Fährt Kramp-Karrenbauer als neue Kanzlerin einen neuen Kurs in Deutschland?

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Die Ankündigung von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, nach
der Europawahl eine Klausur des Bundesvorstands der Partei am 2. und 3. Juni einzuberufen, hat Spekulationen über einen vorzeitigen Abgang von Kanzlerin Angela Merkel ausgelöst.

Von Andreas Rinke, Berlin

In der Partei gilt dies allerdings nach wie vor als sehr unwahrscheinlich. Merkel selbst wies dies am Dienstag ebenso zurück. Als dringlicher erachtet wird der künftige Kurs der großen Koalition, auch angesichts der abflauenden Konjunktur. Zudem gibt es Spekulationen über eine Kabinettsumbildung nach der Wahl zum Europäischen Parlament – die bei der SPD ohnehin ansteht.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat den Termin nach eigenen Angaben vor allem angesetzt, um nach der Steuerschätzung darüber zu beraten, wie sich die Union in der großen Koalition neu aufstellen soll. Hintergrund sind wiederholte Forderungen der Union, dass die GroKo wegen der sich abkühlenden Konjunktur neue Schwerpunkte setzen müsse. Denn es wird erwartet, dass die Steuerschätzung im Mai erheblich kleinere finanzielle Spielräume der Bundesregierung aufzeigen wird. Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg (CDU) hatte von einem zweistelligen Milliardenbetrag gesprochen, der gegenüber bisherigen Planungen fehlen könnte.

Eigene Duftmarke

Die Terminierung hängt auch damit zusammen, dass nur knapp zwei Wochen später die Fraktionsspitzen der großen Koalition über ihr weiteres Arbeitsprogramm sprechen wollen. Im Herbst wollen Union und SPD insgesamt beraten, wie es in der Koalition weitergehen soll. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer will also zuvor ihre eigene Duftmarke setzen – und dem Unionsteil auch in der Regierung Vorgaben machen.

Das birgt durchaus Zündstoff für die große Koalition, die auseinanderdriften könnte. Denn die SPD will gerade vor den Landtagswahlen im Osten weiter ihr sozialpolitisches Profil schärfen und mit der verabredeten Grundrente eine weitere milliardenschwere Reform auf den Weg bringen. Kramp-Karrenbauer, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und der Wirtschaftsflügel der Union pochen dagegen auf mehr Impulse und Entlastungen für die Wirtschaft.

Wechsel im Kanzleramt

Ausgelöst durch schlechte CDU-Umfragewerte und Druck der konservativen Rechtsaußen in der Union gibt es zudem eine Debatte, ob die Klausur dazu genutzt werden soll, einen Wechsel von Merkel zu Kramp-Karrenbauer im Kanzleramt zu forcieren. Dem wird in der CDU-Spitze aber energisch widersprochen. Denn es werde immer vergessen, dass nach der deutschen Rechtslage und den politischen Kräfteverhältnissen sehr unwahrscheinlich sei, dass dies überhaupt gelingen könne.

Ein Rückzug der keineswegs amtsmüde wirkenden und in Umfragen wieder sehr populären Merkel wird ausgeschlossen. Fragen nach einer möglicherweise schon getroffenen Entscheidung, die sie bei der Klausur verkünden könnte, beantwortete die Kanzlerin am Dienstag „mit einem klaren Nein“.

Zudem gilt als unmöglich, dass die SPD Kramp-Karrenbauer mitten in der Legislaturperiode zur Kanzlerin wählen und ihr damit eine gute Ausgangslage für die nächsten Bundestagswahlen verschaffen würde. Dies haben SPD-Politiker wie Generalsekretär Lars Klingbeil klargestellt.

Als sehr unwahrscheinlich gilt zudem, dass die Grünen mit ihrem Umfrage-Höhenflug einen erneuten Anlauf zur Bildung einer Jamaika-Koalition unterstützen würden – das betonen führende Grünen-Politiker hinter vorgehaltener Hand immer wieder. „Und wer immer für Neuwahlen verantwortlich wäre, wird vom Wähler abgestraft“, bremst man wiederum in der CDU-Spitze alle Personalspekulationen.

Kabinettsumbildung

Und noch etwas spricht gegen einen im Juni eingeleiteten Wechsel an der Spitze der Regierung: Zwar wird auf dem Treffen des Bundesvorstands durchaus eine Debatte über den Ausgang der Europawahl erwartet. Sollte das Ergebnis unter den Erwartungen bleiben, dürfte aber auch oder gerade die neue CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer dafür verantwortlich gemacht werden – was auch nach Einschätzung von CDU-Bundesvorstandsmitgliedern nicht gerade förderlich für ihre Kanzlerinnen-Ambitionen wäre.

Die „kleinere“ Variante personeller Veränderungen betrifft das Kabinett. Dort steht ohnehin ein Wechsel an, weil Justizministerin Katarina Barley als SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl ins Europäische Parlament wechselt. Und bei der Union wird von verschiedenen Flügeln über die Arbeit von Wirtschaftsminister Altmaier, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Bildungsministerin Anja Karliczek gemurrt. Planspiele der Kritiker sehen etwa vor, dass Altmaier als EU-Kommissar nach Brüssel wechseln könnte, sollte EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber nicht EU-Kommissionspräsident werden.

„Auffrischungseffekt“

Was gegen einen Personalwechsel auf der CDU-Seite im Kabinett spricht: Am 2. und 3. Juni wird noch nicht feststehen, ob Weber Kommissionspräsident wird. Außerdem wird in der CDU-Spitze gewarnt, dass sich der „Auffrischungseffekt“ durch einen Ministerwechsel auch an anderer Stelle sehr schnell erschöpfen könnte. Denn auch der oder die Neue müsste zunächst den Koalitionsvertrag umsetzen.

Dazu kommt, dass das Kabinett ureigenste Zuständigkeit von Kanzlerin Merkel ist – die auch in der Vergangenheit bei Personalwechseln zurückhaltend war. Kramp-Karrenbauer wiederum will ausdrücklich nicht ins Kabinett, um mehr Beinfreiheit und Zeit für die Neuaufstellung der CDU zu haben. (Reuters)


MEINUNG
Zu den Spekulationen über einen vorzeitigen Rückzug Merkels

Bereits seit dem vergangenen Herbst schießen die Spekulationen darüber ins Kraut, ob sich Angela Merkel vorzeitig von ihrer Kanzlerschaft verabschieden wird. Nun haben die Mutmaßungen neue Nahrung bekommen. Eine überraschend für Anfang Juni einberufene CDU-Klausur könnte das Ende der Ära Merkel markieren. Nur ist so etwas eben leichter prognostiziert als praktiziert. Und würde sich die Union damit tatsächlich einen Gefallen tun? Zweifel sind angebracht.

Allen Unkenrufen zum Trotz zeichnet sich das schwarz-rote Notbündnis eher durch Stabilität aus. Auch Angela Merkel erweckt nicht den Eindruck, als sei sie amtsmüde. Seitdem sie den CDU-Chefsessel Annegret Kramp-Karrenbauer überlassen hat, wirkt Merkel eher von dem Gedanken getrieben, noch eine Menge erledigen zu müssen. In der Außenpolitik sowieso. Siehe ihre aktuelle Afrika-Reise. Aber auch in der Innenpolitik. Merkel wurde einst Klimakanzlerin genannt. Scheitert die Energiewende in Deutschland, so bliebe dieser historische Makel unweigerlich an ihr haften.

Sozialpolitisch hat man ebenfalls hohe Erwartungen geweckt. Angefangen von der Bekämpfung der Altersarmut bis zur Überwindung des Pflegenotstands. Die Große Koalition sollte sich also besser aufs Regieren konzentrieren als irgendwelchen Untergangsszenarien Raum zu bieten. Den meisten Bürgern ist diese Art der politischen Selbstbeschäftigung ohnehin zuwider. Ganz gleich, ob sie von der Union angezettelt wurde oder von der SPD. Wahr ist allerdings auch, dass die GroKo nicht um eine Kabinettsumbildung herumkommen wird. Denn Justizministerin Barley von der SPD kandidiert für die Europawahl Ende Mai und wird nach Brüssel und Straßburg wechseln.

Für Merkel bietet sich damit die Möglichkeit, auch im Zuständigkeitsbereich der Union neue Gesichter ins Spiel zu bringen. Für Peter Altmaier zum Beispiel, der vielen Parteigängern als Wirtschaftsminister eine Enttäuschung ist. Oder für Anja Karliczek, die als Ressortchefin für Bildung und Forschung heillos überfordert zu sein scheint. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer könnte bei dieser Gelegenheit in die Kabinettsriege aufsteigen, um einer möglichen Kanzlerinnen-Nachfolge neuen Schwung zu verleihen.

Die allgemeine Begeisterung für die Saarländerin hat sich ja doch merklich abgekühlt. Auch vor diesem Hintergrund gibt es keine Notwendigkeit, Merkel demnächst vom Hof zu jagen. Zumal dann auch vorgezogene Neuwahlen unausweichlich wären. Denn die SPD wäre mit dem Klammersack gepudert, im Bundestag für AKK mitzustimmen. Und die Grünen würden nicht in ein rechnerisch mögliches Jamaika-Bündnis gehen, nachdem sie in den Umfragen mittlerweile fast doppelt so stark sind wie die FDP.

Von einem vorzeitigen Platzen der GroKo hätte wohl nur die AfD einen maximalen Vorteil: Man werde Frau Merkel „jagen“, hatte Parteichef Gauland nach der letzten Bundestagswahl verkündet. Die Rechtspopulisten könnten ihr Glück kaum fassen, würden sie Merkel bereits nach der Hälfte der Legislaturperiode zur Strecke gebracht haben.

BillieTH
2. Mai 2019 - 17.00

Energiewende à la Merkel ... Braunkohl statt Nuklear ? Wenn Frau Merkel noch etwass zu erledigen hat, dann ist est ihrer Migrationspolitik von 2015 rückgangig zu machen. Sonst sind CDU, und Parteien wie die CSV die Frau Merkel immer unterstützt haben, nur schwierig wahlbar Ende Mai.

AW-Anton Wagenheber
2. Mai 2019 - 16.52

Das Kanzleramt scheint eine ausnahmslose Amazonendomäne geworden zu sein. Oder hat das mit der Frauenquote zu tun?