Ein Luxemburger zerstört die Welt: Christophe Duhazé war in Kanada, um visuelle Effekte für „Godzilla II“ zu gestalten

Ein Luxemburger zerstört die Welt: Christophe Duhazé war in Kanada, um visuelle Effekte für „Godzilla II“ zu gestalten

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Minus 40 Grad Celsius. So kalt ist es im Winter in Kanada. Der Luxemburger Christophe Duhazé hat ein Jahr dort gelebt und gearbeitet. Der 28-Jährige aus Mamer war einer der Leiter der Abteilung für visuelle Effekte (VFX) für den Science-Fiction-Action-Film „Godzilla II“, der bis vor kurzem in Luxemburger Kinos lief.

Auf die extremen Temperaturen in Montreal war Christophe Duhazé zunächst nicht vorbereitet. Dafür umso besser auf seine dortige Aufgabe, die darin bestand, Explosionen, Regen, Schockwellen und andere Spezialeffekte für die große Leinwand zu generieren. Mit zwei in Paris abgeschlossenen Bachelor-Studien jeweils in Grafik-Design und Animation gewinnt er 2014 den ersten Preis in der Kategorie „Jeunesse“ beim 62. Luxemburger „Festival national du film d’auteur“. Kurze Zeit später sammelt er erste Berufserfahrung bei der „Picture Factory“ im „Creative Hub 1535°“ in Differdingen. 2017 bewirbt er sich bei einer Ausschreibung der „Moving Picture Company“ in Kanada, kurz MPC – einem der weltweit führenden Unternehmen im Bereich der visuellen Effekte. Für Filme wie „The Jungle Book“ oder „Life of Pi“ hat die Produktionsfirma jeweils einen Academy Award erhalten. Jetzt suchen sie sogenannte „Visual Effects Artists“. Der junge Mann aus Mamer versucht sein Glück.

Zu seiner eigenen Überraschung wird er dort angenommen. Er hat nur sieben Tage Zeit, um nach Montreal in Quebec zu ziehen. An welchem Film er arbeiten wird, weiß der 28-Jährige zu dem Zeitpunkt noch nicht. „Ich bin mit der Einstellung dorthin gegangen, dass es so oder so eine gute Erfahrung wird“, sagt er.

„Es war eine intensive Zeit“

In Kanada angekommen wohnt Duhazé die ersten 14 Tage im Hotel. Parallel zur Wohnungssuche beginnt die Ausbildung bei MPC. In den ersten drei Wochen werden dort alle Neuankömmlinge in die Programme eingearbeitet. Der Druck ist groß: Wer diese danach nicht beherrscht, kann wieder nach Hause fliegen. „Ich musste gleichzeitig eine Wohnung finden und mich in einer ganz anderen Kultur zurechtfinden. Es war eine intensive Zeit“, erinnert sich Duhazé. Er bemerkt sofort, wie anders dort gearbeitet wird. Jeder ist nur eine Ameise in einem riesigen Haufen. In der Ausbildungsphase arbeitet er gut 16 Stunden am Tag, starrt nur auf einen Bildschirm. „Ich musste mir eine Brille kaufen, weil meine Augen so geschmerzt haben“, sagt er.

Bei 16 Stunden Arbeit am Tag bleibt nur wenig Zeit, um Pausen einzulegen. Kaffee und Essen bringen die sogenannten „Runner“ auf Anfrage. Die Arbeit darf nicht mit nach Hause genommen werden. Alles ist streng vertraulich. Duhazé muss sogar einen Vertrag unterschreiben, in dem steht, dass er nichts vom Inhalt des Filmes preisgeben darf, bevor dieser auf DVD veröffentlicht wurde.

Die Herausforderung

Bei dem intensiven Arbeitspensum gibt es bei MPC Manager, die auf die Gesundheit jedes Einzelnen achten. Sehen sie, dass es jemandem zu viel wird, schicken sie ihn nach Hause. Christophe Duhazé ist der einzige Luxemburger in der Produktionsfirma. „Niemand dort wusste, wo Luxemburg liegt“, sagt er. Unter 400 Mitarbeitern sind nur eine Handvoll Kanadier – der Ameisenhaufen ist bunt gemischt. Durch seine Zeit in Kanada hat Duhazé heute Freunde auf der ganzen Welt.

In den letzten Tagen der Ausbildungsphase bekommen alle Neuzugänge eine E-Mail. Sie werden gefragt, an welchem Film sie am liebsten arbeiten würden. Zur Auswahl stehen Filme wie „Shazam!“, „Alice in Wonderland“, „Aqua Man“ oder „X-Men“ – und eben „Godzilla II“. „Der hat mich ehrlich gesagt eingeschüchtert. Darin ging es um so viele Dinge, die ich noch nie gemacht hatte“, gibt der Visual Effects Artist zu. Er wählt eine kleinere Produktion namens „Underwater“, ihm wird am Ende aber die Herausforderung „Godzilla II“ zugeteilt.

Über den Inhalt des Films weiß Duhazé zu Beginn nur, dass es um Rieseneidechsen geht, die miteinander kämpfen. „Ich wusste noch nicht einmal, welche Schauspieler mitspielen“, sagt er. Nach und nach finden er und sein Team heraus, dass „der von ‚Game of Thrones’“ oder „die von ‚Stranger Things’“, wie er es formuliert, im Film sind.

Interessant: Die visuellen Effekte eines Filmes werden nie nur von einer Firma gemacht. Die Arbeit wird unter drei bis vier Unternehmen aufgeteilt. Hat ein Film zum Beispiel 400 Aufnahmen, übernimmt der Hauptbieter die Hälfte davon. Die restlichen Aufnahmen werden unter den anderen aufgeteilt. Als Visual Effects Artist fehlen einem dadurch immer 30 Minuten des Filmes. „Das Material, das die anderen Unternehmen bearbeiten, sieht man nicht“, sagt Duhazé. Im Kino kommt dann alles zusammen. Als Fachmann würde man den Unterschied zwischen den verschiedenen Firmen schon bemerken, findet er. Es sei aber gut aufeinander abgestimmt.

Zu Fuß 4 km zur Arbeit

Nach der überstandenen Ausbildungsphase beginnt die eigentliche Arbeit am Film. Weil Duhazé in öffentlichen Verkehrsmitteln übel wird, geht er jeden Morgen vier Kilometer zur Arbeit und abends wieder zurück – egal bei welchem Wetter. Er kommt dabei am Hafen vorbei und holt sich unterwegs noch einen Kaffee. „Im Büro angekommen, war ich auf jeden Fall wach“, sagt er. Vor allem im Winter. Eine gute Jacke hatte er zwar dabei, Handschuhe und eine spezielle Brille gegen die Kälte musste er noch besorgen. „Als ich zum ersten Mal bei minus 40 Grad vor die Tür gegangen bin, habe ich erst gar nichts gemerkt. Alles war trocken, es lag auch kein Schnee. Auf einmal habe ich gemerkt, dass meine Finger taub geworden sind“, erinnert er sich, „ich bin schnell wieder reingelaufen.“ Als er sich an die Temperaturen gewöhnt hat, findet er den Arbeitsweg „im wahrsten Sinne des Wortes cool“, sagt er lachend.

Der Tag bei MPC beginnt offiziell um 9.00 Uhr. Duhazé ist in der Regel früher da, um den PC hochzufahren. Jeden Tag finden sogenannte „dailies“ statt. Das Team trifft sich dafür in einem der drei Kinos, die sich im Gebäude befinden, und schaut sich dort alle Szenen an, an denen an dem Tag gearbeitet wird. Daraufhin werden jedem fünf bis sechs Aufnahmen zugeteilt. Später schaut sich das Team die Szenen an, an denen bereits gearbeitet wurde, und jeder erhält Feedback. Beispielsweise wenn das Feuer eine andere Farbe bekommen oder der Nebel voller sein soll. „Das wird so oft gemacht, bis der Effekt genehmigt wird“, sagt Duhazé.

Als Anfänger bekommt Duhazé einfache Aufgaben wie Regen oder Schnee. Seine Vorgesetzten merken jedoch schnell, dass der junge Luxemburger gut darin ist, Lösungen für komplexe Situationen zu finden. Er improvisiert gut und kann sich anpassen. Das bringt ihm neue Herausforderungen wie Schockwellen oder die Spucke von Godzilla. Am Ende darf er sogar einen wichtigen Effekt komplett selbst designen: Die finale Attacke von Godzilla. „Darüber war ich sehr überrascht. Ich war ja eigentlich noch ein Berufsanfänger und erst ein paar Jahre mit der Uni fertig“, sagt er, „das war definitiv mein Highlight.“

Team Building wird großgeschrieben

Ein Arbeitstag geht in der Regel bis 18.00 Uhr. Duhazé genießt die Zeit in einem fremden Land, nutzt die Wochenenden, um etwas zu unternehmen. Dienstags und donnerstags übt er sich im Bogenschießen. Jeden Samstag isst er Poutine, eine kanadische Fast-Food-Spezialität bestehend aus Pommes mit Käse und Bratensoße. „Das war mir heilig“, sagt er.

Team Building wird bei MPC großgeschrieben. Jeden Freitag ist um 17.00 Uhr die sogenannte „Beer o’clock“. Wenn die Mitarbeiter die Küche betreten, erstreckt sich vor ihnen eine ganze Reihe gekühlter Bierflaschen. „Das hat geholfen, vor dem Wochenende zu entspannen und sich untereinander besser kennenzulernen“, sagt Duhazé. Ein Punkt, der im Arbeitsalltag viele Vorteile mit sich bringt. In der Zeit, in der Duhazé bei MPC arbeitet, steigen eine ganze Reihe an Partys. Jedes Mal, wenn die Produktionsfirma einen Film fertigstellt oder einen Preis gewinnt, findet eine sogenannte Themenparty statt. „Dann lässt jeder alles stehen und liegen und versammelt sich in der Küche, wo Champagner und Pizza warten“, erzählt der Luxemburger.

Kurz vor Fertigstellung des Filmes, im Sommer 2018, und vor der sogenannten Crunchtime, also kurz bevor der Trailer des Filmes veröffentlicht wird, ist die Arbeit wieder intensiver. Es ist nicht selten, dass Duhazé bis 22.00 oder 23.00 Uhr im Büro ist. Freie Wochenenden hat er kaum. Das Unternehmen gleicht die harte Arbeit zumindest etwas aus: Wer länger als 19.00 Uhr bleibt, dem wird das Abendessen bezahlt, nach 23.00 Uhr wird die Taxifahrt nach Hause übernommen. Überstunden werden ebenfalls vergütet. „Ich habe schon echt viel gearbeitet“, sagt Duhazé rückblickend, „aber diesen Job muss man einfach mögen und im Hinterkopf behalten, dass später Millionen Menschen das sehen werden, was man gemacht hat.“

Freitags um 17.00 ist „Beer o’clock“

Was viele nicht wissen: Nicht jeder, der an den visuellen Effekten eines Filmes mitarbeitet, wird in den Kredits am Ende erwähnt. „Das wird ausgelost“, erklärt Duhazé. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Zeilen, die mit Namen gefüllt werden dürfen. Die Chance, erwähnt zu werden, steigt fairerweise mit den Aufnahmen, an denen der jeweilige Künstler gearbeitet hat. Duhazés Chancen standen gut: Von mehr als 800 Aufnahmen hat er über 100 mit visuellen Effekten versehen. Von 120 Visual Effects Artists ist er einer der Glücklichen. „Ich muss zugeben, dass ich schon enttäuscht gewesen wäre, wäre mein Name am Ende nicht über die Leinwand gelaufen.“ Den kompletten Film hat er zum ersten Mal in Luxemburg im Kino gesehen. „Das war ein krasses Gefühl“, sagt der junge Luxemburger.

Ein ganzes Jahr lang will er in Zukunft nicht mehr an einem derart großen Projekt arbeiten. „Vielleicht einmal drei Monate lang, in denen ich alles geben kann“, sagt er. Seit letztem September ist er wieder in Luxemburg – und hier will er auch bleiben. „Das Nomadenleben, das man als Visual Effects Artist leben kann, ist nichts für mich.“ Ihm ist eine finanzielle Absicherung wichtig. Außerdem mag er Luxemburg und ist gerne in der Nähe seiner Familie.

Unglaubliche Möglichkeiten

Derzeit arbeitet er an einer Art Bauanleitung für eine Serie, die er vielleicht irgendwann mal verkaufen will. Weil er sich ein bisschen etwas ansparen konnte, nutzt er die Gelegenheit, um seine persönlichen Projekte umzusetzen. Dafür bleibt sonst nicht viel Zeit. Sobald „Godzilla II“ auf DVD erscheint, bekommt er Zugang zu seinen Effekten. Daraus will er sich ein Demo-Band zusammenstellen und sich bei verschiedenen Luxemburger Unternehmen bewerben. „Wenn ich keine Festanstellung finde, überlege ich mir, vielleicht meine eigene Firma zu gründen. Ich kenne genügend Menschen aus der ganzen Welt, mit denen ich ein A-Team zusammenstellen könnte.“ Es gebe viel Potenzial und dank des „Film Fund“ auch unglaubliche Möglichkeiten in Luxemburg. Er will dabei sein und dazu beitragen, dass sich die Branche weiterentwickelt. „Ich fühle mich ein wenig verantwortlich dafür, meine Erfahrungen aus dem Ausland mit Luxemburg zu teilen und hier etwas zu der Branche beizutragen“, sagt Duhazé.

Rückblickend ist der Arbeitsweg bei minus 40 Grad Celsius eine von Duhazés liebsten Erinnerungen an seine Zeit in Kanada. Einmal wurde ihm die Kälte jedoch zum Verhängnis: „Als ich zu Weihnachten in Luxemburg war, habe ich die Heizung in meiner Wohnung ausgemacht, um Geld zu sparen. Als ich zurückgekommen bin, waren alle meine Sachen gefroren – nur nicht das, was im Tiefkühler war, der ist an der Kälte kaputtgegangen“, erzählt der 28-Jährige und lacht dabei.

Pullee
5. Juli 2019 - 23.52

Neicht verstanen. Super Typ an super Artikel.

Jacques Zeyen
4. Juli 2019 - 20.21

Toll.Schon wieder ein Luxemburger der berühmt wird.Im Ausland. "Godzilla" der schlechteste Film aller Zeiten.Aber vielleicht klappt's mit Part II