MietrechtEin Gesetz, das nicht angewandt wird

Mietrecht / Ein Gesetz, das nicht angewandt wird
Dem Immobilienportal atHome zufolge ist Limpertsberg das teuerste Wohnviertel der Stadt Luxemburg Foto: Editpress/Anne Lommel

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Laut Luxemburger Mietgesetz darf die Jahresmiete für eine Wohnung maximal 5 Prozent des investierten Gesamtkapitals betragen. Kaum ein Vermieter hält sich aber daran. Ein Mann, der seit 2014 eine Wohnung auf Limpertsberg mietet, hat die Einhaltung dieser Gesetzesregelung nun vor dem Friedensgericht eingeklagt. Die Mietkommission der Stadt Luxemburg hatte eine Anpassung der Miete auf Grundlage dieser Regelung im Oktober 2019 ohne reelle Begründung abgelehnt.

Seit fast sechs Jahren mietet Michel R. ein 90 Quadratmeter großes Apartment in einem vierstöckigen Mehrfamilienhaus auf Limpertsberg. Das zentral gelegene Viertel ist laut Immobilienportal atHome das teuerste der Hauptstadt. Michel R. zahlt dem Vermieter 1.500 Euro im Monat. Für die Nebenkosten werden weitere 200 Euro fällig, sodass die Gesamtmiete 1.700 Euro beträgt. In Anbetracht der Marktpreise, die in dem Viertel üblich sind, ist dieser Mietpreis eigentlich fair.

Trotzdem fordert Michel R. im Mai 2019 seinen Vermieter Théo F. dazu auf, den Mietpreis von 1.500 auf 900 Euro zu senken. Er beruft sich dabei auf das Mietgesetz von 2006, das eine Mietobergrenze vorsieht. Das Gesetz besagt, dass die Jahresmiete eine Mindestgrenze von 5 Prozent des in die Wohnung investierten Kapitals nicht überschreiten darf. Der Vermieter lehnt diese Mietsenkung aber ab, mit dem Argument, der aktuelle Mietpreis sei gerechtfertigt und angemessen.

Daraufhin befasst Michel R. die Mietkommission der Stadt Luxemburg mit der Angelegenheit. Aufgabe der Mietkommission ist es, bei Uneinigkeiten zwischen Mietern und Vermietern zu vermitteln. Reine Mieterschutzvereinigungen gibt es in Luxemburg bislang nicht. Die hauptstädtische Mietkommission, die von dem Anwalt Jean-Marie Bauler geleitet wird, kommt nach Anhörung der beiden Parteien am 15. Oktober 2019 zu dem Schluss, dass der Antrag von Michel R. auf Mietsenkung aufgrund des investierten Kapitals in diesem Fall nicht gerechtfertigt sei.

Nach Thionville ziehen?

Allerdings ist das investierte Kapital in dem Gutachten der Mietkommission nicht aufgeführt, sodass unklar ist, aufgrund welcher Kriterien die Kommission ihre Entscheidung gefällt hat. In anderen Gutachten hat die Mietkommission detaillierte Berechnungen angestellt, um zu einem Ergebnis zu kommen. Im Fall von Michel R. und Théo F. wurde darauf verzichtet. Stattdessen habe der Präsident der Mietkommission Michel R. gesagt, er solle dem Vermieter dankbar sein, dass er eine so preisgünstige Wohnung auf Limpertsberg bekommen habe. Der Präsident habe ihm geraten, nach Thionville zu ziehen, falls er ein Apartment für 900 Euro mieten wolle, meinte Michel R. am Donnerstag.

Deshalb hat Michel R. die Entscheidung der Mietkommission nun vor dem Friedensgericht angefochten. In der Sitzung am Donnerstag betonte der Kläger, dass es ihm ums Prinzip gehe. Er habe keine persönlichen Probleme mit seinem Vermieter, er wolle lediglich, dass das Gesetz eingehalten wird. Und das Mietgesetz sehe nun einmal vor, dass die Miete 5 Prozent des investierten Kapitals nicht überschreiten darf. Bislang konnte der Vermieter aber keinen Nachweis über die Höhe des investierten Kapitals liefern. Auch seine Anwältin, die den Vermieter Théo F. am Donnerstag vor Gericht vertrat, konnte weder eine notarielle Urkunde über den Bau- oder Kaufpreis noch sonstige Rechnungen über eventuelle Investitionen vorlegen.

Michel R., der sich aus Kostengründen selbst verteidigte, hat deshalb seine eigene Rechnung gemacht. Er habe sich erkundigt, dass der Preis für eine 90-Quadratmeter-Wohnung auf Limpertsberg im Jahr 1957 zwischen 600.000 und einer Million Luxemburger Franken gelegen habe. Das wären umgerechnet 15.000 bis 25.000 Euro. Das Gesetz sieht vor, dass der Preis von älteren Wohnungen über einen Neubewertungskoeffizienten an die Preisentwicklung angepasst wird. Die Liste mit den Koeffizienten wird alle zwei Jahre vom Finanzministerium aktualisiert. Für das Jahr 1957 liegt der Koeffizient seit Dezember 2019 bei 6,61. Damit läge das neu berechnete investierte Kapital heute zwischen 99.150 und 165.250 Euro, rechnete Michel R. vor.

Reelle Miete bei 500 bis 700 Euro

Das Gesetz sieht aber auch eine Abschlagregelung vor, die den Alterungsprozess der Bausubstanz berücksichtigt und den Vermieter dazu ermutigen soll, regelmäßig Unterhaltsarbeiten zu leisten, um die Wohnung instand zu halten. Die Abschlagregelung tritt nach 15 Jahren erstmals in Kraft. Danach werden alle zwei Jahre 2 Prozent des neu bewerteten Preises abgezogen. Demzufolge kommt Michel R. auf einen Abschlag von 36.000 bis 61.000 Euro. Dadurch sinke das investierte Kapital auf 63.150 bis 104.250 Euro. Zuzüglich Nebenkosten liege die reelle Monatsmiete damit zwischen 500 und 700 Euro, rechnete Michel R. aus. Aus „christlicher Nächstenliebe“ habe er sich aber dazu entschieden, die Miete nicht auf 700 Euro, sondern auf 1.100 Euro zu drücken, entgegnete er auf Nachfrage des Friedensrichters.

In seinem Plädoyer erwähnte der Kläger auch, dass das Paar, das in einer ähnlich großen Wohnung im Stockwerk über ihm wohne, lediglich 1.650 Euro Miete an denselben Vermieter zahle. Und das obwohl es erst zwei Jahre nach ihm eingezogen sei und zusätzlich über zwei Stellplätze verfüge.

Die Anwältin des Vermieters Théo F. argumentierte am Donnerstag, der Mieter habe immer die vereinbarte Miete bezahlt und diese sei auch nicht vom Vermieter erhöht worden. Einen Beweis, dass der Wert der Wohnung 1957 zwischen 600.000 und einer Million Luxemburger Franken gelegen habe, könne Michel R. nicht vorweisen. Eine Expertise von September 2018 habe den Wert des gesamten Gebäudes auf über 2,6 Millionen Euro geschätzt, sodass der jeweilige Preis der vier Wohnungen auf rund 665.000 Euro beziffert werden könne. Zudem habe der Vermieter vor einigen Jahren neue Fenster einbauen lassen. Aufgrund dessen forderte die Anwältin den Friedensrichter dazu auf, die Miete auf 2.000 Euro festzusetzen und legte Immobilienanzeigen vor, die belegen sollen, dass der vereinbarte Mietpreis für Limpertsberg durchaus annehmbar sei.

Dies wollte Michel R. anschließend auch nicht bestreiten. Ihm gehe es lediglich darum, dass das Gesetz respektiert werde. Und dieses sehe nun mal vor, dass nicht der Marktpreis, sondern das investierte Kapital zur Berechnung des Mietpreises angewandt werden müsse. Selbst der Richter war am Donnerstag überrascht, dass der Vermieter nicht einmal eine notarielle Urkunde für das Gebäude vorlegen kann.

Laut Mietgesetz kann ein Bausachverständiger das investierte Kapital ermitteln, wenn der Eigentümer nicht mehr über die benötigten Dokumente verfügt. Die Kosten für den Experten können entweder zwischen Mieter und Vermieter aufgeteilt werden oder die betreibende Partei („la partie la plus diligente“) muss für die Expertise bezahlen. Michel R. zeigte sich am Donnerstag damit einverstanden, dass ein Sachverständiger das investierte Kapital berechnen soll. An den Kosten für eine Expertise könne er sich aus finanziellen Gründen jedoch nicht beteiligen. Schließlich sei es nicht seine Schuld, wenn der Vermieter keinen Nachweis über das investierte Kapital leisten könne.

Am 16. Januar wird der Friedensrichter eine Entscheidung in dieser Angelegenheit treffen.

KM
11. Januar 2020 - 13.47

Wenn es der Regierung ernst gemeint ist mit dem Kampf gegen hohe Mieten, so braucht das bestehende Miet-Rendite-Gesetz lediglich in der Praxis anzuwenden, das notwendige Gesetz dazu gibt es bereits! Worauf wartet die Regierung, dann um dem Mietwucher endlich Einhalt zu gebieten!