BelarusDutzende Bombendrohungen in Minsker Schulen – Regime verbietet Ausreise

Belarus / Dutzende Bombendrohungen in Minsker Schulen – Regime verbietet Ausreise
Belarussen demonstrieren fast nur noch im Ausland, wie hier in Kiew, gegen das Lukaschenko-Regime Foto: Sergei Supinsky/AFP

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Lukaschenkos Beispiel des falschen Bombenalarms macht Schule: Weit über hundert Schulen in Weißrussland erhielten am Montagmorgen eine Mail mit einer Warnung vor einer angeblich gelegten Bombe.

Die Aufregung war groß, alleine in der Hauptstadt Minsk mussten 118 Schulen evakuiert werden. Zu ähnlichen Aktionen kam es vereinzelt in allen sechs Oblasten, also im ganzen Land. Laut dem Minsker Innenministerium ist unklar, woher die Drohbriefe kamen. Bomben jedenfalls wurden keine gefunden, genauso wie vor Wochenfrist in dem Ryanair-Flugzeug, mit dem der Regimekritiker Roman Protassewitsch von Athen nach Vilnius unterwegs war. Das Flugzeug wurde dennoch zur Notlandung auf dem Minsker Flughafen gezwungen, wo Sicherheitskräfte Protassewitsch und seine Freundin Sofia Sapiega sofort festnahmen und abführten. Beide sitzen inzwischen im gefürchteten KGB-Untersuchungsgefängnis von Minsk.

Das Innenministerium wies in einer offiziellen Verlautbarung darauf hin, dass für einen mutwillig verbreiteten falschen Bombenalarm bis zu sieben Jahre Gefängnis drohten. Den Verfasser des angeblich von Hamas ausgehenden Bombenalarms für das zur Landung in Minsk gezwungene Ryanair-Flugzeug dürfte das kaum betreffen. Die Bombenwarnung in Minsker Schulen könnte indes eine neue Repressionswelle in Weißrussland auslösen.

Bisher ist zwar völlig unklar, wer dahinterstecken könnte: Von Geheimdiensten bis zu gelangweilten Schülern könnten es so ziemlich alle sein. Das Regime könnte indes durchaus versucht sein, die Tat seinen Gegnern zuzuschieben.

Bisher waren die Protestaktionen der Opposition in Weißrussland friedlicher Natur. Neben den bekannten Demonstrationen wird seit den mutmaßlich gefälschten Präsidentenwahlen vom 9. August immer wieder auch zu zivilem Widerstand aufgerufen. Dazu gehören die Verweigerung von Steuerzahlungen, der Boykott kommunaler Gebühren und vor allem auch der Abzug von Spareinlagen aus den Staatsbanken. Es sind kleine Nadelstiche gegen das Regime, deren Erfolg schwer zu messen ist. Seit dem Zusammenbruch der Streikbewegung kommt es immer wieder zu Bummeleien am Arbeitsplatz, sogenannten italienischen Streiks. Auf der Symbolebene bekannt geworden sind teils halsbrecherische Aktionen mit den oppositionellen weiß-rot-weißen Flaggen und ebensolchen Bändern, Kleidungsstücken, Regenschirmen etc. Immer wieder steigen Drohnen mit der oppositionellen Staatsflagge von 1918 und 1991 auf.

Journalistin zu Arrest verurteilt

Das Regime bekämpft seit Monaten die Farben der Opposition im öffentlichen Raum. Daneben werden weiterhin Bürgeraktivisten und Journalisten verfolgt. Erst am Montag wurde die Minsker Journalistin Glafira Schuk zu 30 Tagen Arrest verurteilt. Die Mitarbeiterin der noch legalen Oppositionszeitung Narodnaja Wolja hatte es gewagt, über einen Prozess gegen streikende Studenten zu berichten. In der westweißrussischen Stadt Grodno kam es am Sonntagabend zu weiteren Hausdurchsuchungen bei Journalisten der Online-Lokalzeitung Hrodna.Life wegen angeblichen „Extremismus“. Chefredakteur Aleksei Schota wurde indes am späten Sonntagabend wieder aus der U-Haft entlassen. Mit einem Prozess wegen angeblichen „Extremismus“ muss er dennoch rechnen. Auf das Vergehen stehen bis zu 12 Jahre Haft.

Diese gnadenlose Welle der Repression zwingt immer mehr Weißrussen zur Ausreise ins Ausland. Schätzungen gehen von bis zu zwei Millionen Flüchtlingen aus, die vor allem in die Nachbarländer strömen könnten. Dieser drohenden Ausreisewelle will das Regime nun offenbar einen Riegel vorschieben. Am Montag veröffentlichte der Grenzschutz neue Regeln, wonach die Ausreise aus Weißrussland „vorübergehend eingeschränkt“ wird. So sollen nur noch feste Niederlassungsbewilligungen als Ausreisegrund anerkannt werden. Allen anderen Bürgern werde die Ausreise ab sofort verweigert, heißt es in der amtlichen Bekanntmachung. Beschränkt ist diese sinnigerweise nur auf die Landgrenze. Mit dem Flugzeug kann Weißrussland weiterhin verlassen werden. Allerdings fliegen EU-Fluglinien Minsk nicht mehr an, und die staatliche Fluglinie Belavia darf nicht mehr in die EU und die Ukraine fliegen.