EditorialImmer Ärger mit dem Finanzamt

Editorial / Immer Ärger mit dem Finanzamt
Yuriko Backes, Christian Lindner und das Doppelbesteuerungsabkommen im vergangenen Juli Foto: Bundesministerium der Finanzen/Phototek

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Dass Steuervorschriften – zumal deutsche – nicht sonderlich einfach zu kapieren sind, ist nichts Neues. Aber das neue Grenzgänger-Abkommen zwischen Luxemburg und Deutschland setzt dem Ganzen nun die Krone auf.

Eigentlich sollte das Update zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Luxemburg und Deutschland die Sache einfacher machen: endlich auch 34 statt 19 Tage Homeoffice (was die französischen und belgischen Kollegen schon ein Jahr vorher bekamen), ein paar andere kleinere Regeländerungen – und fertig. Stattdessen sollen jetzt plötzlich Wald-und-Wiesen-Einkünfte aus Luxemburg in Deutschland versteuert werden müssen: die Löhne für Überstunden. Und das sogar – bitte festhalten – rückwirkend.

Aber zu dem Skandal gehört auch: Die neuen Regeln wurden nirgendwo und von niemandem angekündigt, erläutert oder erklärt. Stattdessen wurden sie in einer „Konsultationsvereinbarung“, die dem Behördenschriftwechsel dient, verklausuliert und versteckt. Was haben sich die betroffenen Anstalten nur dabei gedacht?

Und auch jetzt, nachdem der ganze Flop von anderen gesellschaftlichen Akteuren – den Medien und den Gewerkschaften – ans Tageslicht gekehrt wurde, stellt die zuständige deutsche Behörde auf Durchzug. Anstatt den Betroffenen zu vermitteln, was auf sie zukommt, heißt es gleichmütig vom Bundesfinanzministerium: „War schon immer so.“

Dem widersprechen nicht nur Steuerexperten und das Luxemburger Finanzministerium, sondern implizit sogar die eigenen Unterbehörden. Denn das Finanzamt Trier konnte dem Tageblatt nicht einmal die einfache Frage „Welche Lohnbestandteile werden jetzt genau besteuert?“ beantworten. Das müsse erst mit der „vorgesetzten Dienstbehörde“ geklärt werden. Man bedenke: Das Amt ist für zigtausend Grenzgänger zuständig, die von ihm jetzt möglicherweise sogar für lange zurückliegende Überstundenlöhne zur Kasse gebeten werden können.

Es ist ein Hin und Her, das in dieser Qualität beispiellos ist. Und wieder einmal wird allen gewahr, wie wenig politische Kommunikation mit der Realität zu tun hat. Die lächelnden Gesichter von Yuriko Backes und Christian Lindner nach der Unterzeichnung des unheilschwangeren Abkommens. Die nichtssagenden Floskeln, mit denen die beiden genau das Gegenteil von dem beschreiben, was jetzt eingetreten ist. Und die vorgegaukelte Harmonie am Berliner Verhandlungstisch – die jetzt fast in einen offenen Streit zwischen den Nachbarländern eskaliert. 

Denn die Farce um die für den deutschen Fiskus vermutlich vernachlässigbaren Steuereinnahmen sorgt inzwischen sogar für diplomatische Differenzen. Um die Komödie komplett zu machen, gab das deutsche Ministerium der Luxemburger Regierung falsche Informationen, wann die Steuer anfällt. Das Luxemburger Finanzministerium blamierte sich damit in aller Öffentlichkeit – während sich in Berlin offenbar noch immer niemand für das Politikum, das immer größer wird, zu interessieren scheint.

Ein Steuersystem muss fair und transparent für alle sein. Die Arroganz der deutschen Steuerbehörden kann nur noch sprachlos machen. Sie stellt das deutsch-luxemburgische Verhältnis nach den Corona-Grenzschließungen erneut auf die Probe. Und sie lässt genau die Menschen im Stich, die das grenzenlose Europa leben, das alle so gerne propagieren.