Statec-StudieEine Nation im Verkehr: Mehr Luxemburger pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort

Statec-Studie / Eine Nation im Verkehr: Mehr Luxemburger pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort
Für drei Viertel der Einwohner Luxemburgs liegen Wohnort und Arbeitsplatz in unterschiedlichen Gemeinden Foto: Editpress/Julien Garroy

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Der Berufsverkehr auf Luxemburgs Straßen hat in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen. Und das liegt nicht nur an den Grenzgängern. Auch die Einwohner des Großherzogtums pendeln mehr.

Luxemburg ist unterwegs. Jeden Morgen, jeden Abend, jeden Tag. Man spürt es auf den Straßen, in den Zügen und Bussen. Da sind die vielen Grenzgänger, die über die großen Verkehrsachsen im Westen, Süden und Osten ins Land strömen. Aber auch die Einwohner Luxemburgs legen immer größere Strecken zwischen Wohn- und Arbeitsort zurück. Luxemburg ist im vergangenen Jahrzehnt zu einer Nation der Pendler geworden. Drei von vier luxemburgischen Arbeitnehmern arbeiten nicht an ihrem Wohnort. Laut einer Analyse der Statistikbehörde Statec pendeln 73 Prozent der Erwerbstätigen über mindestens eine Gemeindegrenze.

Es ist nicht leicht, diese Zahlen in einen europäischen Vergleich zu setzen. Dafür sind die luxemburgischen Umstände zu einmalig. Eurostat erhebt zur Binnenpendelei in den EU-Mitgliedstaaten nur Daten auf dem Niveau von Regionen. Luxemburgs Gemeinden sind aber deutlich kleiner, die Pendelquote deshalb höher. Ein möglicher, wenn auch etwas weiter hergeholter Vergleichspunkt: Hessen. Das deutsche Bundesland verfügt wie Luxemburg über viele ländliche Regionen und ein alles überschattendes Ballungszentrum, das Arbeitskräfte aus dem gesamten Umland anzieht. In Hessen pendeln täglich laut Statistischem Amt 1,75 Millionen Berufstätige über die Grenzen ihres Wohnorts zur Arbeit. Das sind knapp 76 Prozent der im Bundesland ansässigen Erwerbstätigen.

Luxemburg liegt also voll im Trend einer gegenwärtigen soziodemografischen Entwicklung. Mehr Arbeit und knapper Wohnraum wirken sich auf die Pendlerströme und die damit verbundenen Infrastrukturbedürfnisse im Land aus. Zwischen den beiden Volkszählungen in den Jahren 2011 und 2021 ist die Gesamtbevölkerung des Großherzogtums um 131.588 Personen gestiegen. Laut Statec besonders interessant: der überproportionale Anstieg in der erwerbstätigen Bevölkerung. Zwischen 2011 und 2021 ist der Anteil der erwerbstätigen Einwohner an der Gesamtbevölkerung von 43,2 Prozent (in absoluten Zahlen: 205.561) auf 48,5 Prozent (287.067) gestiegen.

Fünf Zentren bündeln drei Viertel aller Jobs

Mehr Arbeitnehmer, die sich tagtäglich auf den Weg zu ihrem Job machen. Denn: Der Großteil der erwerbstätigen Luxemburger arbeitet in einem von fünf Beschäftigungszentren. Auf sie entfallen laut Statec 76,8 Prozent der Arbeitsplätze im Land. Das größte ist – wenig überraschend – die Agglomeration Zentrum, auf die mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze im Land entfallen, drei Viertel davon allein in Luxemburg-Stadt. Das zweitgrößte Beschäftigungszentrum bildet die Agglomeration Süd um Esch/Alzette. Hier gibt es zwar schon deutlich weniger Arbeitsplätze (31.000 statt 110.000) als im Zentrum, sie sind gleichmäßiger auf die Gemeinden verteilt. Esch hat zwar nicht dieselbe Wirkung wie Luxemburg-Stadt, gemeinsam bilden die Agglomeration Zentrum und Süd aber den wirtschaftlichen Motor des Landes – mit 70 Prozent aller Jobs in Luxemburg. Das dritte Beschäftigungszentrum ist die „Nordstad“, das Hauptzentrum des Nordens, mit 11.000 Arbeitsplätzen etwa die gleiche Anzahl wie die Gemeinde Esch/Alzette. Die Zentren Nummer vier und fünf bestehen jeweils nur aus einer einzigen Gemeinde: Mersch und Wiltz – mit weniger Arbeitsplätzen.

Was die fünf Beschäftigungszentren eint, ist die gleiche Logik: Sie alle ziehen Arbeitskräfte, die in der Peripherie wohnen, zum Arbeiten in ein Zentrum. Wie sich diese Einzugsgebiete und Pendlerströme im Detail entfalten und wie sie sich über die Zeit entwickeln, ist jedoch sehr unterschiedlich. Das Zentrum um die Hauptstadt zieht Pendler aus dem ganzen Land an. Das Einzugsgebiet des südlichen Ballungsraums um Esch ist dabei deutlich begrenzter. Es erstreckt sich hauptsächlich entlang der südlichen und westlichen Landesgrenze. Menschen leben in einer Gemeinde des Südens und sie arbeiten in einer anderen Gemeinde des Südens. Die jüngste Statec-Analyse zeigt auch, wie sich dieses Einzugsgebiet in den vergangenen zehn Jahren verändert hat: Zwischen 2011 und 2021 hat sich das Pendlergebiet der Agglomeration-Süd in den nordwestlichen Teil des Landes erweitert, genauer: in den Kanton Redingen. Das Gebiet „Nordstad“ hingegen hat sein Einzugsgebiet in diesem Zeitraum vor allem nach Norden und Nordosten ausgedehnt.

Das alles hat natürlich Auswirkungen auf die Verkehrsströme. Die Agglomeration Zentrum ist auf die Hauptstadt des Landes zentralisiert und zieht deshalb die meisten und größten Verkehrsströme des Landes an. Kein Wunder also, dass die A3 aus dem Süden ins Zentrum des Landes mit einem Spitzenwert von 105.395 Fahrzeugen an einem Tag (gemessen am 9.6.2019) die meistbefahrene Straße des Landes ist. Hinzukommen hier selbstverständlich noch die vielen Grenzpendler aus Frankreich, die im Statec-Zensus nicht erhoben wurden. Die vier stärksten Ströme in die Hauptstadt mit den meisten Erwerbstätigen kommen aus den folgenden Gemeinden: Hesperingen, Esch, Strassen und Differdingen. Die Agglomeration Süd hingegen hat kein eindeutiges Zentrum, sondern viele unterschiedliche. Die Verkehrsströme fließen deshalb nicht in eine Richtung und zurück, sondern legen sich wie ein Netz über den südlichen Ballungsraum.

Selbst ohne die wachsende Zahl an Grenzgängern mit ins Kalkül zu nehmen, lässt sich nach der Statec-Analyse feststellen, dass der Berufsverkehr auf Luxemburgs Straßen deutlich zugenommen hat. Zählte die Statistikbehörde im Jahr 2011 noch 197 unterschiedliche Verkehrsströme mit mehr als 100 erwerbstätigen Einwohnern aus einer Gemeinde in eine andere, waren es über das gesamte Land verteilt zehn Jahre später schon 235. Die Gesamtzahl der auf diesen Strömen pendelnden Arbeitnehmer stieg von 69.217 auf 83.805.