Weimarer DreieckEU soll mehr Waffen für Ukraine beschaffen

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Nach den Differenzen auf offener Bühne haben Frankreichs, Deutschlands und Polens Staats- und Regierungschefs bei einem Treffen in Berlin neue Einigkeit zu demonstrieren versucht – und dabei das Weimarer Dreieck wiederbelebt.

Es war die Nachfrage eines Journalisten, die das sorgsam vorbereitete Ukraine-Unterstützungstreffen Ende Februar in Paris von der Demonstration europäischer Einigkeit in deren Gegenteil verwandelte. Scharf ging der deutsche Kanzler Olaf Scholz auf Distanz zu den Überlegungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, in letzter Konsequenz auch den Einsatz von Soldaten aus NATO-Ländern innerhalb der Ukraine nicht auszuschließen. Einen neuen Krach dieses Ausmaßes will Scholz zweieinhalb Wochen später im eigenen Kanzleramt vermeiden. Vielleicht hat sich die Ablaufregie aus diesem Grund schon im Vorfeld darauf festgelegt, bloß keine Fragen zuzulassen. Sie sollen die abgelesene Einigkeit auf ihre tatsächliche Festigkeit nicht austesten können.

Erkennbar sind Macron, Scholz und Polens Ministerpräsident Donald Tusk bei dessen ersten Treffen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs im Format des wiederbelebten Weimarer Dreiecks auf die nächste Woche fixiert, wenn es beim EU-Gipfel um die nächsten Absprachen zur Ukraine-Unterstützung geht. Scholz hat sich mit einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Vortag und mit einem Treffen mit dem EU-Ratspräsidenten Charles Michel am Vormittag vorbereitet und damit Signale gesetzt. Scholz nennt es nach der Unterredung sogar ein „glasklares Signal auch in Richtung Moskau“. Man stehe „unverbrüchlich und geeint an der Seite der Ukraine“.

Was Macron unter unverbrüchlich und geeint versteht, hatte er kurz vor dem Flug nach Berlin in einem Interview klargemacht. Darin verband er die wachsende Stärke Russlands und die zunehmende Gefährdung der ukrainischen Verteidigungslinie unmittelbar mit französischen Sicherheitsinteressen und wiederholte die Bereitschaft, auch Bodentruppen einzusetzen. Also genau die Botschaft, die Scholz nach dem letzten Treffen in Paris Ende Februar energisch zurückgewiesen hatte. Macron konnte sich in dem Interview auch nicht verkneifen, gegen Selbstbeschränkungen bei der Lieferung wichtiger Waffen zu sticheln. Er nannte Scholz nicht. Aber nach dem in ganz Europa fast ohrenbetäubend zu hörenden Streit in Deutschland um die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper brauchte er dies auch nicht.

Neue Koalition für Raketenartillerie

Nach dem Treffen versucht Scholz, die angebliche Einigkeit mit der Aufzählung von angeblich gerade getroffenen Beschlüssen zu untermauern. „Ab sofort“ würden „noch mehr Waffen für die Ukraine“ beschafft, und zwar „auf dem gesamten Weltmarkt“. Sie hätten sich auch darauf verständigt, eine „neue Fähigkeitskoalition für weitreichende Raketenartillerie“ ins Leben zu rufen. Einzelheiten würden im Rahmen des nächsten Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein Anfang nächster Woche erläutert. Zudem verweist Scholz auf einen Ausbau der Produktion von Militärgeräten in der Ukraine. Die EU werde ihre Hilfe und die Ausbildungsmission ebenfalls ausweiten. Und der ukrainischen Verteidigung wolle die EU außerdem noch die Zufallsgewinne aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten zugute kommen lassen.

So viel Kanzler-Dynamik – da kann der Präsident natürlich mithalten. „Wir sind willig, wir sind entschieden“, versichert Macron nach einem Dank an den „lieben Olaf“ für die „schnelle“ Einladung zum Treffen im Weimarer-Dreieck-Format. „Alles“ wollten die drei tun, damit Russland den Krieg nicht gewinnen könne. Er versichert auch an dieser Stelle die besondere Verantwortung Frankreichs und den Willen, selbst keine Eskalation zu betreiben. Allerdings heiße das auch, „dass wir einig bleiben müssen“, fügt Macron hinzu und blickt auf seine Berliner Gesprächspartner. Das Treffen habe jedenfalls „die Gelegenheit gegeben, unsere Einigkeit zu stärken“. Und das ist aus seiner Sicht auch vorrangig. Schließlich sei die Lage in der Ukraine „schlimm“.

Kritik an unwilligem Kanzler

Donald Tusk ist erstmals dabei. Die Abwahl der PiS-Regierung hat Frankreich und Deutschland ermuntert, die Gespräche im Weimarer-Dreieck-Format zu verstärken. „Überall“ würden die europäischen Partner nun das angegriffene Land unterstützen, damit dessen Situation besser und nicht schlechter werde. Auch er blickt dabei kurz auf Scholz, der jedoch nicht erkennen lässt, unter welchen Bedingungen auch eine Taurus-Lieferung zu diesem „überall“ gehören kann. Zugleich macht Tusk auf schwierige Seiten im EU-Ukraine-Kapitel aufmerksam und dankt den beiden Gesprächspartnern, die polnischen Probleme mit dem Handel mit ukrainischen Waren anerkannt zu haben.

Bereits nächste Woche werden die Drei beim EU-Gipfel zeigen müssen, was ihre demonstrative Einigkeit wirklich wert ist, um auch die übrigen 24 Partner gegen Russland und für verstärkte Verteidigungsanstrengungen aufzustellen. Sichtlich freuen sich alle drei dann auch schon auf die folgende Weimar-Begegnung: Tusk hat für den Frühsommer nach Polen eingeladen.

Das erste Echo ist zurückhaltend und misstraut den Statements. CDU-Außenexperte Norbert Röttgen sieht weiterhin ein „Führungsvakuum“, das der deutsche Kanzler hinterlasse. Insofern sei es zu begrüßen, wenn Frankreich nun zusammen mit Polen die europäische Führungsrolle übernehme. „Das Weimarer Dreieck ist durch die Unwilligkeit des Kanzlers beschädigt, sein Sinn besteht darin, etwas gemeinsam zu tun und nicht nur zu reden“, sagt Röttgen.