EnergiekonzernEin Jahr zwischen Energiekrise, Kimawandel und Cyberattacke – Encevo zieht Bilanz

Energiekonzern / Ein Jahr zwischen Energiekrise, Kimawandel und Cyberattacke – Encevo zieht Bilanz
Die Encevo-Zentrale in Esch: ein Energiekonzern im ungewohnten Fokus der Öffentlichkeit Foto: Editpress-Archiv/Isabella Finzi

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Encevo ist der wichtigste Player in der Luxemburger Energiewirtschaft – und stand 2022 wohl im Fokus der Öffentlichkeit wie noch nie zuvor. Jetzt hat der Konzern die Geschäftsbilanz des von so großer Unsicherheit geprägten Jahres präsentiert. 

In der Vergangenheit gab es sicherlich spannendere Termine für Journalisten als die Bilanz-Pressekonferenz eines Energiekonzerns. Aber wir sind im Jahr 2023 – und Energie und Energiesicherheit ist zum bestimmenden Thema unserer Zeit geworden.

Wie wir im vergangenen Jahr alle schmerzhaft feststellen mussten, hat sowohl die Stabilität unserer Stromnetze als auch die Versorgung mit Erdgas ihren Preis. Der flüchtige Brennstoff, er kam vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine vor allem aus dem Land nach Mitteleuropa, das eben diesen Krieg angezettelt hat: Russland. Immer mehr Menschen – und Entscheidern – wurde auch vor diesem Hintergrund klar, dass der Klimawandel eine bedingungslose und rasche energetische Transition verlangt – weg vom CO2-intensiven und konfliktgeladenen Verbrennen fossiler Energieträger, hin zu regenerativen Energien. 

Encevo-SEO Claude Seywert und der Aufsichtsrats-Vorsitzende Marco Hoffmann präsentieren die Bilanz des Konzerns
Encevo-SEO Claude Seywert und der Aufsichtsrats-Vorsitzende Marco Hoffmann präsentieren die Bilanz des Konzerns Foto: Editpress/Julien Garroy

Encevo, Luxemburgs größtes Energieunternehmen, steht spätestens seit dem vergangenen Jahr zwischen all diesen Konfliktplätzen und epischen Herausforderungen. Encevo verkauft nicht nur Tausenden von Menschen und Betrieben im Land Strom und Gas, es sind die Transportnetze der Tochterfirma Creos, über die exklusiv Energie und Energieträger ins Land fließen. Unser Strom wird von Creos-Hochspannungsleitungen über die Grenze hierher gebracht und von Creos-Umspannwerken für den Hausgebrauch vorbereitet. Unser Gas strömt durch die Pipelines des Creos-Transportnetzes ins Land und wird von Creos-Druckminderstationen für die Gasthermen in Küche und Keller entspannt. 

Wenn jemand in diesem Land also zu Recht den Begriff „kritische Infrastruktur“ bemühen darf, dann sind es die Leute von Encevo. Das tun sie auf der Pressekonferenz, zu der sie am Donnerstag anlässlich der Präsentation der Konzernjahresbilanz eingeladen hatten, aber nicht sonderlich oft. Ein Grund dafür mag sein, dass das Konfliktpotenzial, das einer der Encevo-Eigentümer mit sich bringt, im vergangenen Jahr ebenfalls nicht kleiner geworden ist: Zwar gehören fast 75 Prozent des Konzerns über eigene Anteile oder Staatsunternehmen irgendwie der Luxemburger Nation. 24,92 Prozent sind aber im Besitz von „China Southern Power Grid International“ aus dem Reich der Mitte. „Die Kooperation mit dem chinesischen Aktionär finde ich ganz positiv, wie sie ist“, sagt Aufsichtsratschef Marco Hoffmann. Der Anteilseigner unterstütze die Gruppe und die Strategie voll, technologisch sei man in keiner Weise abhängig. Zudem sei das Unternehmen Aktionär bei der Encevo-Gruppe und nicht direkt am Netzbetreiber Creos beteiligt, „sodass er keine direkte Verbindung zu kritischer Infrastruktur habe“. An Creos sind auch die Stadt Luxemburg, der Staat und andere Gemeinden beteiligt. 


Preisrallye und Rekordumsatz

Wer die Rallye mitverfolgt hat, die die Großhandelspreise für Gas im vergangenen Jahr hingelegt haben, wird wenig überrascht davon sein, dass die Encevo-Gruppe 2022 mehr Umsatz gemacht hat. Wie viel mehr, das lässt einen dann aber doch mit den Ohren schlackern: Von 2,5 Milliarden im Jahr 2021 wuchs die „Chiffre d’affaires“ 2022 auf sagenhafte 3,4 Milliarden Euro, ein Mehr von 36 Prozent. „Das ist natürlich durch die hohen Energiepreise auf den Großhandelsmärkten bedingt“, sagt Hoffmann.„ Die Großhandelspreise sind relativ weit ausgeschlagen, nervös, mit einer Dynamik, die wir so nicht gekannt haben.“ Die anderen Kennzahlen des Betriebsergebnisses fallen in absoluten Zahlen weniger spektakulär aus: Das EBITDA (Gewinn ohne Berücksichtigung von Zinsen, Steuern usw.) stieg von 239 Millionen Euro auf 268, der Nettogewinn von 80 auf 107 Millionen – was aber ebenfalls eine Steigerung um mehr als 30 Prozent ist. 

 
   

2022 sei für die Gruppe herausfordernd gewesen. „Es haben sich Fragen der Sicherheit gestellt, in einer Qualität, die wir in Europa lange nicht gekannt haben.“ Krieg, Krise, dann im Juli auch noch eine Hackerattacke. Maßnahmen von nationaler Regierung und EU hätten umgesetzt werden müssen, Creos die Notfallpläne für Gas und Elektrizität anpassen müssen. CEO Claude Seywert ergänzt: „Unsere Teams hatten relativ viel zusätzliche Arbeit.“

Die Teams seien es auch gewesen, die es durch ihre Einkaufsstrategien beim Strom fertiggebracht hätten, den Endkundenpreis relativ niedrig zu halten. Beim Gas sei das weniger gut gelungen, sagt Seywert. Das liege aber auch daran, dass der Gaspreis eben saisonaler und verbrauchsabhängiger reagiere. Aber: Nach dem Hoch im Dezember sei der Verbraucherpreis wieder gesunken worden. Von 150 Euro pro Megawattstunde auf derzeit 116. Noch immer liegt der Endkundenpreis aber weit oberhalb des Gaspreisdeckels, ab dem der Staat die Kosten mit Steuergeld übernimmt. Wann die Linie wieder unterschritten wird? „Die Preise werden auch weiter sinken, aber es ist nicht klar und schwer vorhersehbar, wann sie wieder unter den Deckel sinken werden“, sagt Seywert. Man habe noch 19 Monate bis zum Ende der Maßnahmen. Aber: „Die Unterstützung des Staats nimmt kontinuierlich ab.“

Aufsichtsrats-Chef Hoffmann betont, dass auch 2023 weiter vom bekannten politischen Kontext geprägt werde und dass die Unsicherheiten auf den Märkten weiterhin bestehen. „Da müssen wir uns nichts vormachen“, sagt er. Der Handel reagiere noch immer hochsensibel, selbst wenn es nur „irgendwo einen kleinen technischen Zwischenfall“ gebe. Das zeige, dass auf den Märkten noch immer eine große Nervosität herrsche. „Wir hoffen, dass es bei der Nervosität bleibt“, sagt Hoffmann. „Und nicht, dass es zu einer Situation wie im vergangenen Jahr kommt.“ Auch in 2023 stünden die Preise und die Versorgungssicherheit im Fokus des Unternehmens – neben der energetischen Transition. Und auch die Investitionen will die Gruppe weiter hoch halten. Die konnten auch 2022, trotz Krise, noch gegenüber den Jahren davor gesteigert werden. 

2022 habe man auch weiter Fotovoltaik aufgebaut, nicht nur in Luxemburg, sondern auch im grenznahen Deutschland. Für das Solar-Projekt „Südeifel“ auf der anderen Seite der Sauer und Our seien die ersten vier Großanlagen „im Wesentlichen“ fertig, der zweite Bauabschnitt im Gang, sagt Seywert. Insgesamt produzierte Encevo 2022 über alle Grenzen hinweg 680 Gigawattstunden erneuerbare Energie. Zum Vergleich: Luxemburg allein verbrauchte im Jahr zuvor 6.400 Gigawattstunden. Wie beim Gas ist man auch hier vom Zufluss aus dem Ausland abhängig. „Die Grundlast ist vom Import garantiert“, sagt Seywert. 

Wie deutlich sich die energetische Transition abzeichnet, zeigen auch die Lieferzahlen von Encevo. Demnach lieferte der Energiekonzern vergangenen Jahr erwartungsgemäß 31 Prozent weniger Gas aus als im Vorjahr – aber neun Prozent mehr Strom. Dass Dekarbonisierung auch Elektrifizierung bedeutet, sieht man an den Chargy-Ladestationen von Encevo für Elektroautos in Luxemburg: „7,7 Gigawattstunden Strom wurden 2022 getankt“, sagt Seywert. „Das ist mehr als doppelt so viel als im Jahr zu vor.“ 

Man sei im vergangenen Jahr in der Krise und dieses Jahr in der Krise, sagt Hoffmann. Die Aktionäre hätten entschieden, dass auch sowohl wie 2022 auch 2023 keine Dividende ausgezahlt werden. Stattdessen soll das Geld im Unternehmen bleiben, um den Risiken auch von der finanziellen Seite zu begegnen. Mit Bedacht und liquide soll etwaigen kommenden Herausforderungen begegnet werden. Dadurch, dass die Priese explodiert seien, habe es große Liquidität gebraucht, um überhaupt Energie einzukaufen, sagt Seywert – nur um gleich zu ergänzen: „Wir haben kein Problem mit der Liquidität.“ Aber man behalte sie derzeit lieber im Haus.

Wasserstoff-Pipelines für Luxemburgs Süden?

Gemeinsam mit dem LIST, der Uni.lu und Paul Wurth hat Encevo ein Wasserstoff-Pilotprojekt ins Leben gerufen. Laut Encevo-CEO Claude Seywert beginne derzeit die Studienphase, in zwei bis drei Jahren könnte eine kleine Produktion folgen. Ziel sei, den Wasserstoff, der derzeit in Luxemburg gebraucht wird, „grün“ zu machen. 

Das Projekt mosaHYc evaluiert den Bau oder die Umwidmung von Wasserstoff-Pipelines, die den Brennstoff – wie jetzt das Erdgas – über Grenzen hinweg nach Luxemburg bringen könnten. Damit könnte in Zukunft später die Schwerindustrie besonders im Luxemburger Süden versorgt werden.