Ein Dorf, ein Verein: Die „Lampecher Fliichteschësser“ halten das Brauchtum hoch

Ein Dorf, ein Verein: Die „Lampecher Fliichteschësser“ halten das Brauchtum hoch

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Bräuche leben und verschwinden mit den Gesellschaften, in denen sie existieren. 1984 haben einige Limpacher entschlossen, den Erhalt ihrer Traditionen zur eingetragenen Klubsache zu machen und die „Lampecher Fliichteschësser“ gegründet. Heute hat sich fast das gesamte Dorf diesem Vorhaben angeschlossen. Nico Jung, seit Vereinsgründung aktives Mitglied und seit 1996 Präsident, erklärt im Interview, wie dieser Aufgabe heute, mehr als 30 Jahre später, nachgegangen wird.

Von Misch Pautsch

Tageblatt: Bevor wir über den Verein reden, sollten wir über den Elefanten im Raum sprechen: Was genau hat es mit dem Namen auf sich?
Nico Jung: Diese Frage wird fast immer zuerst gestellt. Als die Limpacher 1984 den Verein gründen wollten, um die Einwohner wieder etwas zusammenzuführen und ein angenehmes Dorfklima zu schaffen, stellte sich natürlich auch die Frage nach einem Namen. Die damalige Nachbarin unseres Klubhauses, damals schon eine ältere Dame, erzählte uns die Geschichte, dass die Limpacher von den Nachbardörfern spöttisch als „Fliichteverschësser“ bezeichnet wurden. Dies kommt daher, dass damals, als in den Dörfern noch gewoben wurde, die Limpacher dafür bekannt waren, dass sie es nicht fertiggebracht haben, die „Fliicht“, die zu Fäden gesponnen werden sollte, richtig zu wässern und nachher zu trocknen.

Die „Fliicht“ war nicht mehr zu retten – „verschass“. Aus „Fliichteverschësser“ wurde schnell das kürzere „Fliichteschësser“. Ein Spottname also, den wir heute mit Stolz tragen. Mittlerweile hat der Begriff sogar seinen Weg ins Luxemburger Lexikon gefunden hat, wo er die Einwohner Limpachs beschreibt. Oft kürzen wir ihn aber auch einfach auf „Déi Lampecher“ oder „Fliichteschësser“ ab.

Welche Aufgaben haben sich die „Fliichteschësser“ selbst gestellt?
Der Verein wurde ursprünglich 1984 gegründet, weil wir der Meinung waren, dass wir so das Dorfleben wieder lebendiger gestalten könnten und die Dorfbewohner sozusagen in einen einzigen Verein zusammenführen könnten. Wir wollten also jedem etwas bieten, von unseren jüngsten bis zu den ältesten Einwohnern, Alteingesessenen und Neuen im Dorf. Die wichtigste Idee des Vereines ist also auch heute noch, mit unseren Mitgliedern alte Bräuche wieder aufleben zu lassen und den Menschen in ihrer Freizeit etwas Interessantes zu bieten. Und ein aktives Vereinsleben hält jung, insbesondere wenn 18-Jährige mit 80-Jährigen zusammenarbeiten.

Unser Angebot ist dabei sehr breit gefächert. „Fuesbaler“ und „Kannerfuesbaler“, Wein- und Schnapsverkostungen finden regelmäßig statt. Der „Kleeschen“ wird vorbeikommen und an Mutter- und Vatertag werden kleine Geschenke an die Haushalte der Mitglieder geschickt.

Seit diesem Jahr haben wir zusätzlich eine Lizenz als Wanderverein. Am 9. Juni 2019 findet die erste organisierte Wanderung statt. Da das Mais-Labyrinth 2018 ausfällt, ist es dieses Jahr allgemein ruhiger. Wir sind alle immer noch dabei, uns vom vergangenen Jahr zu erholen. Am Dienstag haben wir mit dem Aufbau der diesjährigen Kirmes begonnen – das wird uns die nächsten Tage auf Trab halten. Organisiert wird das alles in unserem Klubhaus, das von uns selbst saniert wurde. Dieses wurde uns übrigens von der Dame übergeben, die auch auf den Vereinsnamen gekommen ist.

Gibt es größere Pläne für die Zukunft?
Im Moment konkret nicht. Wir haben erst mal vor, den aktuellen Kurs beizubehalten, da wir bereits ziemlich ausgelastet sind. Daher muss das Mais-Labyrinth dieses Jahr leider ausfallen. Die Vorbereitungsarbeiten erfordern enorm viel Zeit. Das beginnt bereits am Anfang des Jahres und bei solchen Aktionen läuft auch nicht immer alles wie geplant. Fürs Erste wollen wir also an dem festhalten, das wir kennen.

Wenn Sie spontan aus allen Aktivitäten, die von den „Fliichteschësser“ organisiert wurden, eine heraussuchen müssten, die Ihnen am besten in Erinnerung geblieben ist, welche wäre es?
Das eine Event, von dem die Leute bis heute sagen, dass es ihnen am besten gefallen hat, war ohne Zweifel das „Stréifestival“ 2001. Unter anderem haben wir mit 95 Metern den größten Strohballen der Welt gepresst. Hätten wir uns vorher rechtzeitig gemeldet, wäre der Rekord offiziell bestätigt. Da nur ein Notar anwesend war, wissen wir zwar dass wir den Rekord geknackt haben, ins Buch der Rekorde haben wir es dennoch nicht geschafft. Bürokratie halt.

Am besten ist, denke ich, die Strohburg, die wir aufgebaut hatten, bei den Besuchern angekommen. Daneben fand ein Wettbewerb statt, bei dem die Erschaffer der besten Strohfiguren Preise gewannen. Da wir drei Wochen lang perfektes Wetter hatten und ein großes Schwimmbecken aufgebaut haben, sind Menschen schon alleine dafür aus allen Ecken des Landes zu uns gekommen. In unserem Buch gibt es Fotos davon.

Es gibt ein Buch zur Vereinsgeschichte?
Unter anderem zur Vereinsgeschichte, aber auch vor allem über die Geschichte des Dorfes in den letzten 100 Jahren. Diese deckt sich aber offensichtlich zu einem großen Teil. Darum findet man auch zu fast allem, was hier von uns organisiert wurde, Bilder. Das alles zusammenzustellen, war ganz schön harte Arbeit. Über zwei Jahre lang haben viele Menschen daran gefeilt, aber mit dem Sammeln der Dokumente, die im Buch zu finden sind, haben die Verantwortlichen deutlich früher angefangen. Es sind auch Berichte über den Zweiten Weltkrieg darin zu lesen.

Viele Vereine klagen nun über einen Mangel an jungen Mitgliedern. Wie sieht es bei euch in Sachen Nachwuchs aus?
Bei größeren Ereignissen können wir auf circa 150 Leute zurückgreifen, wobei natürlich wie in jedem Verein vor allem die Komiteemitglieder und deren Partnern am meisten mit anpacken.

Interessanterweise haben wir festgestellt, dass die „Neuen“, die zudem in Einfamilienhäusern leben, meistens offener sind und bei unseren Aktionen mitmachen wollen. Schwieriger ist es hingegen, mit den Menschen, die in großen Wohnkomplexen ansässig sind, in Kontakt zu treten. Woran dies liegt, kann man nur spekulieren. Dennoch sind fast 100 Prozent der Einwohner auch Mitglieder des Vereines, da unsere Mitgliedskarte pro Haushalt ausgestellt wird. Deshalb bekommen zum Beispiel jede Mutter und jeder Vater für Mutter- und Vatertag ein kleines Geschenk. Wir versuchen also wirklich, alle Leute anzusprechen und uns deutlich bemerkbar zu machen, denn wie bei allen Dingen im Leben ist die Mitarbeit im Verein ein Geben und Nehmen.

Dennoch ist es nicht immer leicht, junge Mitglieder dafür zu begeistern, die mehr als ein-oder zweimal auftauchen. Man merkt deutlich, dass das Leben dezentralisierter wird, elektronischer, die Leute verbringen ihre Zeit weniger draußen im Dorf und mehr vor dem Fernseher oder weiter weg. Früher haben wir uns nach der Arbeit zusammen hingesetzt und Lieder gesungen, weil wir so gut gelaunt waren. Heute, glaube ich, würden wir dafür schief angeschaut werden, das kennt man einfach nicht mehr. Schade, nicht wahr?
Dennoch sind wir ein unabhängiger Verein, der finanziell von der Gemeinde nicht anders unterstützt wird, wie alle anderen. Wir verlassen uns darauf, dass unsere Mitglieder anwesend sind, wenn sie gebraucht werden.

Haben Sie noch einige abschließenden Worte für die aktuellen und zukünftigen Mitglieder des Vereins?
Ich würde mir auf jeden Fall wünschen, dass die „Lampecher Fliichteschësser“ auch in Zukunft so bestehen bleiben, wie sie gerade existieren. Wir setzen also stark auf unsere Jugend, denn früher oder später wird die Fackel dann doch weitergegeben werden müssen. Aber bis dahin freue ich mich sehr auf die vorgesehen Aktivitäten.