„Ee coolen Ofschloss“: 25 E-Schüler des LGE machen ein Haus in der rue du Fossé zum Kunstwerk

„Ee coolen Ofschloss“: 25 E-Schüler des LGE machen ein Haus in der rue du Fossé zum Kunstwerk

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Schüler der diesjährigen Première E des Escher „Jongelycée“ arbeiten seit dem 20. Juni im Haus in der rue du Fossé 62. Auf insgesamt drei Stockwerken nehmen die Visionen der etwa 25 Ex-Primaner langsam Form an. Bis zur Einweihung der dreitägigen Ausstellung am 11. Juli ist aber noch einiges zu tun. Das Tageblatt besuchte die „artistes en herbe“ bei der Arbeit.

Von Luc van den Bossche 

Ein Haus, drei Stockwerke, etwa 25 Visionen und ein Gesamtkunstwerk. Zwischen 10.00 und 18.00 Uhr kann man im Haus in der rue du Fossé 62 Schüler bei der Arbeit erspähen. Dabei sind die Examen längst geschrieben, das Schuljahr bestanden. Alle sind sie freiwillig hier, für einen Abschluss nach dem Abschluss sozusagen. „Es ist nicht einfach“, meint ihr (Ex-)Lehrer Thierry Lutz, der das Projekt begleitet, „bislang haben sie meistens auf Papier oder Leinwand gearbeitet, jetzt ist der ganze Raum Arbeitsfläche.“ Auch das mit der Vernissage der Ausstellung sei so eine Sache: „Das ist eine Umstellung für sie. Es ist nicht wie mit Prüfungen, man kann das nicht einfach verschieben. Am 11. stehen die Leute hier, bis dann muss es fertig sein.“

Jeder hat seine eigene Idee

Die Arbeiten haben am 20. Juni begonnen, die Idee zum Projekt ist allerdings etwas älter. Vor ungefähr einem Jahr besuchte die Klasse „Lankelz“ des Künstlerkollektivs Cueva. Letzteres hatte in einem dem Abriss geweihten Gebäude in Esch-Lallingen eine Kunstausstellung organisiert. Die Schüler waren begeistert und wollten etwas Ähnliches auf die Beine stellen. Ihre Lehrer Thierry Lutz und Carlo Schmitz haben sie dabei voll unterstützt, sodass auch während der Unterrichtsstunden über die Idee diskutiert wurde.
Das größte Problem bei der Umsetzung war es, ein geeignetes Haus zu finden, „net ze kleng an net ze grouss“. Schlussendlich hatten sie Glück: Der Chefarchitekt der Stadt Esch, Luc Everling, überließ ihnen ein Haus direkt bei der Schule. Für die Arbeit am Projekt haben sich die Nachwuchskünstler in Gruppen aufgeteilt. Jede von ihnen arbeitet in einem anderen Bereich des Hauses an einer eigenen Idee. Die Aufteilung sei sehr harmonisch verlaufen, jede Gruppe habe mehr oder weniger das Zimmer bekommen, das sie wollte, meinen die Abiturienten.

Schon von außen lässt sich erahnen, dass in diesem Haus etwas vor sich geht: Ein großflächiges Graffiti des Künstlers Sader schmückt die seitliche Außenwand des Gemäuers. Er ist kein Schüler, sondern ein Bekannter von Thierry Lutz. Der Lehrer hatte seinen Schützlingen die Zusammenarbeit mit dem Künstler vorgeschlagen und sie waren begeistert.

Eine helle freie Welt der Fantasie

Im Haus selbst wird man am Eingang von Lutz’ eigener Arbeit begrüßt: eine Reihe von expressionistisch anmutenden Hunden in Holzschnittoptik, über die sich Farbfäden ziehen. Einer der stilisierten Vierbeiner ist sogar in die Hauswand gemeißelt. Dieses erste Werk gibt den Ton an für das, was die Besucher sonst noch erwartet: starke künstlerische Visionen, die den Raum miteinbeziehen und kein Blatt vor den Mund nehmen.

Im ersten Raum, gleich links nach dem Eingang, hantiert Julia Ariete mit schwarzer und weißer Farbe. Zusammen mit Elma Hadzajlic und Viviana Maurizio erschafft sie ein sehr persönliches Werk. Auf den Wänden spielt sich ein Konflikt zwischen den zwei Primärfarben ab: Schwarze Hände dringen in weiße Flächen ein und befallen auch ein Stück Tapete, das noch hinter den Farbschichten hervorlugt. Aber auch weiße Hände fassen ans teilweise mit Augen bestückte Schwarz. Mitten im Raum steht eine Schulbank. Es gehe ihnen darum, die Ausweglosigkeit, das Totalitäre am Schulwesen auszudrücken, erklärt Julia. Zusammen verarbeiten sie hier das Gefühl, das sie während ihrer Schulzeit hatten, wie die Schule in alle Bereiche ihres Lebens eindrang.

„Mir sinn all depressiv“

„Mir sinn all depressiv“, meint lachend einer der drei, die im Nebenzimmer arbeiten. Denn auch hier dominiert Schwarz. Anaïs Guedes, Luca Gabrielli und Lynn Bausch sind drei der fünf Mitglieder der Gruppe, die in diesem Zimmer arbeitet. Der Raum ist komplett schwarz gestrichen: Wände, Decke, Fußboden. Sie wollten mit der Idee spielen, die man normalerweise von einem Wohnraum hat. Und dadurch stechen auch die bunt gestrichenen Bilderrahmen noch mehr ins Auge. Da sie zu fünft arbeiten, sei es schwierig gewesen, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Sie hätten das so gelöst, dass jeder seiner Kreativität in ein paar Bilderrahmen in der eigenen Lieblingsfarbe freien Lauf lassen kann. Auch für die Besucher ist ein Bilderrahmen vorgesehen, ganz in Schwarz.

Erst in der Treppe wird es etwas bunter. Beim Treppensteigen sieht man rechts allerlei Blumen in kräftigen, fröhlichen Farben, rechts eine Art Farbenlabyrinth. Es sollen noch farbige Wollfäden hinzukommen, die die beiden Flächen miteinander verbinden, so Edina Lugen und Lara Da Silva-Paiva. „Farben sind cool“, meinen die beiden. Es geht ihnen um das Fröhliche, das Heitere, und das bilde eine gute Überleitung zum nächsten Raum.
Beim Betreten des ersten Stockwerks begrüßen bunte Tiere im Comic-Look die Besucher; der Raum selbst ist größtenteils in Weiß gehalten und bildet so einen markanten Kontrast zur düsteren Optik im Erdgeschoss. Leider war keiner der Schüler, die in diesem Raum arbeiten, anwesend.

Coolster Raum im Haus

So oder so mutet das Ganze bis dahin jedoch stimmig an: Aus dem dunklen, fast beklemmenden Erdgeschoss steigt man zu hellen, lichtgefluteten Räumen hinauf; vom erdrückenden Alltag, in dem man fremdbestimmt wird und für den Ausdruck der eigenen Persönlichkeit nur begrenzte Rahmen zur Verfügung stehen, in eine helle, freie Welt der Fantasie. So befassen sich auch die Schüler im Nebenraum sozusagen spielend mit Grenzen und Wahrnehmungen. Das Zimmer ist ganz im Schachbrettstil schwarz und weiß kariert, an den Wänden stehen halbe Tische und Stühle. Julie Faha erklärt, dass es ihr und Magali Speicher darum geht, einen destabilisierenden Effekt zu erzeugen. Später sollen auch die Möbelstücke leicht über dem Boden schweben, sodass das Ganze noch befremdlicher wirkt.

Und dann ist da schließlich noch der Dachboden. „Der coolste Raum im ganzen Haus“, wie die drei Jungs meinen, die hier ihre Kreativität ausleben. Noch ist nicht viel von der Arbeit von Louis Elsen, Leonardo Capus und Denis Hill zu sehen. Denn bevor die drei richtig loslegen können, muss der ganze Raum erst einmal ordentlich geputzt und die Wände grundiert werden.

Hier soll ihrer Vision nach ein zyklisches Mauerbild entstehen, das den Werdegang eines Jugendlichen beschreibt, „dem et net sou gutt geet“. Farblich drückt sich das dann durch ein langsames Gleiten hin zum Schwarz aus. „Mär probéieren, e relativ kritescht Konschtwierk ze schafen“, erklärt einer der drei. „So Katharsis“, ruft ein anderer dazwischen. Sie wollen die Besucher zum Nachdenken anregen.

Ein letztes Mal gemeinsam arbeiten

Während einer kurzen Zigarettenpause sinnieren die drei Schüler über das Projekt, über ihre Zukunft, über alles Mögliche. Zum Beispiel darüber, ob es wohl möglich sei, auf der Vernissage Bands spielen zu lassen. Eine gute Idee, meint einer, aber die Zeit werde langsam knapp. Diese Pausen zwischendurch – ob auf dem Dachboden selbst oder im Café Pitcher ganz in der Nähe – geben den Abiturienten Zeit zum Nachdenken und Reden. Den Rest der Zeit heißt es arbeiten. Ein letztes Mal gemeinsam.

Alle 25 haben unterschiedliche Zukunftspläne. Für die meisten geht es im Herbst zur Uni. Größtenteils Geisteswissenschaften: Ganz klassisch Kunst für manche, aber von Philosophie über Sprachen bis hin zu Psychologie ist alles vertreten. Andere machen noch ein Jahr Pause, gehen „ersetzen“ oder haben noch gar keinen Plan für die Zukunft. Aber alle sind sie sich einig, dass dieses Projekt ein schöner Abschluss für ihre „Lycées-Zäit“ ist.