Erinnerungen an die Hochzeit der Luxemburger Stahlindustrie sind vor allem im Süden des Landes noch allgegenwärtig. Doch in Rümelingen ist nun ein Pfeiler der Seilbahn, die Öttingen mit Esch und Differdingen verband, „Geschichte“. Wie der Rümelinger Alain Zimmermann gegenüber RTL berichtete, beobachtete er bei einem Spaziergang durch den lokalen Wald, dass ein Bauer den Stahlträger, der auf seinem Feld stand, mit seinem Traktor abriss. Danach habe dieser, so Zimmermann, die Stahlkonstruktion an den Waldrand gedrückt.
Gegenüber dem Tageblatt bestätigt der Rümelinger Bürgermeister Henri Haine, dass der Bauer keine Genehmigung für den Abriss hatte. „Ich finde es sehr bedauerlich, dass dies so passiert ist und ein Stück Geschichte verschwunden ist. Man hätte wenigstens mit uns Gemeindeverantwortlichen Rücksprache halten können.“ Die Gemeinde wolle mit dem Bauer über den Vorfall sprechen und sehen, ob der Pfeiler noch zu retten sei. Weiterhin behalte man sich vor, juristische Schritte einzuleiten, da die notwendige Verfügung für den Abriss nicht vorgelegen habe. Am Donnerstag konnte Haine dem Tageblatt allerdings nicht bestätigen, ob bereits ein klärendes Gespräch mit Gemeindeverantwortlichen stattgefunden habe.
Stolze 120 Jahre
1905, also vor 120 Jahren, traf die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hüttenaktiengesellschaft die Entscheidung, ihr in Rümelingen, Langengrund und auf Ottange 3 abgebautes Eisenerz mittels Seilbahn nach den Hochöfen von Differdingen zu transportieren. 1906 wurde die „Seelebunn“ in Betrieb genommen. Die Seilbahn zwischen Öttingen und Differdingen war zwar nicht einzigartig, aber mit „12,78 Kilometern die längste. 144 Stützmaste trugen das 45 mm starke Tragseil, an dem 462 Lohren (Buggis) 200 Tonnen Erz pro Stunde zu den Differdinger Hochöfen beförderten. Gebaut wurde sie in Rekordzeit, kurz nachdem die Differdinger die Minenkonzessionen erworben hatten“, schreibt Tageblatt-Journalist und Hobbyhistoriker Christian Muller in seinem Buch „Vergessene Geschichten aus Esch“.
Hobbyhistoriker Claude Hermes erklärt am Telefon gegenüber dem Tageblatt: „Die Seilbahn war technisch gesehen in zwei geteilt, von Öttingen zum Escher Katzenberg, hier befand sich die Antriebsstation, und von Esch nach Differdingen. Der nun abgerissene Pfeiler befand sich im ersten Abschnitt. Im Jahre 1971 wurde dieser erste Teil außer Betrieb genommen und das Erz wurde in der Escher Hiehl (Zentralsammelstelle des von der Arbed abgebauten Erzes) mittels hier neuerrichteter Füllstation weiter nach Differdingen befördert. Im Jahre 1980 fuhren die letzten „Buggys“ nach Differdingen. Die Seilbahn war still geworden.“

„Mit der Zeit mauserte sich die ‚Minettsseelbunn’ zu einer Art regionalem Wahrzeichen. Auf Postkarten wurde sie abgebildet. Für die Bewohner der Region waren die Geräusche der Loren, die über die Masten rollten, Teil ihres täglichen Lebens“, heißt es in Mullers Buch weiter. Hörte man in Rümelingen das Gepolter der Seilbahn, so war Regen angesagt. Insgesamt 74 Jahre lang war die Seilbahn in Betrieb. Einige der Pfeiler sind noch erhalten, unter anderem auf der Rümelinger Heed, zwischen Rümelingen und Esch sowie auf französischer Seite gegenüber Belval. Zwei davon stehen vor dem Grubenmuseum in Rümelingen, sind aber nicht Teil der Originalstrecke. Ob mit dem abgerissenen Pfeiler nun ein wichtiges Stück Geschichte verloren geht, sei nicht so einfach zu beantworten, sagt Claude Hermes. Zunächst müsse geklärt werden, wem dieser Pfeiler eigentlich gehört – dem Feldbesitzer oder den Erben des Erbauers. Weiterhin spiele der Zustand eine wichtige Rolle. „Einige der Pfeiler sind so verrostet, dass sie drohen, dem nächsten Sturm zum Opfer zu fallen. Andere erhaltene Seilbahnabschnitte sind aussagekräftiger.“ Die besondere Lage des betroffenen Pfeilers, mitten im Feld, sei aber für viele ein Anhaltspunkt gewesen.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können