Caritas-SozialalmanachEs darf kein „weiter wie vor der Krise“ geben

Caritas-Sozialalmanach / Es darf kein „weiter wie vor der Krise“ geben
V.l.: Robert Urbé (Koordinator des Sozialalmanachs), Marie-Josée Jacobs (Caritas-Präsidentin) und Marc Crochet (Caritas-Generaldirektor) bei der Vorstellung der neuesten Ausgabe des „Sozialalmanachs“ Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Dass es nach der Krise nicht so weitergehen darf wie vorher, ist eine bereits oft gehörte Forderung. In ihrem neusten Sozialalmanach versucht die Caritas auch der Frage nachzugehen, wohin es denn aus der Krise gehen soll.

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Seit 2007 kommentiert die Caritas alljährlich in ihrem Sozialalmanach die nationale Sozialpolitik. Üblicherweise geschieht dies vor der Erklärung des Premierministers zur Lage der Nation, die dieses Jahr im Herbst erfolgt. Dass die augenblickliche sanitäre Krise und ihre Auswirkungen Thema der diesjährigen Ausgabe sind, dürfte niemanden verwundern. Die Caritas macht aber nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern blickt nach vorn und fragt: „Wéi ee Lëtzebuerg fir muer? Raus aus der Kris – mee wouhin?“. Die Frage, wie es nach der Krise weitergehen soll, beantwortet der Koordinator des Almanachs, Robert Urbé, mit „op kee Fall weiderfuere wéi virdrun“.

Beginnen tut die Caritas ihre Abhandlung mit einem Blick zurück auf die Sozialpolitik 2020/2021. Seit vorigem Jahr sei allerdings nicht viel passiert, bedauert Caritas-Präsidentin Marie-Josée Jacobs. Es gebe die gleichen Probleme wie im Vorjahr, wobei noch immer das Wohnungsproblem herausrage. Die Krise auf dem Wohnungsmarkt sei dramatisch, und deswegen erfordere sie drastische Maßnahmen, legt Robert Urbé nach. Doch offensichtlich habe der zuständige Minister Henri Kox Angst davor, solche zu ergreifen.

Jacobs wies in diesem Zusammenhang auf das Gesetzesvorhaben über die Baulandverträge hin, das immer noch nicht vom Parlament verabschiedet sei. Wie man im Almanach nachlesen kann, sieht die Caritas auch dirigistische Maßnahmen als notwendig an. Das verfassungsmäßige Recht auf Eigentum dürfe nicht missbraucht und zur Bremse werden. Eigentum verpflichte und dürfe nicht zur Spekulation auf Kosten der sozial Schwachen führen.

Eine komplette Gratis-Kinderbetreuung, die Finanzierung der Renten über die Steuern, flexiblere Arbeitszeiten, die es Eltern erlauben würden, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, sind weitere Forderungen, welche die Caritas dieses Jahr nicht zum ersten Mal hervorbringt.

445 Hilfsgesuche

Die Pandemie stellt auch für Hilfsorganisationen eine Herausforderung dar: Da die Krise das Problem der Armut und des Armutsrisikos verschärft, bedeutet dies auch mehr Arbeit für die Caritas. Für etliche Leute reiche das Geld nicht aus, um entweder die Miete zu bezahlen oder ausreichend Essen zu kaufen. Über die Hotline der Caritas wurden im vorigen Jahr 445 Hilfsgesuche entgegengenommen; 860 Menschen half die Caritas, darunter 308 Kinder. Die Organisation begrüßt in diesem Zusammenhang, dass das Kindergeld ab dem 1. Januar kommenden Jahres wieder an den Index gekoppelt sein werde, doch der erlittene Kaufkraftverlust bleibe.

Kinder und Jugendliche hätten besonders unter der Krise gelitten, viele hätten den Anschluss in der Schule verloren. Doch sie bräuchten nicht nur zusätzliche Unterstützung im schulischen Bereich; auch sie müssten, falls nötig, in den Genuss von psychologischer Hilfe kommen.

Zwei Instrumente, um die Armut zu bekämpfen, sind das „Revenu d’inclusion sociale“ (Revis) und die Teuerungszulage („Allocation de vie chère“), die allerdings auch nicht ausreichten, um in Würde zu leben. Alles in allem müsse die Regierung endlich Nägel mit Köpfen machen. Oft werde die Arbeit als Mittel der Armutsbekämpfung angesehen, doch das stimme nicht mehr: Erstens könne nicht jeder arbeiten und zweitens reiche auch ein Einkommen oft einfach nicht aus.

Ein Mittel, um das Armutsrisiko zu senken, biete eine Reform des Steuersystems, die auf Steuergerechtigkeit abziele, wobei die Caritas ein individualisiertes Steuersystem ablehnt: Was man brauche, sei mehr Solidarität, meint Urbé.

Eine positive Seite der Corona-Krise ist der Anstieg der Spendengelder. Offensichtlich weckte die Krise auch solidarische Gefühle. Laut dem neuen Caritas-Generaldirektor Marc Crochet beliefen sich die Spenden im Vorjahr auf rund zwei Millionen Euro, das sei an Anstieg von mindestens 25 Prozent gegenüber dem Jahr davor gewesen.

Der Sozialalmanach beschreibt im ersten Teil den Ist-Zustand unserer Nationalpolitik; wie jedes Jahr wurde auch dieses Mal ein Minister um einen Beitrag gebeten, dieses Jahr ist es der Premierminister Xavier Bettel selbst, der seine Sicht der Krise und die Maßnahmen der Regierung noch einmal vorstellt. Im zweiten Teil beschäftigen sich Autoren aus dem In- und Ausland in 13 Artikeln mit verschiedenen Aspekten der Frage, wohin Luxemburg nach der Krise steuern sollte.

Der Titel dieses Artikels stammt vom Beitrag des deutschen Wirtschaftswissenschaftlers Wolfgang Kessler, der sich mit den negativen Folgen der neoliberalen Wirtschaftspolitik befasst, die durch die Corona-Pandemie einmal mehr entlarvt wurden. Ein Zurück zur Normalität des Neoliberalismus darf es für Kessler, ebenso wie für die Caritas, nicht geben.

Der Sozialalamanach erscheint dieses Jahr das letzte Mal unter der bekannten Form. Marc Crochet kündigte eine Neuerung an: Ab nächstem Jahr werde er online erscheinen. Bis dato ist er allerdings noch in klassischen Buchhandlungen zum Preis von 19,50 Euro erhältlich.

en ale Sozialist
11. Juni 2021 - 19.47

Und wann meldet sich mal die mondän-feudale " Croix Rouge " zu Wort?