dat, ët ass fiir d'Gläichgewiicht vum Déierebestand ëch schätzen Är Kommentaren.. awer deen do...

Nomi
13. März 2023 - 10.54

Als Bautenminister war den Hr Goebbels jo kompetent, mee wir als Aggrarminister ganz falsch ob der Plaatz gewiescht !