Vor nicht einmal fünf Wochen, am 3. Februar, hatten sich die 27 bereits einmal zu einem informellen Treffen versammelt, um ausführlich über die europäische Verteidigung zu sprechen. Das war, bevor Donald Trump die transatlantische Welt auf den Kopf gestellt hat, indem: die USA und Russland erstmals wieder auf Außenministerebene direkte Gespräche führten; die USA ohne Gegenforderung Moskaus weitreichende Zugeständnisse (kein NATO-Beitritt, Aufgabe ukrainischer Gebiete) bezüglich der Ukraine machten; Trump den ukrainischen Präsidenten einen „Diktator ohne Wahlen“ nannte; Trump und sein Vize JD Vance bei Selenskyjs Besuch im Weißen Haus diesen vor der Weltöffentlichkeit demütigten; Trump die militärische Hilfe für die Ukraine einstweilen stoppte, bis Selenskyj bereit sei, auf die sogenannten Friedensbemühungen des US-Präsidenten einzugehen.
Das Sondertreffen finde daher in einem „ganz neuen Kontext“ statt, hieß es am Mittwoch in Brüssel. Es besteht nun mehr denn je ein Gefühl der Dringlichkeit und die schnelle Folge hochrangiger Treffen der vergangenen Wochen in Paris und London dürfte die Erwartungshaltung an die EU-Staats- und Regierungschefs nur noch steigern. Denn sie hinken den Ereignissen hinterher, auch wenn sie darauf pochen, mit am Tisch zu sitzen, wenn über die Ukraine geredet wird. Bislang besteht der Eindruck, dass Washington und Moskau über die Köpfe der Ukraine und der EU hinweg eine Lösung für den Krieg vereinbaren wollten. Die Europäer suchen daher nach Möglichkeiten, sich einzubringen. Es gebe derzeit ein Momentum, das zu einer Waffenruhe und zu Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien führen könnte. Dabei bestehe die EU weiter auf ihrer Position, dass es zu einem gerechten und dauerhaften Frieden kommen müsse. Zudem seien die 27 nicht von ihrer Forderung nach einem Erhalt der territorialen Integrität der Ukraine abgewichen.
In London ergriffen der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer am Sonntag die Initiative mit ihrem Vorschlag, eine einmonatige Waffenruhe zur See, in der Luft und bei der Energieinfrastruktur zu vereinbaren. Wohl um die Ernsthaftigkeit der russischen Friedensabsichten auszuloten. Eine „Koalition der Willigen“ sollte sich zusammenfinden, um dies voranzubringen und im Falle eines Waffenstillstands die nötigen Sicherheitsgarantien zu liefern. Starmer erklärte, dass neben Großbritannien und Frankreich andere Staaten sich bereit erklärt hätten, mitzumachen. Bisher hat sich jedoch noch kein weiterer EU-Staat nach vorne gewagt.
„Frieden durch Stärke“: Festhalten an Strategie
Es bleibt daher dabei, dass bislang nur Frankreich und Großbritannien die Bereitschaft geäußert haben, auch Soldaten zur Absicherung eines Friedens in die Ukraine zu schicken. Welche Rolle die EU und ihre Mitgliedstaaten in dieser Koalition der Willigen und bei einem eventuellen Friedensabkommen spielen wollen, dürfte daher ein bedeutender Gesprächspunkt beim Sondergipfel sein. Ist das eine politische, eine finanzielle Rolle? Die Arbeiten daran würden nun erst beginnen, sagte ein ranghoher Ratsvertreter am Mittwoch in Brüssel.
Vorerst halten die 27 an ihrer Strategie „Frieden durch Stärke“, wie sie auch die Ukraine verfolgt, fest. Das Land soll militärisch, aber auch in anderer Hinsicht weiter gestärkt werden. Die EU sei die größte Wirtschaft der Welt und habe die finanzielle und wirtschaftliche Stärke, das zu tun. Der neue Kontext würde nichts an der bisherigen Strategie ändern, sondern bedeute eher, dass die EU mehr Verantwortung übernehmen müsse, hieß es weiter in Brüssel. Immerhin sind die EU-Staaten die größten finanziellen Unterstützer der Ukraine, und bereits jetzt seien für dieses Jahr 30 Milliarden Euro an Hilfen vorgemerkt. Und es gebe ein Engagement für mehr Unterstützung. Die EU-Staaten verfolgen das Ziel, die Ukraine in eine Position zu bringen, dass Russland davon absieht, das Land weiter – oder später noch einmal – anzugreifen. Das sei ein erster Pfeiler einer Sicherheitsgarantie.
Gipfel will Einigkeit wahren
Allerdings werden auch dieses Mal Ungarn und die Slowakei versuchen, die Unterstützung für die Ukraine auszubremsen. In einem Schreiben an den EU-Ratspräsidenten Antonio Costa schlägt der ungarische Regierungschef Viktor Orban vor, auf eine Gipfelerklärung der 27 zur Ukraine zu verzichten, da sonst „ein Bild einer gespaltenen Europäischen Union“ nach außen getragen werde. Womit die Absichten des Ungarn klar umrissen sind. Orban wünscht sich vielmehr, dass „die EU – dem Beispiel der USA folgend – direkte Gespräche mit Russland über einen Waffenstillstand und einen nachhaltigen Frieden in der Ukraine aufnehmen sollte“. Dieses Ansinnen dürfte allerdings nicht zur Diskussion stehen.
Direkter kam der slowakische Regierungschef Robert Fico in seinem Schreiben an Antonio Costa zur Sache: „Die Slowakei wird die Ukraine weder finanziell noch militärisch unterstützen, um ihr die Fortsetzung des Krieges zu ermöglichen.“ Womit er offensichtlich implizit erklärt, dass er nicht will, dass sich die Ukraine weiter verteidigen kann. Der EU-Ratspräsident wird dennoch bemüht sein, bis zum Abschluss des Treffens Einigkeit zwischen den 27 herzustellen. Mit Orban wurden offenbar bereits Gespräche geführt.
Diskussionen über „ReArm Europe“
Das zweite große Thema wird die europäische Verteidigung und der von der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag vorgelegte „ReArm Europe“-Plan sein. Es ist davon auszugehen, dass die 27 die EU-Kommission auffordern werden, die im Plan enthaltenen Vorschläge schnell voranzubringen. Der Plan sieht unter anderem vor, den Stabilitätspakt flexibler zu handhaben, um den Mitgliedstaaten zu erlauben, ihre Verteidigungsausgaben über die Defizitgrenze von drei Prozent hinweg zu erhöhen, ohne dass es zu einem Verfahren deswegen kommt. Zudem soll eine flexiblere Verwendung von Geldern aus dem Kohäsionsfonds verteidigungsrelevante Investitionen ermöglichen. Weiter sehen die Kommissionspläne ein 150 Milliarden Euro umfassendes „Investitions-Instrument“ vor, über das Mitgliedstaaten für gemeinsame militärische Anschaffungen, die auch an die Ukraine weitergegeben werden können, Kredite gewährt werden.
Nach Angaben des EU-Rats sind die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten in den Jahren 2021 bis 2024 um 30 Prozent gestiegen. Im vergangenen Jahr gaben die 27 EU-Staaten 326 Milliarden Euro für Verteidigung aus.
Die Kommissionsvorschläge seien nicht nur ein Auftrieb für die europäische Verteidigungsindustrie, sondern für die europäische Wirtschaft im Allgemeinen. Das Kommissionspaket sei aber noch nicht das Ende der Geschichte, hieß es zudem in Brüssel, ohne dass weitere Details genannt wurden.
Die entsprechenden Gesetzestexte zum „ReArm-Europe“-Plan könnten bereits vor dem nächsten ordentlichen EU-Gipfel vorliegen. Der findet in zwei Wochen statt.
De Maart

De Paradoxum un der Saach ass, dass eréischt duerch en Donald Trump d'EU ass hirem selbstsüffisantem, iwwerhieflechen Schlendrian erwächt gin ass. Dat war souzesoen de Fouss an den Hënneschten vun enger Von der Leyen & Co... "um in die Gänge zu kommen"!