RechtsstaatEU-Bericht zu Luxemburg: Gut, aber es geht noch besser

Rechtsstaat / EU-Bericht zu Luxemburg: Gut, aber es geht noch besser
Hüter des Rechtsstaats: Didier Reynders, EU-Kommissar für Justiz (Zweiter v.r.), zu Gast in der Chamber Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Dem Rechtsstaat Luxemburg geht es gut, oder? Didier Reynders, EU-Kommissar für Justiz, präsentiert den neuesten Bericht zu Justiz, Gewaltenteilung, Medienfreiheit und Anti-Korruption im Großherzogtum – und zeigt auf, wo es noch Nachholbedarf gibt.

Luxemburg hat sich an diesem Montag ein gutes Zeugnis abgeholt. „Die luxemburgische Justiz hat ihr sehr hohes Maß an wahrgenommener Unabhängigkeit in der Öffentlichkeit beibehalten und arbeitet weiterhin effizient.“ Mit diesen Worten beginnt der aktuelle EU-Bericht zum Rechtsstaat in Luxemburg, den Didier Reynders, EU-Kommissar für Justiz, an diesem Morgen der Chamber präsentiert. Besonderes Lob spricht Reynders der Verfassungsreform aus, die im Juli vergangenen Jahres in Kraft trat. Diese sei sehr wichtig gewesen und hätte einen großen Einfluss auf den Rechtsstaat ausgeübt, so der Justizkommissar. Im EU-Bericht wird speziell der neue „Conseil supérieur de la justice“ erwähnt, der die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft gestärkt habe.

Der Bericht zur Rechtsstaatlichkeit für jedes EU-Land ist in vier Themenbereiche aufgeteilt: das nationale Justizsystem, der Rahmen für die Bekämpfung von Korruption, Medienpluralismus und Medienfreiheit sowie andere institutionelle Fragen oder Probleme bezüglich der Gewaltenteilung im Staat. Der vierte EU-weite Bericht zur Rechtsstaatlichkeit wurde im Juli 2023 veröffentlicht. Darin wird zum einen der Zustand des Rechtsstaates als Gesamtlage in der EU untersucht sowie spezifische Empfehlungen an die Mitgliedstaaten in einzelnen Länderkapiteln ausgesprochen. Für die gesamte EU zieht der Bericht eine positive Bilanz. 65 Prozent der Empfehlungen aus dem vorangegangenen Jahr seien ganz oder teilweise umgesetzt worden.

Hilfe bei Prozesskosten

Didier Reynders und Claude Wiseler bei der Vorstellung des EU-Berichts zum Rechtsstaat
Didier Reynders und Claude Wiseler bei der Vorstellung des EU-Berichts zum Rechtsstaat Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Laut Reynders hat Luxemburg seit dem letzten Bericht gute Arbeit geleistet und viele Empfehlungen umgesetzt – jedoch nicht in allen Bereichen. Der EU-Kommissar stellt heraus, dass die Ressourcen und Mittel zur Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität erhöht wurden. Gleichzeitig geht aus dem Bericht aber auch deutlich hervor, dass im Bereich der Justizverwaltung noch mehr digitalisiert werden müsse. Auch den Gerichten des Großherzogtums wird eine gute Note ausgestellt. Mit einer Aufklärungsquote von 99 Prozent hätte sich der Abwärtstrend aus dem Bericht von 2022 wieder umgekehrt und dem Level vor der Pandemie angenähert. Kritisiert wird in rechtsstaatlicher Hinsicht jedoch noch immer der schwierige Zugang zur Prozesskostenhilfe, eine finanzielle Unterstützung für Menschen, die sich keinen Anwalt leisten können. EU-Kommissar Reynders fordert die Chamber dazu auf, diesen Zugang zu erleichtern – woraufhin Parlamentspräsident Claude Wiseler (CSV) vorsichtig widerspricht. Man habe bereits im vergangenen August, jedoch nach Ende des aktuellen Berichtszeitraums, ein Gesetz zur „assistance judiciaire“ verabschiedet.

Ein weiterer zentraler Aspekt des Rechtsstaats sind seine Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption. In diesem Kontext geht Reynders auch kurz auf die Fortschritte ein, die der EU-Beitrittskandidat Ukraine in der Vergangenheit gemacht hat. Über Luxemburg heißt es im Bericht, es verfüge über einen rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Korruptionsbekämpfung, der weitgehend vorhanden sei. „Nach Ansicht von Experten und Geschäftsleuten ist das Ausmaß der Korruption im öffentlichen Sektor relativ gering“, so die EU-Kommission weiter. Im Korruptionswahrnehmungsindex 2022 von Transparency International erreicht Luxemburg 77 von 100 Punkten und liegt damit auf Platz sechs in der Europäischen Union und auf Platz zehn weltweit. Dennoch müsse das luxemburgische Parlament in Hinblick auf den Einfluss von Lobbyisten noch mehr Arbeit leisten, so Reynders. Zwar gebe es mittlerweile ein sogenanntes Transparenzregister, doch das reiche nicht aus. „Der Bericht stellt fest, dass das Transparenzregister für Abgeordnete funktionsfähig und öffentlich zugänglich ist“, sagt der EU-Kommissar. Dessen Struktur und Umsetzung sei jedoch minimal. Die Gesetzgebung zum Lobbyismus müsse noch bewertet werden.

In der anschließenden Fragerunde mit Abgeordneten der Chamber und den luxemburgischen Abgeordneten des EU-Parlaments gibt Christophe Hansen (CSV) zu bedenken, dass Luxemburg ein kleines Land sei, in dem jeder jeden kenne: „Also ist es manchmal trotzdem schwer, zu entkommen, wenn man in ein Restaurant oder auf einen öffentlichen Platz geht, dass man bestimmte Leute nicht sieht.“ EU-Parlamentarier Marc Angel (LSAP) entgegnet: „In Sachen Transparenz macht es keinen Unterschied, ob ein Parlament klein oder groß ist.“ Das luxemburgische Parlament könne sich sehr wohl vom Europäischen Parlament und seinen jüngsten Schritten gegen Korruption inspirieren lassen.

Mehr Mitsprache bei der Gesetzgebung

Was die Medienfreiheit in Luxemburg anbelangt, hält der Bericht der EU-Kommission fest: „Es wurden einige Fortschritte bei der Verkürzung der Bearbeitungszeit von Anträgen von Journalisten auf Offenlegung von amtlichen Dokumenten erzielt, aber einige Forderungen von Journalisten bleiben bestehen.“ Ein allgemeines Informationszugangsgesetz ist schon länger Gegenstand der Debatte. Auf dem Neujahrsempfang der Presse hatte Premier Luc Frieden kürzlich ein ebensolches angekündigt. Eine weitere wichtige Forderung, die die EU-Kommission bezüglich des Rechtsstaats an Luxemburg stellt, ist die Mitsprache von Interessengruppen aus der Zivilgesellschaft beim Gesetzgebungsprozess. Schon in ihrem letzten Bericht hatte die Kommission mehr Möglichkeiten für öffentliche Konsultationen eingefordert. Diese seien aber nicht umgesetzt worden.

Was Luxemburg laut EU-Kommission in Sachen Rechtsstaat noch umsetzen sollte

• den Zugang zur Prozesskostenhilfe verbessern – eine Reform ist bereits in Arbeit
• die Umsetzung der neuen Rechtsvorschriften zur Lobbyarbeit im Parlament evaluieren, ebenso wie das Transparenzregister – und gewährleisten, dass es die Transparenzanforderungen der Geschäftsordnung des Parlaments erfüllt
• die Umsetzung der Maßnahmen sicherstellen, die in Bezug auf die Bearbeitungszeit von Anträgen auf Offenlegung amtlicher Dokumente unternommen wurden – unter Berücksichtigung der europäischen Standards für den Zugang zu amtlichen Dokumenten.
• den legislativen Entscheidungsfindungsprozess verbessern, indem breitere Möglichkeiten für bestimmte Interessengruppen geschaffen werden, um an öffentlichen Beratungen teilnehmen zu können

Im Anschluss an die Präsentation von EU-Kommissar Reynders nutzen die Abgeordneten die Chance auf einen Austausch zum Thema Rechtsstaatlichkeit in der EU. Neben den Sanktionen gegen Russland und den drohenden Wahlerfolgen rechter Parteien bei der kommenden Europawahl geht es in der Fragerunde vor allem um den europäischen Umgang mit Ungarn und Viktor Orbán, der im EU-Rat immer wieder gemeinsame Entscheidungen blockiere. Reynders erklärt, dass die EU weiterhin Gelder an Ungarn nicht freigeben würde, solange die nötigen Reformen nicht umgesetzt würden. Der Kommissar gibt aber auch zu bedenken, dass man einzelne Fortschritte in Ungarn bedenken und honorieren müsse. Das seinen nun einmal die Regeln, so Reynders.

Der Piraten-Abgeordnete Sven Clement spricht den EU-Kommissar für Justiz auch auf ein nationales Thema an: das umstrittene Bettelverbot und die unklare Gesetzeslage zum Verbot einfacher Bettelei im „Code pénal“. Laut Reynders müsse diese Frage auf nationalem Niveau geklärt werden: „Es ist klar, dass man zunächst auf nationaler Ebene das Problem lösen muss, die gleiche Interpretation des bestehenden Rechts zu haben.“

Uwe
25. Januar 2024 - 10.14

Perfektes gibt es nicht in dieser Welt. Also gib es immer die Möglichkeit etwas zu verbessern. Toll dieser Hüter der EU Kommission.

plop
24. Januar 2024 - 23.52

E besschen mei repressiv ging nach goen... eben besser.

Zeltzaam
24. Januar 2024 - 15.09

Ein gut funktionierende Justiz ?

In 2017 reicht die Krankenkasse eine Klage ein gegen ein Zahnartz.

In 2023 ist die Untersuchung noch nicht abgeschlossen. (heute in Tageblatt)

Wieviel Leid von Patienten hat das gekostet ?

Gut funktionierende Justiz ??

marianna
24. Januar 2024 - 7.56

Gin aktuell méi wichteg Themaen.Ech verweisen op EU Entscheedung wou UvdL hädd missen alles offen leen, wou just Tilly Metz dofir gestëmmt hurd.Ukraine Krich, Israel Krich...
Do ass nach fir um Steierzueler ze berappen.Ech wees dass ech vum Artikel ofweschen, awer ech sin doranner enttäuscht...

Ujheen
23. Januar 2024 - 20.24

Här Hottua,

Bei allem Respekt, mais verschount eis mat Äeren ewig gestrigen a net verschafften Traumata aus Äerer Kandheet oder Jugend….bitte!!!
Merci!

Robert Hottua
23. Januar 2024 - 13.10

Ist ein Staat, der es nicht schafft, seine Nazischuld aufzuarbeiten, ein Rechtsstaat?
MfG
Robert Hottua